Zeitschrift: 58 (zur Zeitschrift) Titel: Kampf oder Krampf - "Befreiungsdienst" und "Geistliche Kampfführung" Typ: Artikel Autor: Wolfgang Bühne Autor (Anmerkung): online gelesen: 22195 |
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Kampf oder Krampf - "Befreiungsdienst" und "Geistliche Kampfführung" |
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"Eine herausragende Botschaft des Heiligen Geistes heute an sein Volk ist die, daß wir als Gemeinde Jesu durch kriegerisches Gebet die Fürsten und Gewaltigen in der unsichtbaren Welt und in der Luft unter unsere Kontrolle bringen können"(1). Wolfhard Margies Der "Befreiungsdienst" und die "Geistliche Kriegsführung" gehören zu den Praktiken, die nicht nur, aber vor allem in der "Dritten Welle" gelehrt und praktiziert werden.
Zu den bekanntesten Männern, die innerhalb der Charismatischen Bewegung und "Dritten Welle" den "Befreiungsdienst" und "Geistliche Kampfführung" praktizieren, gehören u.a.: P. Yonggi Cho, Michael Harper, Francis MacNutt, Jack Hayford, John Wimber, Charles Kraft, Derek Prince, C. Peter Wagner, Lester Sumrall, Omar Cabrera, Kenneth Hagin, Don Basham, Bob Mumford, Reinhard Bonnke. |
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Was versteht man unter "Befreiungsdienst"? Unter "Befreiungsdienst" versteht man in charismatischen Kreisen die Befreiung von Dämonen und dämonischen Belastungen bei Christen und Nichtchristen. Allgemein wird gelehrt, daß es verschiedene Grade von Besessenheit oder "Dämonisierung" gibt, die dann auch entsprechend der Anzahl und der Hartnäckigkeit der "innewohnenden Dämonen" verschieden behandelt werden müssen. Als Kennzeichen dämonischer Gebundenheit werden von John Wimber u.a. folgende Symtome genannt: So spricht man teilweise von Dämonen der Lust, der Müdigkeit, der Armut, des Zorns, der Häßlichkeit und sogar der "satanisch nachgemachten Zungenrede"(5). Wolfhard Margies zählt zu den bereits genannten Symptomen noch folgende Krankheiten hinzu, die seiner Überzeugung nach Folgen dämonischer Belastung sind: Die "Therapie"
Über die Befreiung von angeblichen Dämonen gibt es verschiedene Anweisungen. John Wimber erwähnt vier Arten von Befreiung: "Selbstbefreiung", "Brüderliche Befreiung", "Pastorale Befreiung" und Befreiung durch solche, die eine "besondere Gabe zur Unterscheidung der Geister, sowie die besondere Vollmacht haben, den Teufel und die bösen Geister dort zu besiegen, wo ihre Aktivität am intensivsten ist"(7). Der in charismatischen Kreisen bekannte und viel gelesene Francis MacNutt empfiehlt, vor der eigentlichen Befreiung um Schutz für alle Beteiligten zu beten: W. Margies beschreibt seine Praxis, Dämonen auszutreiben so: "Im Namen Jesu ergehen unsere Befehle derart, daß wir zunächst den Feind bei seinem Namen ansprechen und ihn in der Autorität unseres Herrn binden. Unter Binden verstehe ich, daß wir die uns vom Herrn gegebene Macht über alle Gewalt des Feindes erklären und damit die einzelne dämonische Macht lähmen und inaktivieren. Sie ist uns also jetzt untertan und muß gehorchen..."(11) Der Exorzismus wird als erfolgreich beendet betrachtet, wenn sich auf Befragen keine Dämonen mehr melden, oder - wie Wimber berichtet -"Prickeln in den Händen, Wärme, übernatürlicher Friede aufhören"(12). Interessant ist, daß der "Befreiungsdienst" in dieser oder ähnlicher Form auch von Nichtcharismatikern und auch von Anticharismatikern verschiedenster Schattierungen praktiziert wird, während "Geistliche Kampfführung" meines Wissens nach ausschließlich von Charismatikern gelehrt und praktiziert wird. "Geistliche Kampfführung" In den letzten Monaten sind einige Berichte und Erfahrungen veröffentlicht worden, die teilweise großes Aufsehen erregt haben und zu einer neuen "Welle" in verschiedenen charismatischen Kreisen geworden sind. Diese neue "Welle" wird "Geistliche Kampfführung" genannt und man versteht darunter einen erweiterten Befreiungsdienst, der sich nicht zunächst auf Menschen, sondern auf "Territorien" bezieht. Es geht darum, die "territoriale" Gewalt Satans über Länder, Städte, Bezirke, Straßen und Häuser im "kosmischen Raum" zu brechen. C.P. Wagner berichtet z.B. von dem argentinischen