Zeitschrift-Artikel: "Gestohlene Federn"

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Titel: "Gestohlene Federn"
Typ: Artikel
Autor: C.H. Spurgeon
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1680

Titel

"Gestohlene Federn"

Vortext

Text

Ganz im Anfang meines Dienstes in Waterbeach gab es ein amüsantes Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Eines Tages bat mich ein Herr, der gerade Bürgermeister in Cambridge war und schon des öfteren versucht hatte, meine jugendlichen Fehler zu korrigieren, zu sich. Er fragte, ob ich denn tatsächlich meiner Gemeinde gesagt hätte, daß ein Dieb, wenn er in den Himmel käme, den Engeln die Taschen leerstehlen würde.

"Ja, Sir", antwortete ich. "Ich habe ihnen gesagt, daß, wenn es möglich wäre, daß ein gewöhnlicher Mensch in den Himmel kommt, ohne daß seine Natur verändert worden ist, er dort keinen Deut besser wäre als hier. Und als Beispiel habe ich dann gesagt, daß ein Dieb, wenn er unter die Verherrlichten käme, dort immer noch ein Dieb sei, und daß er dann dort umhergehen und die Taschen der Engel ausrauben würde!"

"Aber mein junger Freund", fragte Herr Brimley sehr ernst, "wußten Sie denn nicht, daß Engel keine Taschen haben?"

"Nein", antwortete ich ebenso ernst, "ich wußte das nicht, aber ich bin froh, daß es mir gesagt worden ist von einem Herrn, der es weiß. Ich will darauf achten, es richtig zu stellen, sobald ich die Gelegenheit dazu habe."

Am nächsten Montagmorgen ging ich in das Geschäft von Herrn Brimley und sagte zu ihm: "Ich habe die Sache gestern klargestalt, Herr Brimley."

"Was für eine Sache?", wollte er wissen.

"Natürlich die mit den Taschen der Engel!"

"Was haben Sie denn diesmal gesagt?", fragte er mit einem Ton, der fast verzweifelt klang in Vorahnung dessen, was er gleich hören würde.

"Ach, ich habe einfach gesagt, daß ich bei meiner letzten Predigt leider einen Fehler gemacht habe. Aber ich hätte einen Herrn getroffen - den Bürgermeister von Cambrigde -der mir versichert habe, daß Engel keine Taschen hätten. Also müßte ich korrigieren, was ich gesagt hätte, da ich nicht wolle, daß jemand mit einer falschen Vorstellung über den Himmel nach Hause gehe. Ich würde deshalb sagen, daß ein Dieb, wenn er ohne die Veränderung seiner Natur unter die Engel käme, versuchen würde, ihnen die Federn aus ihren Flügeln zu stehlen!"

"Das haben Sie doch nicht etwa wirklich gesagt?" wollte Herr Brimley wissen. "Natürlich habe ich es gesagt", antwortete ich.

"Dann werde ich", so rief er aus, "niemals mehr versuchen, Sie zu berichtigen." Genau das wollte ich von ihm hören.

Nachtext

Quellenangaben

(Aus C.H. SPURCEON: ALLES ZUR EHRE GOTTES - AUTOBIOGRAPHIE, ONCKEN/CLV)