Zeitschrift-Artikel: Jeder Dritte ist ein Spion...

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Titel: Jeder Dritte ist ein Spion...
Typ: Artikel
Autor: Die Autorin ist der Schriftleitung bekannt
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Titel

Jeder Dritte ist ein Spion...

Vortext

»Jeder Dritte ist ein Spion...«

Text

Die Situation in Nordkorea

Ein Leben an der chinesischen Grenze zu  Nordkorea ist nicht so „leicht“ wie im Rest des  Landes, wenn man Missionar ist. Über vieles, was  in der eigenen Missionsgesellschaft läuft, wer  genau welche Aufgabe ausübt, welche Arbeitsbereiche es gibt etc., spricht man nicht, zum  Schutz ... 
Diesen Schutz zu wahren war äußerst wichtig,  denn wäre der chinesischen oder der südkoreanischen  Regierung etwas zu Ohren gekommen,  hätte den Südkoreanern aus dem Team das  Gefängnis wegen missionarischer Aktivitäten  gedroht,  in Südkorea allein schon wegen des  Kontaktes zu Nordkoreanern.  Ein halbes Jahr lang war ich Englisch-Lehrerin  an einer Sprachschule in China, direkt an der  Grenze zu Nordkorea. Erst in dieser Zeit wurde  mir bewusst, wie schrecklich die Situation in  dem Land an der anderen Uferseite ist. Vor meinem  Aufenthalt habe ich nicht viel von den  Umständen dort mitbekommen. Doch nun hatte  ich Nordkorea täglich vor Augen. Aus meinem  Zimmer konnte ich sogar direkt über den Fluss  nach Nordkorea schauen. Während nachts die  chinesische Seite mit Lichtern übersät war, blieb  es auf der nordkoreanischen Seite dunkel, bis  auf einen Strahler, der in nicht mehr erkennbarer  Entfernung etwas anzuleuchten schien –  höchstwahrscheinlich eine Statue des 1994 verstorbenen, doch „ewigen“ Führers Kim Il Sung.  Wie schrecklich müssen die Verhältnisse in  diesem Land sein? Wie düster und arm ist es  wirklich? Ein genaues Bild von den Verhältnissen  in Nordkorea bekommen wir nicht, da das Land  eines der abgeschottetsten Länder der Erde ist:  Keine internationale Presse, nur nationale Sender  im Radio und Fernsehen, kein Internet, einfach  kein Kontakt zur Außenwelt. Dazu kommen tägliche  Propaganda und Verherrlichung des Führers  und des eigenen Landes. 

Die Situation in Nordkorea

Oft saß ich an meinem Fenster und konnte nicht glauben, dass ich so nah bin und trotzdem nicht wirklich helfen kann. Nur einige wenige Nationalitäten dürfen das Land betreten, z.B. chinesische Geschäftsleute. Auch Touristen dürfen innerhalb einer streng kontrollierten Reisegruppe das Land besuchen, können sich jedoch nicht frei bewegen. Auf gar keinen Fall dürfen Südkoreaner das Land betreten. Kaum zu glauben, denn einst waren Nord- und Südkorea ein Land. Nach der kommunistischen Machtübernahme und viel Propaganda und Hass ist die Grenze zwischen Nordund Südkorea die am stärksten bewachte Grenze im ganzen Land. Diese zwei Länder haben sich unglaublich unterschiedlich entwickelt. In Südkorea findet man viele christliche Gemeinden, während sich die Christen in Nordkorea im Untergrund z.B. in Höhlen treffen müssen, um nicht entdeckt zu werden. Ich habe Südkoreaner kennen gelernt, die sich an der chinesischen Grenze angesiedelt haben, um von der Grenze aus zu helfen. Das ist nicht ganz ungefährlich für unsere Geschwister. Denn werden sie mit Nordkoreanern zusammen entdeckt, müssen sie auch von südkoreanischer Seite mit Gefängnisstrafen rechnen. Die Liebe zu Gott und zu den verfolgten Geschwistern und Landsleuten ist jedoch stärker. Doch wie hilft man den Menschen, ohne ins Land reisen zu dürfen? Was kann man von der Grenze aus bewirken?

