Zeitschrift-Artikel: Ist Christus Etwas unmöglich? - DER BERICHT EINES TADSCHIKISTAN-BESUCHS

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Titel: Ist Christus Etwas unmöglich? - DER BERICHT EINES TADSCHIKISTAN-BESUCHS
Typ: Artikel
Autor: Martin Seelhorst
Autor (Anmerkung):

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Titel

Ist Christus Etwas unmöglich? - DER BERICHT EINES TADSCHIKISTAN-BESUCHS

Vortext

„Und, wo wollen Sie hin?“, fragten wir den Journalisten auf dem Flug nach Dushanbe, der Hauptstadt Tadschikistans. „Na ja, nach Afghanistan“ sagte er mit einem traurigen Gesicht. Er war uns schon am Flughafen aufgefallen, als er sichtlich nervös sein Satellitentelefon und seine Kamera zum Sicherheitscheck brachte. „Und haben Sie keine Angst“, fragten wir ihn? „Natürlich habe ich Angst, aber ich muss. Mein Chef hat mich geschickt!“ Ja, uns hatte auch unser ‘Chef’ geschickt. Aber er hat es so gemacht, dass wir keinerlei Angst hatten, in einer TU154 über das Schwarze Meer zu fliegen – wenige Tage bevor dort ein Flugzeug gleichen Typs abgeschossen wurde und kurz bevor die Bomben auf Afghanistan fielen

