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Autor: Andreas
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"Ich möchte mich taufen lassen..."

so lautete die Mitteilung eines jungen Mannes an seinen engeren Bekanntenkreis, die er zwei Wochen vor der geplanten Taufe abschickte, um seine Freunde von dem Entschluß zu unterrichten. In kurzen Sätzen erläuterte er, wie er zu der Erkenntnis gekommen war und belegte die Bedeutung der Taufe und die Aufforderung des Wortes Gottes dazu mit einigen Bibelstellen.

Da er bereits als Säugling "getauft" worden war, rechnete er mit dem Unverständnis derer, die noch an der Kindertaufe festhalten.

Und so kam es dann auch, daß ihn ein Anruf erreichte, der seinen Standpunkt ernstlich in Frage stellte. Eine gläubige Bekannte legte ihm am Telefon sehr nahe, alles noch einmal zu überdenken und im Gebet zu prüfen. Sie sah sich gedrängt, ihm die Wirksamkeit seiner Kindertaufe zuzusprechen und ihn um seiner selbst willen zu warnen. Liebevoll wies sie ihn auf den Katechismus hin, schil­derte auch den dramatischen Fall eines Mannes, der sich ebenfalls "wiedertaufen" ließ und dadurch in schwerste Anfechtungen geriet, und versuchte mit dem Zitat: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben" die Entgegnungen des Taufwilligen zu entkräften. Dringend bat sie ihn, von der Taufe abzusehen, indem sie ihren Argumenten dadurch besonderen Nachdruck verlieh, daß sie darauf hinwies, keine Ruhe gefunden zu haben, bis sie ihn telefonisch erreicht und gewarnt hatte.

Folgenden Antwortbrief schickte der mittlerweile getaufte junge Mann an seine besorgte Bekannte:


Liebe Elisabeth

Da ich in absehbarer Zeit nicht zu Euch kommen kann, möchte ich sehr gerne jetzt diesen Brief an Dich richten, um Dir meine Beweggründe etwas darzulegen und zum Ausdruck bringen, wie wichtig mir eine Stellungnahme zu Deinem An­ruf ist.

Zunächst nochmals herzlichen Dank, daß Du Dich nicht scheutest, anzurufen, und mich dabei ein­dringlich zum Überdenken meines Vorhabens aufgefordert hast.

Dein Anliegen wurde mir sehr deutlich und Deine Ernsthaftigkeit drängt mich, diesen Brief zu schreiben_ Auch habe ich nicht die liebevolle Besorgnis vermißt. Glaube mir, ich nahm es
nicht leicht und möchte sehr bewußt auf Deine Bedenken eingehen und Deinen Rat nicht unge­prüft lassen. Immer wieder bedürfen wir der Korrektur, sei es durch Gottes Wort direkt, oder durch Sein Reden in Ermahnungen von Geschwistern. Gerne möchte ich die Bereitschaft zur Belehrung zeigen und nicht stur meinen Kopf und meine Erkenntnis durchsetzen, wohl aber unbedingt im Gehorsam Gott gegenüber Seinen Willen tun, wenn Er ihn mir unmißverständlich klargemacht hat.

Bei der Entscheidung zur Taufe kann ich nur sagen, daß der Wunsch dazu einzig der Auf­forderung des Wortes Gottes entspringt. Niemand hat es mir nahegelegt oder mich gedrängt, als nur der Wille meines Herrn.

Bitte prüfe eingehend die Aussagen der Bibel zur Taufe und frage Dich objektiv, ob die bib­lische Lehre der Taufe der Kindertaufe ent­spricht. Natürlich lehne ich, genau wie Du, eine "Wiedertaufe" entschieden ab und möchte auch eindringlich davor warnen! Allerdings liegt mir sehr daran, gerade mit diesem Brief zu ver­deutlichen, daß ich bisher noch nicht getauft war!

Ich erinnere mich an Deine Worte, nicht dar­über zu grübeln, sondern ohne sehen zu glauben. Die Argumentation mit Johannes 20,29 ist in bezug auf die Kindertaufe jedoch unhaltbar. Es handelt sich in diesem Zusammenhang nicht um das Akzeptieren eines "Sakramentes", sondern um Zweifel und Glaube. Von Zweifel kann bei mir keine Rede sein. Ich zweifle nicht an der Wirksamkeit meiner Kindertaufe, sondern lehne sie ab.

Im Nachhinein fielen mir noch einige Fragen ein, die ich Dir nun stellen möchte.