Hilfsmöglichkeiten

Jährlich fliehen viele Nordkoreaner über den Fluss nach China, um dort Nahrung und Geld für ihre verhungernden Familien zu besorgen. Dabei riskieren sie oft ihr Leben. Zum einen patrouillieren Soldaten überall am Fluss entlang, die den Auftrag haben, jeden Flüchtling zu erschießen.
Aufgrund der großen Armut im Land sind allerdings viele der Soldaten „zum Glück“ bestechlich und lassen Flüchtlinge über den Fluss. Zum anderen liefern die Chinesen entdeckte Flüchtlinge regelmäßig an die nordkoreanische Regierung aus. Die Folgen sind Gefängnis und Arbeitslager. Handelt es sich bei den Wiederkehrenden um Christen, droht sogar eine öffentliche Todesstrafe. Flüchtlinge gelten als Verräter. Damit sie nicht von der chinesischen Polizei an der chinesischen Uferseite aufgegriffen werden, helfen oft südkoreanische bzw. chinesische Christen den Flüchtlingen, indem sie sie mit Lichtsignalen anlocken. Es kommt nicht selten vor, dass Flüchtlinge sich während ihrer Zeit in China bekehren und dann zurückkehren, um ihren Verwandten das Evangelium zu bringen.

Vorsicht ist geboten

Die Christen in dieser Gegend Chinas müssen sehr vorsichtig sein. Als Ausländer darf man sich nicht als Missionar zu erkennen geben, hat also in der Regel noch einen anderen Beruf. Da Ausländer sich in einer Kirche pro Stadt versammeln dürfen, habe ich den Gottesdienst der Südkoreaner besucht. Nicht einmal dort durfte ich den Geschwistern mitteilen, dass ich hier nicht nur als Englisch-Lehrerin, sondern als Missionarin da war. Diese Vorsichtsmaßnahmen waren jedoch zwingend notwendig, da auch Spitzel der chinesischen Regierung die Gottesdienste besuchen. Ich habe mich an diese Regeln gehalten, denn ich wollte auf keinen Fall irgendwelche Geschwister in Gefahr bringen und die wertvolle Arbeit, die sie unter Flüchtlingen tun, gefährden. Viele nehmen Flüchtlinge in ihre Häuser auf. Einige bleiben nur kurz, andere über mehrere Monate, manchmal auch Jahre und nehmen eine chinesische Identität an, um in China bleiben zu können. Gruppen von bekehrten Flüchtlingen werden regelmäßig von Lehrern in der Bibel unterwiesen, durchlaufen Jüngerschaftskurse oder werden auf die Aufgaben eines Pastors in Nordkorea vorbereitet. Die Zeugnisse dieser Menschen sind wirklich erschütternd: Eltern und Geschwister verhungert, Gefängnisaufenthalte, wiederholte Flucht ... Ein Junge erzählte, er wolle lernen, das Evangelium intellektuell zu erklären, damit er es eines Tages auch seinem Führer Kim Jong Il weitergeben könne. Regelmäßig werden Brot, Bibeln und Kleidung (besonders im Winter) über die Grenze geschmuggelt. Außerdem Radios mit Empfang eines christlichen Senders in Südkorea, über den regelmäßig Predigten laufen, außerdem mp3 Player mit Botschaften.