Text

Viele hatten uns massiv abgeraten. Andere hätten Verständnis gezeigt, wenn wir „bei dieser weltpolitischen Lage“ unseren Besuch in Tadschikistan verschöben. Unsere Eltern hatten wir aus Rücksichtnahme erst gar nicht informiert, um ihnen den Stress zu sparen. Das war am Freitag Nachmittag Zuletzt hatte ich dann doch aufgegeben! Angst vor einer derartigen Reise hatte ich zwar nicht, aber meine Frau äußerte sie offen. Und dafür hatte ich schon Verständnis. Denn ich kannte diese Gegend der Welt bereits, sie aber war noch nie in diese Regionen vorgestoßen und musste außerdem unsere vier Kinder zurücklassen, die Kinder, die sie geboren hatte. Außerdem war das eigentliche Ziel unserer Reise – einen Eindruck vom „normalen Leben“ in diesem Land mit der zu 95 % muslimischen Bevölkerung zu bekommen – wegen der Kriegsvorbereitungen um Afghanistan tatsächlich in Frage gestellt. Zu aller Ungewissheit kam noch der Anruf unseres Reisebüros. Man teilte uns mit, dass unsere Visa noch nicht da seien, da ihnen das richtige Einladungsdokument noch fehle – und das vier Tage vor dem Abflug! Da bat ich dann doch, die zwei Monate zuvor georderten Flüge zu stornieren und unsere Pässe per Express an uns zurück zu senden. Das war am Freitag Nachmittag, kurz vor dem Teeniekreis, in den ich dann erst mal in aller Ruhe ging... Und nun sitzen wir (ich kann es noch kaum fassen) doch am Dienstag danach beide im Flugzeug nach Dushanbe. Wir freuen uns auf eine Woche ‘Urlaub’, um eine Missionarsfamilie zu besuchen, und das während der Schulzeit als Eltern von vier Schulkindern. Und auch meine Frau hat plötzlich gar keine Angst mehr, denn „bei Gott sind alle Dinge möglich!“ (Mt 19,26). Die Vorgeschichte Ich bin im Iran aufgewachsen und habe dort Persisch gelernt. Mit 15 Jahren habe ich mein Leben dem Herrn Jesus übergeben. Mit 20 habe ich ihm gesagt, er könne mich hinschicken wo er wolle, ich würde gehen. Er wollte mich in Offenbach, einer hessischen Industriestadt. 22 Jahre später besuchte dann dieser Missionar aus Tadschikistan eine der schönsten Gemeinden, die ich kenne, die Offenbacher! (www.christen.de) Ich war leider nicht dabei! Wegen einer Herz-OP lag ich im Krankenhaus. Aber einer der Ältesten unserer Gemeinde meinte, wir sollten uns diese Arbeit doch mal näher ansehen. Nachdem Steffi (meine Frau) und ich die Missionarsfamilie dann im Frühjahr während eines Heimataufenthaltes kennenlernen konnten, beschlossen wir, sie nach ihrer Rückkehr in Tadschikistan zu besuchen. Im August erhielten wir ein formales Einladungsschreiben. Das schickten wir mit unseren Pässen zum Reisebüro und buchten die Flüge für Ende September. Aber das Formular stellte sich als falsch heraus. Bis das Richtige kam, war es Mitte September und ich ließ es direkt zur Botschaft faxen. Das Reisebüro bat ich, die Pässe dorthin zu schicken. Das geschah aber nicht. Ich erfuhr es wie bereits beschrieben. Am Abend nach der Teenie-Stunde bekam ich noch einen Anruf von einem Bruder, der die Situation des Missionars gut kennt. Er hatte Verständnis für unsere Entscheidung, erwähnte aber, dass es sein könnte, dass die Missionarsfamilie kein Geld mehr habe. Aus früheren Gesprächen wusste ich, dass der Missionar typischerweise kein Wort über seine finanzielle Situation äußerte. „Gott braucht Leute“, sagte er, „das Geld ist für Ihn kein Problem.“ Nach kurzer Rücksprache mit Steffi war sie einverstanden, dass ich allein als Geldkurier zu ihm reisen könnte, wenn vor Ort wirklich Geldmangel bestünde. (In Tadschikistan besteht noch kein funktionierendes Bankwesen mit Überweisungsmöglichkeit!) „Wir haben jetzt Null“!!! Am Samstag Morgen stand ich früh auf und hatte eine ausgedehnte Zeit mit dem Herrn in meinem fortlaufenden Bibeltext. Da las ich von Paulus, der den Thessalonichern sagte: „Unser Gott und Vater selbst aber und unser Herr Jesus richte unseren Weg zu euch“. (1Thes 3,11) „Ja!“, dachte ich, kniete nieder und sagte dem Herrn: „Wenn Du willst, dann richte meinen Weg jetzt nach Tadschikistan!“ Dann tat ich, was ich in meinem Leben bisher erst einmal getan hatte: Ich „legte ein Vlies aus“ (Ri 6,37). „Herr“, sagte ich, „wenn ich jetzt dort anrufe und den Missionar sofort nach der Begrüßung frage, ob er noch Geld habe, und er mir dann ganz gegen seine Gewohnheit sofort antwortet, dass er keines mehr habe, würde ich wissen, dass ich hinfahren soll.