Pastor Omar Cabrera, der "Erfahrung im Umgang mit örtlich begrenzt wirksamen Dämonen hat"(13), die er auch in körperlicher Form zu sehen bekommt, deren Namen er erkundet und ihre Macht über ein Territorium bricht. Gemeinsam mit anderen "hervorstechenden christlichen Leitern in Argentinien" fordern sie "Satan direkt heraus und verfluchen ihn". C.P. Wagner weist auch auf den Psychiater McAli hin, der endlich die Ursache für das rätselhafte Verschwinden vieler Schiffe am berüchtigten "Bermuda-Dreieck" erkannt zu haben glaubt: Dort hätten früher Sklavenhändler etwa 2 Mill. Sklaven über Bord geworfen, die Versicherungsgelder dafür kassiert und damit einen Fluch mit Spukerscheinungen auf dieses Gebiet gelegt. 1977 habe dann eine "Jubiläums-Eucharistiefeier" von vielen Priestern und Bischöfen stattgefunden, um den Fluch aufzulösen und die Befreiung der Seelen zu erlangen, die am Bermuda-Dreieck ein vorzeitiges Ende gefunden haben (14). In der Praxis kann "Geistliche Kampfführung" so aussehen: "Bei evangelistischen Einsätzen unserer Gemeinde auf der Frankfurter Zeit binden wir aus diesem Grund die Mächte und Kräfte am Ort, die wir durch den Geist Gottes erkannt haben. Die Luft, die eben noch zum Schneiden war, wird dünner, geistliche Widerstände werden gebrochen, und Menschen finden schneller und leichter zum Herrn. Das Lösen und Binden im Namen Jesu (Mattb. 16,19) bezieht sich nicht nur auf dämonisierte Personen. Manchmal müssen ganze Gebäude von Spuk und Belästigungsphänomenen freigebetet werden, manchmal ein überschaubarer Bezirk einer Stadt"(15). Als biblische Begründung für diese Praxis wird Eph. 6,12 zitiert, wo es uni unseren Kampf gegen die "Weltbeherrscher dieser Finsternis, wider die geistlichen Mächte der Bosheit" geht. Einen weiteren Beleg sieht man in Dan. 10, wo die Kämpfe zwischen satanischen und göttlichen "Fürsten" geschildert werden, die für bestimmte Gebiete (Territorien) zuständig sind.
Was lehrt die Bibel? 1. Zum Thema "Befreiungsdienst" Im NT finden wir kein einziges Beispiel von dämonischer Besessenheit bei Gläubigen und daher auch kein Beispiel von einem Exorzismus an Wiedergeborenen. Natürlich kann ein Christ von Dämonen und vom Teufel beeinflußt, verführt und betrogen werden - viele Personen und Gemeinden des NT sind dafür ein warnendes Beispiel - aber es steht im Widerspruch zu den Lehren des NT, daß ein Christ, der ein "Tempel des Heiligen Geistes"(1. Kor. 6,19) ist und unter der Herrschaft Christi steht, vom Satan "besessen" sein kann und daher einen Exorzismus oder einen "Befreiungsdienst" nötig hat. Zu weich unsinnigen Ansichten eine solche Erfahrungstheologie führt, zeigt das Beispiel von dem Jesuitenpater Rodewyk, der bei seinen Befreiungsdiensten Weihwasser, den Rosenkranz, das "Bild" des Erzengels Michael, Sakramentalien und Reliquien einsetzt (16). Dazu kommen noch einige seelsorgerliche Probleme: Es ist viel leichter, sich in einem "Befreiungsdienst" von angeblichen Dämonen befreien zu lassen, als Sünde im eigenen Leben zu erkennen, zu bekennen, zu verurteilen und zu beseitigen. In vielen Fällen wird die Verantwortung für Sünde und Fehlverhalten auf innewohnende Dämonen oder belastete Vorfahren geschoben und damit eine biblische Buße und Umkehr erschwert oder sogar verhindert. Biblische Befreiung hat immer dieses Muster: Sünde erkennen, bereuen, verurteilen, bekennen und beseitigen. Die Christen in Ephesus, die offensichtlich vor ihrer Bekehrung aktiv okkulte Praktiken getrieben hatten, "bekannten und ver kündeten ihre Taten" und verbrannten öffentlich ihre Bücher (Ap. 19,18-20). Von Dämonenaustreibung oder einem "Befreiungsdienst" von seiten des Apostels lesen wir kein Wort. 2. Zum Thema "Geistliche Kampfführung" An keiner Stelle im NT werden Christen aufgefordert, die "territoriale Gewalt" Satans über Bezirke, Städte und Länder im kosmischen Raum" zu brechen. Die Gefahr ist groß, daß man mit diesen Praktiken und der damit verbundenen Dämonenbefragung und Teufelsverfluchung in die Nähe des Spiritismus gerät. Haben wir "Vollmacht über den Teufel''? Aufgrund der Worte Jesu an die Jünger "Siehe, ich gebe euch die Gewalt (Vollmacht), auf Schlangen und Skorpione zu treten, und über die ganze Macht des Feindes..."