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Autor: Renate Lenz
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Lieber Bruder Bühne!


Ohne das Buch von David Wilkerson "Laßt die Posaune erschallen" gelesen zu haben, möchte ich Ihnen einige Erfahrungen berichten:

Eine sehr umfassende Predigt zu diesem 'Thema von Wilkerson kursierte schon vor vier Jahren ungefähr in der Pfingstgemeinde Köln-Potz, die ich damals noch besuchte.

Mit Begeisterung wurde das Werk aufgenommen und gründlich ausgeschlachtet, indem man sich gegenseitig ankiagte, verurteilte, die Gemeinde zu Sündenbekennt­nissen anstachelte, trieb und massiv Druck auf Buß­gesinnung und "Heiligungsverholten" ausübte.

Wilkersons Stil wurde von entsprechenden "Propheten" als neue Masche willkommen in die Gottesdienste eingebracht; je mehr Sündenbenennung, je mehr Emo­tion, je mehr Rufe nach Umkehr und Befreiung um so besser, um so schöner, uni so interessanter wurde
der Gottesdienst und um so hitziger wurden die Gefech­te gegeneinander hinter der Fassade.

Neue Wegweiser und Zeugen entstanden, die die neue Gesinnung zu begründen glaubten, die sich berufen fühlten zur Rettung der Gemeinde, zur Rettung Deutschlands, ja, der ganzen Welt.

Was geschah tatsächlich?

Wer, wie ich, mitten in das Getümmel der Propheten-schlachten schauen konnte (und das tun absolut nicht alle Gemeindebesucher, die meisten bekommen nur die Oberfläche mit) weiß, daß es sich hier um ein stetiges Wechselbad handelt:

Heiligungsermahnungen - "Reuedepressionen" - sugge­riertes Niedergeschlagensein - Hilfesuchen bei "voll­mächtigen" Personen - Gefühl von Neuanfang - Eupho­rie - Wieder-lau-werden - und das Ganze beginnt von vorne.

Ebenso wechselt die Verkündigung zwischen idealisieren und Aufforderung sich "zerbrechen" zu lassen. So sehr manches auch richtig sein mag und auch Wilkersons Aussogen bemerkenswert sind, ernsthaftes Nachdenken und kritisches "Sich-selbst-in-Frage-stellen" ist im allgemeinen in den Gemeinden schon von vornherein zum Scheitern verurteilt durch die ständige Präsenz
der falsch verstandenen Meinung über die Sünde der Lästerung gegen den Heiligen Geist, denn man läßt deutlich werden, daß schon eine Kritik an einer prophe­tischen Aussage den Heiligen Geist lästern könnte. Damit hat die Pfingstbewegung sich jede Möglichkeit verbaut, aus ihren Irrwegen herauszufinden, denn jede offene Diskussion wird durch die Furcht vor dieser Sünde im Keime erstickt.

Auch die Mahnungen eines Wilkerson können in der Regel keinen Pfingstler dazu bringen, Grundlehren der Bewegung zu hinterfragen. Bestenfalls geht der eine oder andere in sich, vermutlich solche Leute, die sowieso nur aus Schuldgefühlen und Minderwertig­keitskomplexen bestehen und seit Jahren in ihrem Reifeprozesß keinen Schritt weiter gekommen sind.

Viele werden sich auch tatsächlich angesprochen füh­len und lustvoll (!) neue Reue produzieren und "mit-sich-beten-lassen", damit das Böse in ihnen ver­schwindet und sie das herrliche Gefühl des Neuanfangs genießen können, das sich schon am nächsten Morgen, wie schon viele Male, in Luft aufgelöst hat.

Der Rest wird diese Botschaft begeistert aufnehmen (endlich ist wieder was los) und wird den beliebten Heiligungspfad einschlagen, wo persönliches Versagen mit der Behauptung verschönert wird, der Herr zerbricht gerade als Vorbereitung auf besondere Dinge und große Taten, die noch dieser Reinigung folgen werden. Ein Tripp im Wettbewerb mit anderen zerbrochenen Auserwählten.

Wilkersons Mahnungen sind sicherlich ernst zu nehmen und treffen uns alle in unserer Angepaßtheit an die Regeln der irdischen Selbstverherrlichung. So manchem Pfingstler mögen dann in der blinden Verherrlichung alles Pfingstierischen, auch des offensichtlich abgeglit­tenen amerikanischen Pfingstlertums, neue Gedanken kommen; dies könnte aber eine gute journalistische Arbeit noch besser bewirken.

Die tröge, manipulierte, in sanfter Gehirnwäsche geba­dete Masse der Pfingstler wird das jedoch nicht auf den Gedanken bringen, zu versuchen, selbstständig zu überlegen.

Ich sehe für die Pfingstbewegung und deren Sympathi­santen nur eine Möglichkeit: Das Aufzeigen des Aus­maßes der Manipulation. In geduldigen Gesprächen mit einzelnen stößt ein Befeuchten der lehrmäßigen Irrtümer auf taube Ohren; wohl kann man ihnen aber helfen, indem man ihnen aufzeigt, inwieweit sie ge­danklich unfrei und verängstigt sind.

Wenn der einzelne Pfingstler den Zweifel z.B. an be­stimmten Prophetien (die jeder hat) auszusprechen wagt, wenn er lernt, sich selbst zu beurteilen, statt jeder Massensuggestion blind zu folgen (wie man eine Menge zum Lachen bringen kann, kann man sie auch
zum Weinen bringen oder ihnen Depressionen einimpfen), dann ist schon viel gewonnen.

Wir brauchen mehr Kenntnisse der Psyche und die Fähigkeit, Menschen damit zu helfen, denn das Problem steckt hier viel tiefer als der nach außen hin sichtbare Rummel vermuten läßt. Soweit meine Gedanken, die mir spontan zu Ihrer Buchempfehlung einfielen. Das
Buch kann sich verselbständigen - und genau das Gegen­teil ctes von Ihnen Erhofften bewirken.

Noch eine Frage: Aus 1. Tim. 1,1-7 und Titus 1,6 kann ich nicht herauslesen, daß der Älteste Ehemann und Vater sein muß, sondern, daß, wenn er es ist, er es nur von einer Frau und von gläubigen Kindern sein darf. Ich denke, daß damit der Vielehe Einhalt geboten werden sollte und die Untadeligkeit und hohen Ansprüche an den Ältesten hervorgehoben wird. Worauf begründen Sie Ihre Meinung?

An dieser Stelle vielen Dank für die regelmäßige Zu­sendung von  "FuT", das ich immer mit Freude lese. Sehr dankbar bin ich auch für die guten Buchempfeh­lungen und die ausführlichen Buchbeschreibungen.

Weiterhin Gottes Segen für Ihre Arbeit
mit herzlichen Grüßen

Renate Lenz

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