Zeitschrift-Artikel: William Paul Young - Die Hütte

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Titel: William Paul Young - Die Hütte
Typ: Buchbesprechung
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 2999

Titel

William Paul Young - Die Hütte

Vortext

Eine kritische Rezension

Text

Der amerikanische Bestseller „Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott“ von William Paul Young (seit über einem Jahr in der Bestseller-Liste der New York Times), ist in den USA mehr als 6,5 Millionen Mal verkauft worden und stürmt seit Juni 2009 nun auch die Bestseller-Listen in Deutschland, nachdem es im Verlag Allegria (Ullstein-Gruppe) erschienen ist und durch den Verlag „GerthMedien“ im evangelikalen Bereich verbreitet und vermarktet wird. Bereits wenige Wochen nach dem Erscheinen gab es begeisterte Reaktionen. Viele Leser schreiben, das durch dieses Buch ihr „Gottesbild positiv verändert“ und die „Beziehung zu Gott (‚Papa‘) vertieft“ wurde. Andere seien durch die Lektüre „unglaublich berührt worden“ oder bekennen, dass ihr „spirituelles Leben völlig verändert“ wurde. Der amerikanische Theologe Peterson urteilt sogar, dass „dieses Buch für unsere Generation das ist, was Bunyans ‚Pilgerreise‘ für dessen Generation war“. Der ansonsten eher esoterische Verlag Allegria wirbt für seinen Bestseller mit dem Prädikat: „Das beste Buch über Gott seit der Bibel!“

Der Autor

Der Kanadier William Paul Young stellt sich im Anhang und Klappentext des Buches als Sohn von Missionaren in Papua-Neuguinea vor, der in seiner Kindheit sexuell missbraucht wurde und in seiner Jugend „mit Lügen, zwanghaftem Perfektionismus und allgegenwärtiger Scham“ (S.292) belastet war. Später „arbeitete er viele Jahre als Büroangestellter und als Nachtportier im Hotel“ und war „viele Jahre Mitarbeiter in einer christlichen Gemeinde. Mit seiner Frau Kim und seinen sechs Kindern lebt er in Happy Valley im USBundesstaat Oregon“ – so der Klappentext. Er schreibt über sich selbst, dass er sich auf einem „schmalen Grat zwischen Selbstmord und Flucht bewegte – das alles versteckt unter einer Maske aus äußerer Anpassung, Spiritualität und Gesundheit“. Sein Lebenszug sei 1994 entgleist – „mit verheerenden Resultaten“ (S. 292). Im Jahr 2005, als er 50 Jahre alt wurde, hätte Gott zu „seinem Herzen geflüstert“, dass dieses Jahr ein Jahr der „Heilung und Aussöhnung“ sein würde, wo Gott sein Leben „so wiederherstellen würde, wie es ursprünglich geplant war“ (S. 293). In diese Zeit fällt sein Entschluss, dieses Buch zu schreiben, in dem der Autor viele eigene Erlebnisse und Erfahrungen verarbeitet hat.

Entstehung und Zielsetzung des Buches

In den folgenden Monaten reifte der Vorsatz, seinen Kindern zu Weihnachten als Geschenk einen Roman zu schreiben – um ihnen eine „Geschichte zu erzählen, die ihnen Freude machte und durch die sie ihren Vater besser verstehen würden, und den Gott, den ihr Vater so sehr liebt“ (S. 295). Das Manuskript wurde also zunächst nicht geschrieben, um einmal als Buch verlegt zu werden. Nachdem es aber einige Freunde gelesen hatten und davon begeistert waren, wurde es von „drei Brüdern im Geist“, die Erfahrung mit Medien hatten, redigiert und erweitert. Es sollte zunächst als Buch erscheinen, allerdings mit dem ausdrücklichen Ziel, Interesse für einen geplanten Kino-Film zu wecken, um damit „eine Welt hungriger Herzen zu erreichen“ (S. 292). Da sich aber kein Verlag fand, der bereit war, dieses Buch ohne Abstriche zu veröffentlichen, gründete man 2007 einen eigenen Verlag, der „Die Hütte“ als erstes Buch herausgab. Laut Verlagsangabe wurde das Buch „nur durch Mundpropaganda, Empfehlungen und Internetforen zum meistverkauften amerikanischen Bestseller 2008“, der inzwischen in viele andere Sprachen übersetzt und in über 25 Ländern verbreitet wurde. Mit dem Erlös dieses Buches soll – wie erwähnt – ein „abendfüllender Film“ gedreht werden, „der weltweit ein großes Publikum erreicht und ein akkurates Bild vom Wesen und Charakter Gottes zeichnet, für eine Menschheit, die sich aus tiefsten Herzen nach einem solchen Gott sehnt“ (S. 301).