Christen in Bedrängnis

Besonders die Christen leiden. Es gibt drei offizielle „Schaukirchen“ in Pjönjang, der reichen und elitären Hauptstadt, um dem Ausland gegenüber Religionsfreiheit vorzutäuschen. In Wirklichkeit findet man die echten Gläubigen im Untergrund. Diese wurden zu Staatsfeinden erklärt und sollen ausgerottet werden. Kim Jong Il sieht einen Verlust der Loyalität seines Volkes in ihrem Glauben an den alleinigen und einzig wahren Gott. Denn er will, dass sein Vater Kim Il Sung (der ewige Führer) und er, der Sohn, allein angebetet werden. Im Untergrund sind Treffen sehr riskant. Oft finden diese in Höhlen statt. Jeder dritte in Nordkorea ist ein Spion. Nicht nur diese Spitzel sollen jeden „Staatsfeind“ ausfindig machen. Auch Kinder werden dazu missbraucht. Z.B. kann eine Lehrerin in der Schule den Auftrag geben, ein schwarzes Buch (die Bibel) zu suchen. Wer dieses Buch dann mit zur Schule bringt, bekommt einen Preis. Nichtsahnend durchsuchen die Kinder ihre eigenen Häuser und verraten so ihre eigenen Eltern. Schon der Besitz einer Bibel wird mit Gefängnis, Arbeitslager oder Tod bestraft. Spitzel gibt es überall. Wie schon erwähnt ist vermutlich jeder dritte Nordkoreaner ein Spion der Regierung. Unter solchen Umständen ist es für die Christen in diesem kommunistischen Land äußerst schwierig, sich zu treffen oder von Jesus zu erzählen. Eltern können es oft nicht riskieren, ihren eigenen Kindern direkt von Gott zu erzählen! In den Arbeitslagern werden Christen besonders hart bestraft. Gelingt es einem Aufseher, einen Christen dazu zu bringen, seinen Glauben zu verleugnen, so wird er befördert oder erhält mehr Geld. In dem Buch von Soon Ok Lee („Lasst mich eure Stimme sein“) wird der unmenschliche Alltag in einem nordkoreanischen Gefängnis anschaulich geschildert. Christen dürfen z.B. nicht in den Himmel schauen, sondern müssen mit gesenkten Köpfen gehen. Die Verhältnisse sind vergleichbar mit den Konzentrationslagern im Dritten Reich. Durch meine Zeit in China habe ich allerdings gelernt dafür zu beten, dass die vielen Christen auf der Welt, die Verfolgung erleiden, die Kraft haben, zu Jesus zu stehen und ihn nicht zu verleugnen. Flüchtlinge kehren zurück Ich bin immer noch sehr beeindruckt davon, dass frisch Bekehrte zurückkehren in das Land, aus dem sie geflohen sind, um ihren Familien und Nachbarn das Evangelium weiterzusagen. Wenn sie geschnappt werden und sich herausstellt, dass sie in China Kontakt zu Christen hatten oder selbst Christen geworden sind, werden sie (auch öffentlich zur Abschreckung) hingerichtet.

Die Liebe zum „Vater“

Kim Il Sung, der verstorbene Führer und Gründer Nordkoreas, wird immer noch als Gott verherrlicht und angebetet. Menschen im ganzen Land müssen sich vor seinem Bild oder seiner Statue verbeugen, sein Bild in jedem Haus ist heilig, sein Gesicht auf einem Pin an der Kleidung Pflicht. Auch das Bild des jetzigen Staatschefs, seines Sohnes Kim Jong Il wird gleichermaßen verherrlicht - Götzendienst pur. Es darf keinen Gott außer ihnen geben. Deswegen sind Christen so verhasst und gelten als die allerschlimmsten Verräter, die es auszurotten gilt. Tägliche Propaganda über nationale Fernsehsender und Radioprogramme, dazu Durchsagen aus Lautsprechern in jedem Dorf dienen der Verherrlichung der Führer - es ist reine Gehirnwäsche. Menschen glauben diesen Lügen, da sie keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Der Staat stellt sich als das größte Weltreich dar, dabei verhungern die Menschen in Wirklichkeit und haben keine Hoffnung. ■

Nachtext

Gebetsanliegen für Nordkorea

◆ Für die Geschwister und Gemeinden in Nordkorea, dass sie trotz aller Verfolgung im Glauben wachsen können

◆ Dass Älteste in den Gemeinden ausgebildet werden (wenn sie dazu nach China fliehen müssen, für eine sichere Fluss-Überquerung)

◆ Für Kraft, ungebrochen zu Jesus zu stehen – auch im Gefängnis

◆ Dass noch viele Bibeln, mp3-Player und Radios in das Land geschmuggelt werden können

◆ Bekehrung und Ausbildung noch vieler Flüchtlinge

◆ Genügend Nahrung und Kleidung

◆ Dafür, dass die Wächter in den Gefängnissen vom Zeugnis der Christen überwältigt werden

◆ Da mehr Nordkoreaner den Fluss überqueren, wenn er im Winter zufriert, können wir in dieser Jahreszeit besonders für sie beten.

Quellenangaben