(Luk. 10,19) schließen besonders Männer der "Glaubensbewegung" oder der "Wort-des-Glaubens" Bewegung, daß wir in gleicher Weise Autorität über den Teufel ausüben können. "Die Vollmacht über den Teufel gehört dir"(17), "Gottes Plan für dich ist, im Leben zu herrschen und zu regieren - über Umstände, Armut, Krankheit und alles, was dich bedrückt. Du herrschst, weil du Autorität hast"(19). Wolfhard Margies, der das deutsche Sprachrohr von Kenneth Hagin zu sein scheint, dessen Bücher jedenfalls Hagins "Theologie" zum Ausdruck bringen, äußert sich ähnlich: "Wir sind dem Satan und seinem Reich überlegen... wir haben aktive Vollmacht über ihn"(20). Dieser anmaßende Irrtum führt konsequenterweise dazu, daß Margies ein vernichtendes Urteil über die Christen im Ostblock fällt, die seiner Meinung nach jahrzehntelang nicht von ihrer Vollmacht Gebrauch gemacht haben: "Märtyrer zu sein und Verfolgungsleid auf sich zu nehmen ist nicht die erste Priorität des Christen. Wer dennoch diesen unbiblischen Akzent setzt, schadet sich selbst... Unsere kostbaren und hingegebenen Brüder und Schwestern im osteuropäischen Raum haben sich die Tradition des Unterdrücktwerdens und des Leidens selbst verordnet... haben durch ihre unbiblischen, dem Willen Jesu zuwiderlaufenden Leidensprioritäten die Obrigkeit indirekt in die jahrhundertelangen antigöttlichen Herrschaftsformen getrieben. Mit ihrem verkehrten Verständnis haben sie dann schließlich das geerntet, was sie gesät haben"(21). Wenn man diese Ausführungen liest, muß man davon ausgehen, daß dem Apostel Paulus diese Vollmacht fehlte, als er den Thessalonichern schrieb: "Deshalb wollten wir zu euch kommen...einmal und zweimal, aber der Satan hat uns verhindert"(1. Thess. 2,18). Es würde mich sehr interessieren, welche Erklärung W. Margies parat hat, um die eindeutigen Worte in 2. Tim. 3,12 umzudeuten: "Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, werden verfolgt werden." Wenn es so selbstverständlich ist, daß man "Mächte und Kräfte am Ort bindet", warum hat dann Jesus nicht von dieser Möglichkeit während der Versuchung in der Wüste Gebrauch gemacht, um uns damit praktische Anleitung für den Umgang mit dem Teufel zu geben? Man kann nur hoffen, daß diese unbiblischen Theorien und Praktiken, die - wie mir scheint - in vielen Kreisen die "Wellen" der "Inneren Heilung" und des "Ruhens im Geist" ablösen, von vielen durchschaut werden und einer Rückbesinnung auf die unveränderlichen Grundlagen eines biblischen Evangeliums Platz machen. |
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Nachtext |
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Schlußfolgerungen 1. Für den "Befreiungsdienst" in Form von Dämonenaustreibungen bei Gläubigen gibt es im NT weder ein Beispiel noch eine Aufforderung. Daher ist diese Art Seelsorge als unbiblisch abzulehnen. 2. Da der Teufel der Vater der Lüge ist, müssen alle Begleiterscheinungen beim Exorzismus und alle Aussagen angeblicher Dämonen als Täuschungsmanöver gewertet und die Möglichkeit in betracht gezogen werden, daß die Beteiligten dadurch irregeführt werden. 3. Da zahlreiche Christen, die aus Unwissenheit vergeblich Hilfe beim "Befreiungsdienst" gesucht haben, durch eine nüchterne, biblische Seelsorge Hilfe bekommen haben, zeigt auch die Erfahrung, daß der "Befreiungsdienst" ein Irrweg ist. 4. Die angebliche Autorität über den Teufel ist eine tragische Fehleinschätzung, die entweder zu Hochmut und Vermessenheit oder bei Nichterfolg zu Depressionen und zur Resignation führt. 5. Der in charismatischen Kreisen geführte "Geistliche Kampf" gegen territoriale Dämonen und Mächte ist eine Verzerrung dessen, was das NT über geistlichen Kampf lehrt und rückt in die Nähe des Spiritismus. 6. Immer dann, wenn unser Interesse und unsere Blickrichtung von unserem Herrn Jesus weg auf andere Personen, Mächte oder Dinge gerichtet wird, verlieren wir geistliche Kraft und erliegen einem Betrug. |
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Quellenangaben |
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Quellenangaben 1. W. Margies: Das Kreuz der Gesegneten, Aufbruch, Berlin 1990, S. 68 |