- Worin siehst Du den Unterschied zwischen einem getauften und einem nicht getauften Kind?
- Haben wir die Gewalt, einen Menschen "in die Gnade Gottes hineinzustellen", oder ist dies nicht vielmehr Gottes Angebot an alle Menschen?
- Spielt es Deines Erachtens eine Rolle, ob Eltern mit glaubendem Herzen ihr Kind zur Taufe trugen, oder ist der Tatbestand bei Ungläubigen der gleiche?
- Warum segnete unser Herr Jesus die kleinen Kinder, die man zu Ihm brachte und taufte sie nicht?
- Denkst Du, daß die Taufe der Beschneidung des Alten Bundes und somit der Aufnahme in die Gemeinde Gottes entspricht?
- Kennst Du den historischen Hintergrund der Kindertaufe?
- Glaubst Du, daß, gemäß Titus 3,5, die Wie­dergeburt bei der Taufe geschieht, oder erst durch späteres persönliches Annehmen, oder aber hat diese Stelle nichts mit der Wassertaufe zu tun?

Ich hoffe, diese Fragen wirken nicht provokativ, sondern bieten Dir eine Hilfe, die Kindertaufe in Frage zu stellen.

Noch habe ich es unterlassen, direkte Gründe vorzubringen, die belegen, daß die Kindertaufe zu Unrecht "Taufe" genannt wird.

- Der neutestamentlichen Taufe geht immer der Glaube voran!
- Stellvertretenden Glauben, wie ihn die Kindertaufe voraussetzt, kennt die Bibel nicht
- Taufe von Kindern ist im NT nicht über­liefert und steht auch in offenem Wider­spruch zur Lehre der Taufe, die eine Bekehrung, ein freiwilliges Verlangen und ein Erfassen der Bedeutung derselben vor­aussetzt.
- Das griechische Wort für Taufe hat die Bedeutung von Tauchen, Einfärben. Selbst wenn es hier scheinbar nur um eine Äußer­lichkeit geht, so sehe ich doch den "Begräbnischarakter" der Taufe durch bloßes Besprengen nicht ausgedrückt.
- Das sakramentale Verständnis der Taufe in den Landeskirchen (Gnade vermittelnde Handlung), zeigt mir die Verzerrung und Entleerung biblischen Inhalts und macht die Taufe häufig nur zum Mitgliedsmecha­nismus. Diesen Mißbrauch kann ich leider nicht anerkennen.

Ich hätte noch weiteres anzuführen, was aller­dings den Rahmen dieses Briefes sprengen würde.

Da die sogenannte Kindertaufe nach Gottes Wort nicht als Taufe betrachtet werden kann, weil sie jeglicher biblischen Untermauerung entbehrt, und auch nach der Wortbedeutung keine Taufe darstellt, bin ich mir gewiß, daß in meinem Fall auch nicht von einer Wiedertau­fe die Rede sein kann. Bei Deinem Anruf hast Du mich ermutigt, mich an das Wort Gottes und Seine Zusagen zu klammern. Eben dieses Ernstnehmen führt mich zu dieser Erkenntnis. Sein Wort ist alleiniger Maßstab meines Han­delns und keine Tradition, kein Katechismus und keine Menschenmeinung.

Mich erfüllt es mit tiefer Traurigkeit, dies alles so drastisch auszudrücken zu müssen, weil ich Deinen Standpunkt wirklich verstehen kann. Ich bin überzeugt, daß Du besten Ge­wissens Deine Kindertaufe angenommen hast. Doch woran nimmt unser Gewissen Maß?

Entschuldige bitte folgenden Vergleich, den ich nur als einen Aspekt übertragen verstanden wissen möchte.

Als Jesus zum ersten Mal seinen Jüngern offen­bart, was Ihn an Leiden erwartet, nimmt Petrus Jesus zur Seite und wünschte seinem geliebten Herrn dieses nur nicht! Petrus' Motive waren lobenswert. Er wollte in bester Absicht verhin­dern, daß sein Meister getötet würde. Ich nehme an, daß Jesu Mitteilung ihn nicht nur beunruhigte, sondern sogar seine gesamte Vor­stellung durcheinanderbrachte. Dennoch mußte Jesus sehr scharf erwidern, daß seine Intention menschlich und nicht göttlich sei.

In sehr ähnlicher Weise finden wir in der Bibel weitere Beispiele von Menschen, die nur das Beste erreichen wollten, aber leider nicht der göttlichen Absicht entsprachen. Ich bete, daß diese Zeilen nicht mißverstanden werden.

Nicht zuletzt möchte ich noch betonen, daß durch alle Diskussion über dieses Thema, das­selbe doch nicht wichtiger genommen werden sollte, als es ist. Mögen eventuelle Differenzen doch nicht davon ablenken, was die Mitte un­seres Glaubens und unsere Berufung hier auf dieser Welt sind. Alles weitere wird sich um dieses Zentrum ordnen.

Ich hoffe sehr, daß wir bei einem späteren Zusammentreffen in guter Weise miteinander reden können, wie es sich für Geschwister ge­bührt. Von meiner Seite wünsche ich mir dies sehr und bete, daß dies, trotz dieses Briefes, der scheinbar alles wegwischt, was Du mir mit echter Besorgnis am Telefon sagen mußtest, auch Deinem Wunsch entspricht.

Gott segne Dich!

Andreas

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