Geistige und geistliche Hintergründe

In seiner „Danksagung“ am Ende des Buches bekennt der Autor, dass er viele Anregungen „von einigen längst verstorbenen Herrschaften wie Jacques Ellul, George McDonald, A.W. Tozer, C.S. Lewis, Gibran, den Inklings und Sören Kierkegaard“ bekommen hat, sich aber auch lebenden Autoren und Rednern wie Ravi Zacharias, Wayne Jacobsen usw. zu Dank verpflichtet fühlt (S. 290). Tatsächlich findet man in diesem Buch auch Zitate von Blaise Pascal, A.W. Tozer, Oswald Chambers usw., was darauf hindeutet, dass der Autor mit den Werken von Schriftstellern vertraut ist, die man als konservativ, bibeltreu oder fundamentalistisch bezeichnen würde. Das wird manche Leser vielleicht verwirren, entspricht aber genau dem Inhalt des Romans, der ein Gemisch von sehr richtigen und biblischen Wahrheiten, wie auch von absolut gotteslästerlichen Vorstellungen vermittelt. Interessant ist, dass Wayne Jacobsen, der Autor des in letzter Zeit vielgelesenen Buches „Der Schrei der Wildgänse“, großen Einfluss auf den Inhalt, die Bearbeitung und Verbreitung des Buches hatte. Für Young war Jacobsen „der einzige Autor, den ich kannte, der in einem meiner Geschichte verwandten Genre schrieb. Sein neuestes Buch ‚Der Schrei der Wildgänse‘‚ war ein paar Monate zuvor erschienen, und es gefiel mir sehr.“ (S. 296/297) Jacobsen ist einer der erwähnten „drei Brüder im Geist“ und wer sein Buch „Der Schrei der Wildgänse“ gelesen hat, wird viele seiner Ideen und seiner Gottes-Vorstellungen im Buch „Die Hütte“ wiederkennen.

Der Inhalt des Buches

Der erste, recht kurze Teil schildert mitreißend und emotional aufwühlend die Entführung von Macks jüngster Tochter „Missy“ während eines Familienausfluges. Ihre letzten Spuren hat man in einer verlassenen Schutzhütte tief in der Wildnis von Oregon gefunden, wo sich Hinweise finden, dass sie von einem Serienmörder ermordet wurde. Vier Jahre später, mitten in der „großen Traurigkeit“, in der Mack mit Gott über den Verlust seiner Tochter hadert, erhält er eine rätselhafte Einladung von „Papa“ (Gott), der ihn für ein Wochenende in die besagte Hütte einlädt. Trotz aller Einwände seines Verstandes macht er sich auf den Weg und trifft dort persönlich „Gott“ („Papa“) in der Gestalt einer „großen, dicken Afroamerikanerin“ (S. 94), die auch „Elousia“ genannt wird. Dann taucht eine „kleine, eindeutig asiatische Frau … mit melodiöser Stimme“ (S.95) auf, die sich „Sarayu“ nennt und den „Heiligen Geist“ verkörpern soll und schließlich „Jesus“, der als gutmütiger, grinsender Handwerker dargestellt wird, der „Papa“ lachend als „Scherzkeks“ bezeichnet (S. 101). Auf den folgenden fast 200 Seiten werden dann Begegnungen und Gespräche Macks mit der „Dreifaltigkeit“ geschildert, die ich teilweise als kitschig, blasphemisch und abstoßend empfand, so dass ich mich zum Weiterlesen zwingen musste und daher die begeisterten Reaktionen vieler Leser in keiner Weise nachvollziehen kann. Spätestens ab dem 15ten Kapitel müsste jedem Bibelleser deutlich werden, dass man ein esoterisches Minenfeld betreten hat: Mack versöhnt sich mit seinem verstorbenen Vater – zu Lebzeiten ein nach außen religiöser, aber ansonsten bösartiger Säufer, der zu Hause seine Frau verprügelte und Gott danach um Vergebung bat (vgl. S. 10) – und anschließend wird die ermordete kleine Missy nachträglich beerdigt und „Sarayu“ singt am Grab das Lied, dass Missy selbst für ihre Beerdigung geschrieben hat!

Warum man vor diesem Bestseller warnen muss!

1. Das Buch verstößt eindeutig gegen das zweite Gebot (2Mo 20,4 und 5Mo 4,23). Es vermittelt ein Bild von Gott, das eindeutig nicht mit der Heiligen Schrift – worin Gott sich selbst offenbart – übereinstimmt, sondern ist ein Produkt menschlicher Phantasie und auch humanistischer, esoterischer Vorstellungen. Und das ist Gotteslästerung, selbst wenn man dem Autor beste Motive zugesteht.
2. Das Buch wurde nach Aussagen des Autors nicht als unterhaltsamer Roman geschrieben, sondern mit der ausdrücklichen Absicht, ein „akkurates Bild vom Wesen und Charakter Gottes zu zeichnen“ (S. 301). Doch das Tragische ist, dass die vielen Leser in aller Welt hier ein völlig einseitiges und falsches Bild von Gott bekommen, bei welchem u.a. die Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes ausgeblendet und damit die Leser getäuscht und betrogen werden. Der kumpelhafte „Papa“ dieses Buches entspricht nicht dem Gott der Bibel, „den kein Mensch sehen und leben kann“ (2Mo 33,20) und „vor dessen Angesicht die Erde entfliehen“ wird (Offb 20,11).
3. Das Problem der Sünde, die Wirklichkeit der Hölle und der ewigen Verdammnis werden relativiert oder geleugnet. Es wird ein Wohlfühl- Evangelium suggeriert, das den Leser nicht zur Erkenntnis der eigenen Verlorenheit bringt und Jesus Christus nicht als Herrn unseres Lebens vorstellt.

