Wenn dieses Buch des Berliner ARD Redakteurs ähnliche Beachtung fände wie der Bestseller „Schluss mit lustig“ seines Kollegen Peter Hahne, könnte man neue Hoffnung für die Evangelikalen schöpfen. Hier schreibt ein begabter, hellwacher, intelligenter Autor, der offensichtlich die vielen evangelikalen Modeströmungen unverdorben überlebt hat. Unverkrampft, geradeheraus und doch bescheiden hält Spieker die biblische Messlatte an heutige Ansichten, Lebensstile und Moral-Auffassungen und tritt mit gut durchdachten und ausgefeilten Formulierungen deutlich in alle evangelikalen Fettnäpfchen. Hier einige Kostproben: „Die Christen fallen als gegenkulturelle Kraft weitgehend aus, weil sie sich lieber an säkulare Trends anhängen, als sich davon abzukoppeln.“ (S. 7-8) „Deutschland ist dick und geil geworden, aber anstatt eine Diät zu verordnen, versuchen die Kirchen, sich in spirituelle Solarien zu verwandeln.“ (S. 17) „Ich habe keinen Selbstwert. Das heißt: ich habe keinen Wert aus mir selbst, sondern nur aus meiner Beziehung zu Gott.“ (S. 46) „Christen kommen dann aus dem Tritt, wenn sie anfangen, sich nicht für Pilger, sondern für Touristen zu halten, wenn sie die Via Dolorosa mit einem Laufsteg verwechseln.“ (S. 84) „Wer sich der Mission Gottes verschreibt, muss also akzeptieren, dass er die meiste Zeit nicht mit Flügeln der Liebe dahinfliegt, sondern im Gänsemarsch wie durch Zement stapft.“ (S. 94) „Das Evangelium steht den säkularen Entwicklungen meistens im Weg, es ist anti-zyklisch und mehrheits-feindlich. Deswegen schweigen viele Pfarrer zu bestimmten ethischen Fragen hartnäckiger als Bundestags-Abgeordnete zu ihren bezahlten Nebeneinkünften.“ (S. 150) Viele ausgezeichnete Zitate von Theologen, Dichtern und Denkern (leider ohne Quellenangabe!) runden dieses hochinteressante und zum Nachdenken und Umdenken provozierende Buch ab. Hier und da muss man allerdings eine kleine „Kröte“ schlucken. Ob z.B. ein nachgesprochenes Gebet am Taufbecken der „Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche“ mit den Worten „Jesus, ich glaube an dich!“ wirklich zum Christen macht und ein „unmerkliches galaktisches Beben“ auslöst, wie der Autor im letzten Satz des Buches vermutet, scheint mit anderen Aussagen in diesem Buch nicht ganz zu harmonieren. Davon abgesehen kann man sich nur freuen, dass ein so erfrischend ehrliches, offenes und kerniges Buch veröffentlicht worden ist. Dem Autor und dem Verlag einen herzlichen Dank!
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