Zeitschrift: 97 (zur Zeitschrift) Titel: Begegnungen in Kasachstan Typ: Artikel Autor: Wolfgang Bühne Autor (Anmerkung): online gelesen: 1666 |
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Titel |
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Begegnungen in Kasachstan |
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Vor zwei Jahren lernte ich auf einer Konferenz in Kasachstan Nurlan Tulenov kennen. Während einer Essenspause saßen wir zusammen und ich bat ihn, mir seine Bekehrungsgeschichte zu erzählen. Um so etwas lassen sich Kasachen nicht zweimal bitten und so schilderte er mir ausführlich und sehr farbig die ungewöhnliche Bekehrungs-Geschichte seiner Frau, dann die seiner eigenen Umkehr und schließlich die abenteuerliche Geschichte der Entführung und Befreiung seiner Frau, die nach ihrer Bekehrung wie eine Gefangene unter Hausarrest stand. |
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Text |
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Diese dramatische Geschichte allein könnte schon Stoff für einen Roman liefern, aber dafür reicht hier nicht der Platz. Damals schrieb ich mir seine Geschichte auf – Nurlan war zu diesem Zeitpunkt erst drei Jahre bekehrt, aber danach lag seine Geschichte über ein Jahr lang auf meinem Schreibtisch. Im August letzten Jahres trafen wir Nurlan in Almaty unerwartet wieder. Wir waren zu einer Konferenz eingeladen worden, an der zum Glau- ben gekommene Kasachen teilnahmen, die alle vor ihrer Bekehrung Moslems waren. Dort stellte er mir auch seine Frau vor und ich registrierte im Laufe der Konferenz, dass dieser schlichte, etwas unbeholfen wirkende aber doch originelle Bruder mit seiner Frau das Vertrauen seiner kasachischen Geschwister besaß. Und das machte mir Mut, seine Bekehrungsgeschichte stark gekürzt wiederzugeben und vor allem von seinem ersten evangelistischen Einsatz zu berichten. Am besten lasse ich Nurlan selbst erzählen... Geschichte einer Umkehr Ich heiße Nurlan Tulenov und wohne in Atbasar-Kasachstan. Meine Eltern sind Moslems und in diesem Glauben bin ich aufgewachsen. Vor sieben Jahren habe ich zum ersten Mal einen Christen kennengelernt. Es war ein Kasachke, der durch Gebet von einer schweren Krankheit geheilt wurde und sich zu Christus bekehrt hatte. Er konnte mir nicht viel vom Evangelium erzählen, er wußte nur, dass Gott einen Sohn hat und das dieser auf Golgatha für unsere Sünden gestorben ist. Damals spottete ich: „Wenn Gott einen Sohn hat, dann zeige ihn mir!“ Die Jahre vergingen und bald hatte ich diese Begegnung vergessen. Doch dann kam meine Frau durch ihre eigene Schwester zum Glauben an den Herrn Jesus und begann eine Gemeinde von Christen zu besuchen. Weil ich besorgt und neugierig zugleich war, wollte ich wissen, mit welchen Leuten sie dort Kontakt hatte und so ging ich eines Tages mit in die Versammlung. Es war für mich eine unerwartete und überwältigende Erfahrung. Ich sah dort freundliche Gesichter und wurde von dem Gesang der Christen so bewegt, dass ich plötzlich anfing zu weinen und nicht mehr aufhören konnte. Kurze Zeit später musste ich ins Krankenhaus. Dort hing ich mit einem Arm am Tropf und hielt in der anderen Hand ein Evangelium. Ich erkannte, dass ich ein Sünder war und Vergebung brauchte. Der Drang, mich zu Gott zu bekehren, wurde so groß, dass ich aus dem Bett stieg, um mich zum Gebet niederzuknien. Dabei rissen alle Schläuche ab, aber das war mir egal. Doch dort auf den Knien brachte ich es nicht fertig, im Gebet Jesus als Herrn anzusprechen und fiel in Ohnmacht. Kurz darauf fand man mich auf dem Boden und hob mich ins Bett. Als ich wieder zu mir kam hatte ich große Angst, sterben zu müssen. Ich dachte an meine Frau und meine beiden Kinder und schrie zu Gott: „Rette mich!“ Gott erhörte mein Gebet und schenkte mir den Glauben an den Herrn Jesus Christus. Ausgestoßen Als ich entlassen wurde und meine Eltern von meiner Bekehrung erfuhren, wurden sie sehr wütend und sagten: „Du bist nicht mehr unser Sohn!