Der Rezensent Daniel Hames urteilt sehr richtig: „Der dreieinige Gott wird zu einem … ‚Verb‘ gemacht, die Natur Christi wird zerteilt und sein Kreuzestod von jeder Bedeutung entleert. Das Heil hat folglich nichts mehr mit dem persönlichen Glauben an Jesus zu tun, sondern gilt automatisch allen Menschen.“ Winfried Kuhn, selbst Autor und Vertriebsleiter der Stiftung Christlicher Medien (Holzgerlingen) schreibt: „Drei lustige oder abgedrehte Personen, die ein bisschen Seelenmassage betreiben, können doch die Wirklichkeit von Gottes Wesen nicht beschreiben. Worte wie Sünde, Gottes Gerechtigkeit, alles zentrale biblische Aussagen, bleiben fast unerwähnt oder werden weich gespült. Ja, selbst ewige Verlorenheit wird relativiert. Dieses Buch ist Wasser auf die Mühlen derer, die Gottes Gericht und große Teile der Bibel immer schon als Nikolaus-ähnliche Angstmache gesehen haben.“ Es macht nachdenklich, dass ein Rezensent im Deutschlandfunk „Die Hütte“ als „esoterischen Schmarr’n“ bezeichnete, während in einer ausführlichen Rezension der evangelikalen Zeitschrift „Aufatmen“ diesem Buch bescheinigt wird, dass es „aufgrund seiner Originalität das Zeug zu einem christlichen Klassiker habe“. Die beängstigende Frage taucht auf, ob die begeisterten Urteile vieler evangelikaler Leser ein Indiz dafür sind, dass auch der letzte Rest von Gottesfurcht unter uns Evangelikalen zu verschwinden droht und sich die mahnenden Worte aus 2Tim 4,3 buchstäblich erfüllt haben: „Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt; und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren, sich aber zu den Mythen hinwenden.“

Was uns nachdenklich, selbstkritisch und wachsam machen sollte …

Es scheint offensichtlich zu sein, dass der Autor in seinem Roman traumatische Erlebnisse verarbeitet hat, die er als Kind oder Jugendlicher in seinem evangelikalen Elternhaus oder Umfeld erlebte. Das verlogene Doppelleben, pharisäische Arroganz, abstoßende Unglaubwürdigkeit und das oft nur formale Christenleben ohne warmherzige Beziehung zu dem Erlöser scheint mir der Hintergrund dieses Buches zu sein. Immer wieder stößt man auf solche tragischen Zusammenhänge und die dadurch bedingte „Schlagseite“ als Reaktion. Und die begeisterten Rückmeldungen zahlloser Leser machen deutlich, dass leider genau dieses Zerrbild vom Christsein weit verbreitet ist und deshalb biblische Dogmatik, konsequente Nachfolge, verbindliches Gemeindeleben und die Anerkennung von Autoritätsstrukturen in Misskredit geraten sind. Deshalb wahrscheinlich auch die starke Betonung von Beziehungen, Liebe, „Papa-Gott“, Spiritualität, Intuition und Gefühlen, die in dem Buch „Die Hütte“, wie auch in „Der Schrei der Wildgänse“ und vielen anderen Publikationen erkennbar ist. Damit sind solche Publikationen bei aller berechtigten Kritik am Inhalt und an der Einseitigkeit gleichzeitig auch eine starke Herausforderung, unser eigenes Bekenntnis und Leben als Nachfolger Jesu einer kritischen Selbstprüfung zu unterziehen. Wir sollten die Frage bewegen, ob in unserem persönlichen Leben wie auch im Gemeindeleben echte Charakterzüge unseres Herrn Jesus zu erkennen sind, die uns allein in der Heiligen Schrift gezeigt werden und Ausgewogenheit in Lehre und Leben bei uns zu finden ist. Abschließend einige mahnende Worte von A.W. Tozer, der von W.P. Young zwar auch zitiert, aber – wie es scheint – nicht verstanden wurde:

 

 

Nachtext

„Ein träumerischer, sentimentaler Glaube, der das Gericht Gottes über uns ignoriert und auf die Beteuerungen der Seele lauscht, ist so tödlich wie Blausäure! Ein Glaube, der passiv alle angenehmen Texte der Bibel akzeptiert, während er die ernsten Warnungen und Befehle übersieht oder verwirft, ist nicht der Glaube, von dem Christus und seine Apostel geredet haben.“ 1

Quellenangaben

1 A.W. Tozer: „Verändert in sein Bild“, CLV, S. 109


BILDNACHWEIS
Die Hütte – Cover: http://www.vorablesen.de/files/images/young-huette_web.jpg
William Paul Young: http://www.infohermanus.co.za/books_hermanus/william_p_young_author.jpg