Zeitschrift-Artikel: Erste Gebetsstunde bei den Yanoamös

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Titel: Erste Gebetsstunde bei den Yanoamös
Typ: Artikel
Autor: Margret Jank
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Titel

Erste Gebetsstunde bei den Yanoamös

Vortext

Text

Die Yanoamö-Indianer im Dschungel Venezuelas hielten sich für die einzigen Bewohner der Erde. Sie kannten nur einen Feind, dem sie sich in äußerster Verzweiflung beugten: den Tod.

Doch dann bekamen sie Besuch: Die Missionare Margret und Wally Jank machten sich auf den Weg, um diesen unerschrockenen, selbstbewußten Menschen das Evangelium zu verkündigen.

Nach anfänglichem Widerstand wurde das Evangelium mit Begeisterung aufgenommen und breitete sich wie ein Feuer im Dschungel aus. Es entwickelte sich ein Gemeindeleben, das nicht von westlicher Kultur geprägt war, weil die Missionare sich als Werkzeuge Gottes verstanden und im Hintergrund blieben.

Der folgende Auszug aus dem Buch "Wie auf einem anderen Stern" gibt einen lebendigen Eindruck von den ersten Gebetsstunden dieser jungen Christen.

Es war Mittwochabend, also die Zeit der wöchentlichen Gebetsversammlung, zu der wir immer noch in unsere Veranda einluden. Die Sensation, die der Abend bereithielt, konnten wir nicht im geringsten ahnen. Pedro, der Singleiter, erschien als erster. Er lehnte sich zu einem freundlichen Plausch über die Trennwand, während wir darauf warteten, daß die anderen sich einfanden.

"Sah ich ängstlich aus, als ich zum ersten Mal betete?" fragte er grinsend.

"Nein! "

"Na schön, aber ich hatte Angst", lachte er. "Ich fürchtete mich so sehr, daß meine Beine zitterten, und ich dachte, ich würde keinen Ton 'rausbringen. "

Als die Tür mit einem Knall zuschlug, wandte er sich um und ließ sich neben den anderen nieder, um mit ihnen glückliche Erinnerungen an ihre erste Gebetsversammlung auszutauschen.

Die Gesellschaft war heute ungewöhnlich groß. Auch solche unsicheren Kandidaten wie Jose und sein Bruder gehörten diesmal dazu.

Der hat uns gerade noch gefehlt! dachte ich, als Jose mit einem breiten Grinsen quer über die Veranda stolzierte. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, daß er an einer Gebetsversammlung teilnahm, um einfach nur für reichlichen Stoff zum Lachen zu sorgen. Einmal hatte er seine Absicht, beten zu wollen, angezeigt und dann im Laufe der Versammlung Gott für Rauschgifte und Zaubereien gedankt. Dann war er in schallendes Gelächter ausgebrochen und hatte erklärt, er habe nur Spaß gemacht.

Die Versammlung nahm ihren Verlauf. Nacheinander begannen die Männer zu beten. Als der nächste vor Jose sein Gebet beendete, setzte sich Jose in Positur und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Ich fürchtete mich fast hinzuhören.

"Vater", begann er zögernd, "ich habe schon früher mit dir gesprochen. Manchmal habe ich gesagt, ich wünschte es mir von dir, meine Sünden wegzunehmen. Aber das war einfach gelogen. "

Ich schluckte an einem Kloß im Hals und mühte mich ab, jedes von ihm geflüsterte Wort mitzubekommen. Konnte das möglich sein?

"In Wirklichkeit wollte ich gar nicht, daß du mich von meinem Zorn befreist. Ich wollte Menschen töten. Manchmal habe ich behauptet, mein Zorn wäre weg, und ich wollte überhaupt nicht mehr kämpfen. Aber das war auch eine Lüge. "

Alle verhielten sich schweigend, als ob keiner so recht begreifen konnte, was hier vor sich ging. Aber endlich fingen sie an, Jose mit leisem Gemurmel zu ermutigen, während er fortfuhr: "Diesmal will ich dir die Wahrheit sagen. Mein Herz ist sündig. Ich möchte immer noch kämpfen und töten. Ich wollte überhaupt nichts mehr mit dir zu tun haben. Aber Enrique hörte nicht auf, mit mir über dich zu sprechen. Er sagte mir, ich müßte aufrichtig zu dir sein. Wie ich eben erzählt habe, wollte ich kein Christ werden. Aber in Wirklichkeit möchte ich dir angehören. Ich möchte so glücklich und zufrieden sein wie Enrique. Ich möchte deinen Geist in mir haben. "

Herr, flüsterte ich in meinem Innern, ist das möglich? Kannst du solche Dinge vollbringen? Ich hätte keine größere Ehrfurcht fühlen können, wenn Joses amputierter Finger plötzlich nachgewachsen wäre. Verstohlen warf ich einen Blick auf Wally, der schweigend mit gesenktem Kopf im Kreis der Männer saß. Wie konnte er so ruhig und ernst dasitzen, wenn es mir danach zumute war, aufzuspringen und zu jubeln?

"Hilf mir, daß ich nicht mehr töten will!" fuhr Jose fort. "Nimm meinen Zorn weg und schenke mir ein friedfertiges Herz!"

Weiter und weiter betete Jose und sprach mit dem Herrn über seine Vergangenheit. Die Männer um ihn herum brummten ihren Beifall zu allem, was er sagte, und fügten an den geeigneten Stellen ein: "Ja, das stimmt!" Wenn immer es schien, daß er sein Gedächtnis zermarterte, erinnerten sie ihn an Sünden, die er vergessen hatte. Alle wirkten mit bei dem gewagten Unternehmen, die finstersten Ekken des Dorfes gründlich zu reinigen. Jetzt spürte ich etwas von der Freude, die vor den Engeln im Himmel sein mußte, als Jose eine Neuschöpfung Gottes wurde.

 

Nachtext

Quellenangaben

Aus: MARC RET JANK, WIE AUF EINEM ANDEREN STERN - MISSION UNTER DEN YANOAMÖ-IN

DIANER IN VENEZUELA, CLV BIELEFELD, S. 1501-F.