“ Sie jagten mich aus dem Haus, hielten aber meine Frau zurück und sperrten sie ein. Auch mein Geld und meine Habseligkeiten beschlagnahmten sie. Sechs Wochen lebte meine Frau dort wie im Gefängnis. Sie wurde von Wächtern bewacht und meine ersten Versuche, sie zu befreien, scheiterten. „Wenn Du mit Mohammed kommen würdest, dann würden wir Dir helfen“, spotteten sie. Doch am 1. Januar 1998 gelang mir ihre Befreiung. Aber das wäre eine Geschichte für sich. Wir waren dankbar, wieder als Familie vereint zu sein und nun gemeinsam dem Herrn dienen zu können. Natürlich schlossen wir uns der Gemeinde an und ließen uns taufen. Eine neue Leidenschaft Unser Eifer, Kasachen für den Herrn zu gewinnen, war so groß, dass wir Christen in Kasachstan uns vornahmen, bis Ende des Jahres 2000 jedes kasachische Dorf zu evangelisieren. Viele kleine Teams von Geschwistern zogen an den Wochenenden und in den Ferien los, um in irgendeinem kleinen Dorf das Evangelium zu verkündigen. Wir waren alle jung im Glauben, hatten wenig Bibelkenntnis und noch keine Erfahrungen mit Evangelisation. Aber wir liebten den Herrn und unser Herz brannte, Menschen für Ihn zu gewinnen. So zogen auch wir als kleine Gruppe junger Christen los, um in einem abgelegenen Dorf das Evangelium zu predigen. Es war eine lange Anreise mit dem Auto und als wir dort ankamen, fragten wir nach dem Dorfältesten. Diese alten Männer haben eine große Autorität unter den Bewohnern und wir wussten, dass von seiner Gunst und Laune unser Evangelisationsversuch abhing. Es kam gleich knüppeldick... Wir wurden zu einem alten, würdigen und starken Mann geführt. Er hatte einen dicken Knüppel in der Hand und mir fiel schon bei seinem Anblick das Herz in die Hose. „Was wollt ihr hier?“ fragte er mich. „Wir wollen das Evangelium sagen.“ „Wo habt ihr das Auto her?“ „Das Auto gehört mir.“ „Wer zahlt euch das Benzin?“ „Das zahlen wir selbst.“ „Und was bekommt ihr für diesen Einsatz?“ „Nichts!“ Nach dieser Antwort stampfte er erstaunt mit dem Knüppel auf die Erde und sagte: „Wir hatten im Dorf einen Sterbefall. Ich hatte den Mullah gerufen und gebeten, die Beerdigung zu machen. Als Preis verlangte er ein Schaf und auch noch Geld dazu. Er hat beides bekommen, aber zur Beerdigung ist dieser Kerl nicht erschienen. Was wollt ihr von mir?“ „Wir bitten um einen Raum und die Erlaubnis, dort das Evangelium von Jesus zu sagen.“ „Beides sollt ihr bekommen und ich werde dabei sein und euch zuhören!“ Prediger mit schlotternden Knien Wenige Stunden später waren fast alle Dorfbewohner unter der Führung des Dorfältesten im Gemeinschaftshaus versammelt. Während die Kasachen neugierig auf eine Rede von uns warteten, standen wir verlegen da und wussten nicht, wie wir beginnen und was wir sagen sollten. Unsere Kniee schlotterten und das Herz schlug uns bis zum Hals. Wir hatten keine Erfahrung mit Predigen und hatten auch keine Musiker bei uns, die uns den Einstieg erleichtert hätten. Ich flüsterte dem Bruder neben mir zu: „Fang du an!“ „Ich kann nicht“, stöhnte er, „meine Bibel zittert so. Mach du den Anfang!“ So versuchten wir einer dem anderen Mut zu machen, aber keiner wollte den Anfang wagen. Schweren Herzens gab ich mir einen Ruck, räusperte mich und sagte: „Wir wollen aufstehen und zu dem Gott des Himmels beten!“ Alle standen gehorsam auf, ich sprach ein Gebet und hielt danach eine kurze, einfache Ansprache. Darauf versuchten wir ein Lied zu singen, was kläglich genug war. Wir erwarteten, dass die Leute nun aufstehen und den Saal verlassen würden. Aber keiner tat uns den Gefallen. Alle blieben sitzen und sagten: „Wir wollen noch mehr hören!“ „Noch ein Lied!“ Zwei Stunden lang waren wir schließlich mit diesen Leuten zusammen, bis unser Vorrat an Liedern und Worten völlig erschöpft war und wir alle ihre Fragen so gut wie wir es vermochten beantwortet hatten. Und dann geschah das Unglaubliche und Unerwartete: Zwei Frauen traten vor, um sich in dieser Versammlung zu bekehren! Spät in der Nacht machten wir uns auf die Heimfahrt. Müde und erschöpft, aber mit glücklichen und dankbaren Herzen über die offenen Türen und die freundliche Führung unseres Herrn. Das waren unsere ersten Erfahrungen in der Evangelisation! (Betet mit für Nurlan Tulenov) |
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Nachtext |
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Quellenangaben |
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