Zeitschrift-Artikel: Lebensäußerungen einer gesunden Gemeinde (Teil 6) - Geschätzt und gefürchtet

Zeitschrift: 115 (zur Zeitschrift)
Titel: Lebensäußerungen einer gesunden Gemeinde (Teil 6) - Geschätzt und gefürchtet
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 2126

Titel

Lebensäußerungen einer gesunden Gemeinde (Teil 6) - Geschätzt und gefürchtet

Vortext

»Sie lobten Gott und hatten Gunst bei dem ganzen Volk.«
(Apostelgeschichte 2,47)
»Und große Furcht kam über die ganze Versammlung und über alle, die es hörten.«
(Apostelgeschichte 5,11)
»Von den Übrigen aber wagte keiner sich ihnen anzuschließen, sondern das Volk rühmte sie.«
(Apostelgeschichte 5,13)

Text

Die Ausstrahlung der jungen Gemeinde in Jerusalem auf ihre Umgebung scheint sehr widersprüchlich zu sein. Einerseits schlug ihnen von Seiten der Bevölkerung eine große Welle der Sympathie entgegen, obwohl die religiösen Führer der Juden bereits sehr sauer auf die Begeisterung in Jerusalem reagiert und die ersten Verhaftungen vollzogen hatten (Apg 4,1-3).
Aber die vollmächtigen öffentlichen Predigten der Apostel, das schlichte, fröhliche und glaubwürdige gemeinsame Leben der jungen Christen und auch die Heilung des Lahmen an der Tür des Tempels hatte nicht nur die Neugier der Öffentlichkeit geweckt, sondern auch ein Staunen und Nachdenken bewirkt.
Wenn am Pfingsttag dreitausend Menschen zum Glauben kamen und wenige Tage später allein von fünftausend Männern die Rede ist, die „das Wort gehört hatten und glaubten“ (Apg 4,4), dann muss das einen enormen Eindruck auf die Juden in Jerusalem gemacht haben. Jedenfalls standen die Christen in der Beliebtheits-Skala ihrer ungläubigen Mitmenschen zu dieser Zeit weit oben.
Dennoch – trotz dieser überaus günstigen Stimmung „wagte keiner sich ihnen anzuschließen“. Wie ist das zu erklären?

Die Auswirkungen eines geheiligten Lebens
Ein entschiedener Bruch mit dem alten, sündigen Leben, eine freudige, glaubwürdige und kon- sequente Nachfolge Jesu, die Geringschätzung irdischer, vergänglicher Güter oder Ehren üben oft eine ähnliche Reaktion auf die beobachten- den Mitmenschen aus. Einerseits hat man große Achtung vor solchen Christen und beneidet sie um ihre Liebe, Ideale, Lebensinhalte und Ziele.
Auf der anderen Seite aber scheuen die Menschen dieser Welt das Licht und die Reinheit, die weitere vom Heiligen Geist gewirkte Kennzeichen der Christen und der Gemeinde sind.


„Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht bloßgestellt werden.“
(Johannes 3,20)

So wie unser Herr Jesus „Gnade und Wahrheit“ verkörperte und ausstrahlte (Joh 1,14.17), so wurde auch die Gemeinde in Jerusalem an diesen beiden Charakterzügen erkannt.
Randy Alcorn schreibt in seinem Buch „Gnade und Wahrheit“:

„Wenn alle Nichtchristen uns hassen, läuft etwas gründlich falsch. Und wenn alle Nichtchristen uns lieben, läuft etwas gründlich falsch ... Wenn sich alle an uns stoßen, so liegt das daran, dass wir den Mantel der Wahrheit ohne Gnade angezogen haben. Wenn sich niemand an uns stößt, so ist es deshalb, weil wir die Wahrheit im Namen der Gnade verwässert haben.“ (1)