“ Fünf Minuten später rief ich an. „Habt ihr noch Geld?“ Die Antwort hätte kürzer nicht kommen können: „Wir haben jetzt Null.“!!! Eine extrem steile „Pass-Vorlage“ Mir lief ein Schauer über den Rücken. „Soll ich für dich auch ein Visum beantragen?“, frage ich Steffi. Sie stimmte zu. Ich sandte die Pässe zur Berliner Botschaft und wartete gespannt auf den Montag, an dem ich noch voll arbeiten musste. Montag Vormittag rief ich in Berlin an. „Keine Pässe!?“ Ich bat meine Frau telefonisch beim Kurierdienst nachzufragen: „Doch – die Pässe seien um 700 Uhr im Briefkasten der Botschaft eingeworfen worden.“ Ich bat den Konsul, im Briefkasten nachzusehen. „Ach ja, in den Briefkasten schauen wir immer erst abends, wenn er voll ist!“ und „... er würde mal eine Ausnahme machen“, und „Ja, die Pässe seien da und ich könne mein Visum heute Nachmittag bekommen.“ Etwas kleinlaut gebe ich bekannt, dass ich frühestens um 2100 Uhr in Berlin sein könne um die Pässe entgegen zu nehmen (Bürozeit der Botschaft: 900-1700 Uhr). „Kein Problem“, sagte er, es lägen so viele Visumanträge vor, da müsse er Überstunden machen. Ich fasste wieder Mut und fragte ihn kühn, ob er vielleicht mit mir Essen gehen wolle. Ich hätte noch viele Fragen über sein Land... „Mal sehen“, ich solle erst mal kommen. Das war um 1400 Uhr. Laut ICE Fahrplan musste ich um 1625 Uhr abfahren um gegen 2035 Uhr in Berlin zu sein. Um 1500 Uhr verließ ich das Büro, fuhr mit meinem lahmen Diesel nach Hause um meine Kinder zu küssen, weil ich sie sonst vor dem Flug ins Ungewisse nicht mehr sehen würde. Gottes „fahrplanmäßige“ Abfahrt 1559 Uhr: Küsse dauern manchmal etwas länger – und es ist ‘rush-hour’ im Rhein-Main-Gebiet. 1620 Uhr: ich bin an der Ortseinfahrt. Wie komme ich nun an dem Auto vor mir vorbei, welches unverschämter Weise eiserne 50 km/h fährt? Ich überlege gerade ein waghalsiges Überholmanöver über den durchgezogenen Strich, als mein langmütiger Herr mir durch den Sinn fährt: „Ich lenke deine Wege!“ „Natürlich! Wenn ich diesen Zug kriegen soll, dann kann Gott ihn, auch wenn er erst in Frankfurt eingesetzt wurde (Fahrzeit nach Hanau: 15 min.) mit Verspätung ankommen lassen.“ Ich hatte plötzlich wieder Ruhe und zuckelte hinter dem ... braven Menschen her. Ich löste einen Parkschein und lief zum Bahnsteig. Die große Uhr zeigte 1629! Zu spät!! „Herr, da ham ? wir den Salat!“ Ich sah zum Gleis – da fuhr gerade ein Zug ein – meiner! Mir schauderte wieder. Nur ich wusste, wieso der ICE heute bereits nach den ersten 20 km schon 5 Minuten Verspätung hatte. Diplomaten-Dinner for one! Bis lange nach Mitternacht saß ich mit dem Konsul in einem Berliner Restaurant und lernte vieles über Tadschikistan, das kleine Land am Pamir-Gebirge, dem „Dach der Welt“. Natürlich war es zu spät, um wie verabredet bei Freunden im Süden Berlins zu übernachten. Die Busfahrt hätte bis 200 Uhr gedauert. Ich verbrachte die Nacht im McDonald ?s bei Kakao und anderen Gestrandeten der Nacht. Um 515 Uhr saß ich im Zug zurück nach Offenbach. Um 1100 Uhr zusammen mit meiner völlig ausgeglichenen und fröhlichen Frau im Auto nach München. Wie verabredet, überließen wir einer uns nicht bekannten Münchener Glaubensschwester unser Auto für die Zeit der Reise. Um 1500 Uhr bekamen wir tatsächlich zwei Tickets nach Dushanbe. Mein Schlüsselanhänger-Taschenmesserchen wurde vom Sicherheitsbeamten eingezogen. (Daran, dass die Welt seit dem 11. September anders ist, hatte ich nicht mehr gedacht, denn mein Gott ist ja der Gleiche geblieben). Und dann saßen wir mit einer wilden Horde internationaler Journalisten im Flugzeug – d.h. ich lag und schlief! Es folgte eine für uns beide sonnige, friedliche, schöne, interessante Woche mit einer bewundernswerten Missionarsfamilie. Ich habe durch meine Kindheit in Persien das Vorrecht, Tadschikistans Sprache zu verstehen und irgendwie mit der Landeskultur vertraut zu sein. Der Gemeindealltag in Tadschikistan ist fast wie in Offenbach. Na ja, – nicht ganz, man sitzt dort auf dem Fußboden!

Nachtext

NACHTRAG Ob wir in Zukunft nach Tadschikistan umziehen? Wir wissen es noch nicht! Möge der Herr weiterhin unsere Wege lenken, wenn er uns in diesem Land gebrauchen kann und dort haben will. Bitte betet für uns, damit wir eine klare Erkenntnis des Willens Gottes haben! Jedenfalls werden wir die Arbeit dort nach Kräften unterstützen – hier oder dort! M. + S. Seelhorst

Quellenangaben