Zeitschrift-Artikel: Die wundersame Reise in das Universal-Psycho-Fantasy-Land (Drewermann macht's möglich)

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Titel: Die wundersame Reise in das Universal-Psycho-Fantasy-Land (Drewermann macht's möglich)
Typ: Artikel
Autor: Matthias Sesselmann
Autor (Anmerkung):

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Titel

Die wundersame Reise in das Universal-Psycho-Fantasy-Land (Drewermann macht's möglich)

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Text

Viele Menschen empfinden Kälte, Vereinsamung, Angst und Leere in unserer Gesellschaft. Die Verkündigung der großen Kirchen stiftet keinen Sinn, sondern überwiegend Sinnlosigkeit. Ein vom Beamtentum geprägtes Christen­tum erreicht die Köpfe und Herzen der Suchenden nicht mehr.
Ein Mann aus Paderborn meldet sich zu Wort. In Fernsehtalkshows und im Drogerieblättchen, auf Aka­demien und Kirchentagen und als Kolumnist der BILD-Zeitung findet er Gehör: Eugen Drewermann, freund­lich und redegewandt, glaubwürdig wirkend durch einen einfachen Lebensstil. Seine Bücher garantieren Bestsel­ler, seine Auftritte überfüllte Säle, durch Lesergemein­den von langer Hand vorbereitet.
Viele sehen in ihm einen neuen Reformator, einen Martin Luther der Gegenwart, der in einer Zeit von Kri­sen und Umbrüchen den Christen den Weg in eine bes­sere Zukunft weisen kann.
Was will Eugen Drewermann? Drewermann legt den Finger auf die Wunden der Menschen: seelische Verlet­zungen, Angst, Zerrissenheit. Er kritisiertzu Recht theo­logisch akademische Sinnentleerung, formale Religiö­sität, kirchliche Erziehung, die den Menschen verbiegen kann. Aber es geht ihm nicht nur um Fehlentwicklungen des Christentums. Drewermann verheißt mit poetischer Wortgewalt Heilung, Glück und Geborgenheit. Mit sanf­ter Rede propagiert er ein neues, erlösendes Lebensge­fühl. Dieses Gefühl läßt für das Wort der Bibel, für den Glauben an die Erlösung durch einen persönlichen Gott keinen Platz mehr. Verträumte religiöse Zärtlichkeit soll biblischen Glauben auflösen, denn Drewermann glaubt:

- daß der Mensch "von Haus aus gut ist". In der Seele jedes Menschen sei ein Schatz, der nur gehoben wer­den müsse.
- Vernunft und "Verkopfung" haben zur Abwertung des Unbewußten geführt. Dadurch ist dieser Schatz in der Seele des Menschen verlorengegangen.
- Nur eine Psychoanalyse kann den "neurotischen Schutt" über der Seele abtragen und die "eigentliche Wahrheit des menschlichen Lebens finden". "Die Rettung des Menschen und die Rettung des Lebens auf diesem Planeten hängen auf das innigste zusam­men mit der Rückkehr zur Traumzeit, mit der Wie­dererinnerung des Religiösen."
- Aufgabe der Kirche ist es, für diesen Prozeß der Selbstverwirklichung durch Traumdeutung Freiräu­me des Vertrauens zu schaffen.
- Symbole, Mythen, Bilder und Legenden können dem Menschen bei seiner Traumzeit helfen. In diesem Sinn sind für Drewermann die Erzählungen der Bibel "Le­genden mit eigenem Wert", die eine therapeutisch hilfreiche Funktion haben. Drewermann glaubt an das Evangelium, wie er an die Mythologie der Schama­nen und an Grinuns Märchen glaubt.
- Folgerichtig ist für ihn die Forderung, der biblische Wahrheitsanspruch müsse aufgegeben werden. Re­ligiöse Mythen und Symbole aus allen Religionen sollten zusammengefaßt werden zu einer "universel­len Wahrheit des religiösen Suchens der Menschen".

Drewermanns Schriften haben ihm ein kirchenrecht­liches Disziplinarverfahren der Katholischen Kirche, Diözese Paderborn, eingebracht. Er hat hierdurch viel Publizität und Sympathie gewonnen. Zur wichtigen theo­logischen Klärung hat dieses Verfahren wenig beigetra­gen, ist doch der Kirche offenkundig die Wahrung ihrer Autorität wichtiger als die Beantwortung entscheiden­der Glaubensfragen:
Entspricht der Glaube an Jesus Christus, den Sohn Gottes, der Vorstellung, die die alten Ägypter von der Person des Pharao besaßen (wie Drewerrnann meint)?
Ist das Leben Jesu ein frommes Märchen, sein Kreu­zestod und seine Auferstehung nur "Chiffren der Erlö­sung"?
Diese Fragen können nicht im Tief-Traum beantwor­tet werden, sie stellen sich in der Wirklichkeit des Le­bens, im konkret erfahrenen Leid unzähliger Menschen.
Wie kann hier der Traum vom schlummernden Guten in jedem Menschen in Einklang gebracht werden mit dem Bösen, das Menschen durch Menschen tagtäglich er­leiden? Nicht nur in Bosnien, auch in unserer Gesell­schaft durch zunehmende Gewaltbereitschaft und Bru­talität. Drewermann bleibt Antworten schuldig, die Bi­bel nicht.

Die klaren Aussagen der Bibel möchte Drewermann aber auflösen, daß sie "samtweich und fließend wirken, als Äußerungen von Gefühl, Sehnsucht und Vision". So handelt Drewermann wie ein Arzt, der einen Patienten mit schwersten Knochenbrüchen durch Lindenblütentee heilen möchte. Denn die klare Botschaft der Bibel ist schmerzhaft und unbequem, aber sie ist auch heilsam. Sie verlangt vom Menschen, das Böse auch in sich selbst zu sehen, eigene Schuld einzugestehen, umzukehren.

Unzählige Menschen haben konkret erfahren, daß die Bibel das Brot des Lebens enthält und keine visionäre Zuckerwatte. Menschen haben praktisch erlebt, daß auf die klaren Worte der Bibel Verlaß ist, gerade in Konflik­ten, Notsituationen und Ausweglosigkeit. Menschen haben wirkliche Befreiung erfahren, nicht durch nebu­löse Selbsterlösung, sondern durch die Wahrheit der bi­blischen Worte:

"Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eigenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben."

Das Angebot Gottes zur Befreiung und Erlösung gilt für jeden Menschen. Es sollte nicht verträumt werden.

Nachtext

Quellenangaben