Ananias und Saphira
Der Heilige Geist konnte damals so ungehindert in der jungen Gemeinde wirken, dass sich Heuchler nicht lange halten konnten. Ananias und Saphira hatten – wahrscheinlich herausgefordert durch das Vorbild des Barnabas, der seinen Acker verkauft und das Geld zu den „Füßen der apostel“ niedergelegt hatte – ein Grundstück verkauft, von dem Erlös einen Teil auf die Seite gelegt und den größeren Teil den Aposteln übergeben. Allerdings hatten sie den Aposteln vorgetäuscht, das ganze Geld gegeben zu haben. Petrus nannte diese Sünde „den Heiligen Geist belügen“ (Apg 5,3) und diese Heuchelei hatte den sofortigen Tod zur Folge.
Nicht auszudenken, wie wenige in unseren Gemeinden überleben würden, wenn der Heilige Geist heute wie damals in apostolischen Zeiten Sünde sofort richten würde!
Dieses ernste und spontane Gericht Gottes hat nicht nur die Gemeinde in Furcht gesetzt, sondern sprach sich auch unter den Juden herum:

„Und große Furcht kam über die ganze Versammlung und über alle, die dies hörten.“ (Apg 5,11)

In diesem Zusammenhang wird anschließend eine interessante Tatsache erwähnt:

„ ... von den Übrigen aber wagte sich keiner ihnen anzuschließen, sondern das Volk rühmte sie.“ (Apg 5,13)

Wir erkennen hier deutlich, wie in der Gemeinde sowohl die Liebe als auch die Heiligkeit Gottes auch für Außenstehende erkennbar zum Ausdruck kam und gelebt wurde. Menschen, die nicht bereit waren, mit der Sünde konsequent zu brechen, wagten nicht die Gemeinschaft mit den Christen zu suchen.

Simon der Zauberer
Drei Kapitel später wird die Begebenheit geschildert, wie Philippus in Samaria das Evangelium verkündigte und Gott seine Predigten durch außergewöhnliche Zeichen und Wunder bestätigte.
Auch hier wird berichtet, dass die Volksmenge ...

„einmütig auf das achtete, was von Philippus geredet wurde, indem sie zuhörten und die Zeichen sahen, die er tat“. (Apg 8,6-8)

Eine „große Freude in jener Stadt“ war die Folge.
Der populäre Zauberer Simon war von Philippus und von den Zeichen die er tat, derart beeindruckt, dass er „glaubte“, sich taufen ließ und die Gemeinschaft mit Philippus suchte.
Doch auch seine Unaufrichtigkeit und Bosheit konnten nicht lange verborgen bleiben. Als die zum Glauben gekommenen Samariter durch das Gebet der Apostel Petrus und Johannes den Heiligen Geist empfingen, wollte Simon ein Geschäft mit den Aposteln machen und bot ihnen Geld an, um auch diese Vollmacht zu bekommen. (Seitdem redet man von „Simonie“, wenn sich jemand mit Geld oder materiellen Gütern „geistliche“ Ämter oder Vollmachten erkaufen möchte.)
Damals hatte glücklicherweise das Geld noch keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Führer der Gemeinde, sie waren weder käuflich noch bestechlich sondern redeten eine eindeutige Sprache, die Simon in das Licht Gottes stellte:

“Dein Geld fahre samt dir ins Verderben.“ (Apg 8,20)

Simon hatte sich „bekehrt“ und er wurde auch auf sein Bekenntnis hin getauft, ohne allerdings wiedergeboren zu sein. Seine Begeisterung für Philippus und für die Zeichen die er tat, schien echt zu sein und es gab für Philippus offensicht- lich keinen Grund, ihn nicht zu taufen. Aber der Geist Gottes ließ es nicht zu, dass „Unaufrichtigkeit“, „Bosheit“ und „Fesseln der Ungerechtigkeit“ die Gemeinde verdarben sondern bewirkte, dass diese Sünden offenbar und gerichtet wurden.
Lernen wir daraus, dass ein Bekenntnis zum Glauben und eine „Begeisterung für Jesus“ keine sicheren Kennzeichen der Wiedergeburt sind.
Wie viele „Bekehrte“ und „Getaufte“ ohne wirkliches Leben aus Gott mögen heute in unseren Gemeinden unentdeckt bleiben, wenn das schon in apostolischen Zeiten möglich war. Wir können nicht in die Herzen derer sehen, die sich der Gemeinde anschließen möchten, doch wenn im Leben dieser Leute Sünde zu erkennen ist, die deutlich macht, dass der Betreffende „kein Teil noch Anrecht an dieser Sache“ hat (Apg 8,21), dann müssen wir konsequent handeln.

Die „natürlichen“ Abwehrkräfte einer biblischen Gemeinde
So wie ein gesunder Körper Krankheitserreger oder Fremdstoffe, die in den Körper gelangen, ausstößt oder bekämpft, so wird auch eine gesunde Gemeinde eingedrungene Sünde in Form von falscher Lehre oder Unmoral erkennen und sich davon reinigen.
Wenn der Heilige Geist in unseren Gemeinden ungetrübt oder uneingeschränkt wirken kann, dann wird auch verborgene Sünde ans Tageslicht kommen. Es wird vielleicht harte, schmerzliche Auseinandersetzungen geben, aber der Heilige Geist wird keine Ruhe lassen, bis die Sünde erkannt und beseitigt ist. Von der Gemeinde in Ephesus sagt der Herr:

„Ich ... weiß, dass du Böse nicht ertragen kannst; und du hast die geprüft, die sich Apostel nennen und es nicht sind, und hast sie als Lügner befunden“
(Offb 2,2).

So wie ein gesunder Körper auf Krankheitserreger mit Fieber oder anderen Abwehrmechanismen reagiert, konnten die Christen in Ephesus Böses in keiner Form ertragen und reagierten entspre- chend.
Wenn sich in unseren Gemeinden Menschen auf die Dauer wohl fühlen können, obwohl sie heim- lich in Hurerei oder Unzucht leben, Betrüger, Lügner oder Unversöhnliche sind, Frömmigkeit heucheln oder Geld lieben – um nur einige der häufigen Sünden unter Christen zu nennen – dann ist das ein Zeichen dafür, dass der Heilige Geist nicht mehr oder nur stark eingeschränkt unter uns wirken kann.

Kraftloses Salz
Warum kommt es in unseren Versammlungen so selten vor, dass während oder nach einer Predigt jemand derart in seiner Situation vom Wort Gottes getroffen wird, dass er es nicht mehr aushält und entweder den Saal verlässt oder unter seiner Sünde zusammenbricht und sie bekennt?
Fehlende Gottesfurcht in unserem persönlichen Leben, wie auch in der Gemeinde kann dazu führen, dass sich hartnäckige Sünder in unserer Gesellschaft pudelwohl fühlen und keine Notwendigkeit sehen, das Licht zu scheuen, weil es eben dunkel geworden ist und das Salz seine Kraft verloren hat. A. W. Tozer hat das einmal drastisch, aber treffend beschrieben:

„Vieles, was als neutestamentliches Christentum verkauft wird, ist wenig mehr, als dass man die objektive Wahrheit mit Gesang versüßt und durch religiöse Unterhaltung mundgerecht macht. aber der mann, der die Wahrheit lehrt und sie auf das Leben der Hörer anwendet, wird bald Krallen und Zähne zu spüren bekommen. Er wird ein schwieriges Leben führen – aber nichtsdestoweniger ein herrliches!“ (2)

Wenn ich die Bibel richtig verstehe, wird die endzeitliche Christenheit immer mehr die Kennzeichen von Babylon zeigen, welches in Offb 16,2 beschrieben wird als eine „Behausung von Dämonen und ein Gewahrsam jedes unreinen und gehassten Vogels“.
Das Böse wird dort nicht mehr heimlich geduldet, sondern gepflegt und behütet. Ein größerer Gegensatz zu der Gemeinde als „heiliger Tempel“ und „Behausung Gottes im Geist“ (Eph 2,22) ist kaum vorstellbar.
Dieser allgemeine Abwärtstrend sollte uns aber nicht entmutigen, sondern umso mehr herausfordern, in einer orientierungslosen Welt und angepassten Christenheit die Charakterzüge Christi in unserem persönlichen wie auch im gemeindlichen Leben aufleuchten zu lassen.

Nachtext

Anmerkungen:
1.    Randy Alcorn: „...voller Gnade und Wahrheit“, CLV, S. 22-23 (siehe auch die Buchbesprechung S. 22)
2.    A.W. Tozer: „Verändert in Sein Bild“, CLV, S. 40

Quellenangaben