Zeitschrift-Artikel: Bibelstudien - Wann kommt das Reich Gottes?

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Titel: Bibelstudien - Wann kommt das Reich Gottes?
Typ: Artikel
Autor: Martin Heide
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Titel

Bibelstudien - Wann kommt das Reich Gottes?

Vortext

Text

In vielen sicheren Kennzeichen, so schreibt Lukas, hat sich der Herr den Aposteln nach Seiner Auferstehung dargestellt (Apg. 1,2-4). Aber nicht nur in der feinen, seelsorgerlichen Art, in der er z.B. dem Petrus erschien (Joh. 21), auch grundlegende Fragen der biblischen Lehre hat er behandelt.
Bereits in seinem Evangelium schildert Lukas die gründ­liche Art, mit welcher der Herr Jesus z.B. die zweifelnden Emmaus-Wanderer aus der Schrift selbst wieder auferbau­te: "Mußte nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen ?" (Lk. 24,26; vgl .V.32). Wenig später sind es alle Jünger, die in einer Mischung aus Furcht und Freude miterleben, wie ihnen vom Meister selbst das Verständnis der Schriften geöffnet wird (Lk. 24,44-46).
In der Zeit zwischen der Auferstehung und der Himmel­fahrt Jesu konzentrieren sich die Belehrungen des Herrn Jesus auf das Reich Gottes: "...indem er vierzig Tage hindurch von ihnen gesehen wurde und über die Dinge redete, welche das Reich Gottes betreffen" (Apg. 1,3).
Jahre später werden diese Unterhaltungen unter ganz anderen Umständen und zwischen ganz anderen Leuten weitergeführt: "...indem er das Reich Gottes predigte und die Dinge, welche den Herrn Jesus Christus betreffen" (Apg. 28,31). Nicht umsonst hat Lukas den Rahmen der Apg. so gesetzt, denn das Thema dieses Reiches nimmt in ihr einen bedeutenden Platz ein.
Es gehört nun zu den Eigenarten des Lukas, daß er das Reich Gottes auf eine Weise als schon gegenwärtig darstellt, andererseits aber dessen zukünftige Realität betont(1). Wir wollen dies an einigen Stellen näher untersuchen.


DAS KOMMENDE REICH UND DIE PHARI­SÄER

Natürlich haben vor allein die Juden von Anfang an dem Herrn die Frage gestellt: "Bist Du der kommende Mes­sias?" (vgl. Joh.1,19ff), und: "Wenn Du wirklich der Messias bist - wo ist Dein Reich?"
So wird der Herr von den Pharisäern gefragt: "Wann kommt das Reich Gottes?"
Er antwortet ihnen:
"Das Reich Gottes kommt nicht so, daß man es beobach­ten könnte; noch wird man sagen: Siehe hier! oder siehe da! denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch (entos hymön estin)" (Lk.17,20). Die im NT nur hier und in Matth.23,26 vorkommende Präposition entos bedeutet eig. "innen, darinnen". Bauer-Aland (Wörterbuch zum NT) vermerkt, daß es hier wohl nicht "inwendig in euch = in euren Herzen, sondern in eurer Mitte" heißen muß. Dar­über hinaus kennt entos noch die Bedeutungsnuance "in Reichweite von"(2). Das Reich Gottes war sozusagen durch die Person Jesu, den "König der Juden", in ihrer Mitte oder Reichweite. Jesus' Antwort beinhaltet eine Per­sonifizierung des Reich-Gottes-Gedankens der Pharisäer. Sie forderten ein Reich, aber er gibt Ihnen statt dessen seine Person als Antwort (vgl. Joh.1,26). So auch in den folgenden Worten:
"Es werden Tage kommen, da ihr begehren werdet, einen der Tage des Sohnes des Menschen zu sehen, und ihr werdet ihn nicht sehen."
Hier und jetzt hatten sie den Sohn des Menschen gesehen, das Reich war in Ihm in ihrer Reichweite. Dann, in der Zukunft, werden sie seine Ankunft bzw. Gegenwart (Parusie!) erwünschen, man wird dann auf verschiedene falsche Christi hinweisen - Siehe hier! Siehe dort! - aber Er wird dann nicht greifbar sein, sondern
"gleichwie der Blitz blitzend leuchtet von einem Ende unter dem Himmel bis zum anderen Ende unter dem Himmel, also wird der Sohn des Menschen sein an seinem Tage."
Seine damalige Gegenwart in Israel wird also der zukünftigen kontrastreich gegenübergestellt. Jetzt war er greifbar in ihr- er Mitte, und in Ihm das Reich - aber die Pharisäer wollten Ihn nicht; dann werden während der Drangsalszeit viele falsche Christi bevorzugt werden - u.a. der Antichrist- schließlich wird der wahre Messias vom Himmel her zum Gericht wiederkommen. In ähnlicher Weise hatte der Herr über diesen "Gegensatz" auch in Joh.5,43 geweissagt:
"Ich bin in dem Namen meines Vaters gekommen und ihr nehmet mich nicht auf; wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen."
In der weiteren Rede benutzt dann der Herr die gleichen Bilder zur Charakterisierung der "Tage des Sohnes des Menschen", wie wir es auch in Matth.24 lesen (...denn gleichwie der Blitz ausfahrt... (V.27), ...die Tage Noahs usw), nur daß hier in Lukas die Details über die Drangsals­zeit fehlen. Manche versuchen, die Beschreibung von Matth.24,32ff. (bzw. Lk.17,26-36) von der Drangsalszeit, also von Matth.24,1-31, zu trennen. Aber sowohl Matth.24,27 als auch Matth.24,37 reden von der Ankunft des Sohnes des Menschen, verknüpfen also beide Beschreibungen. Matth.24,1-31 schildert die speziell in Israel wütende Drangsalszeit (V. 15,16,20,26), die folgenden Verse beschreiben den allgemeinen Zustand der Menschheit, wie auch in Lukas 17,26ff; vgl. 1.Thess.5,1-3.
Wo immer den Juden vom Messias erzählt wird, stellen
sie sofort die Frage: "Aber wo ist Sein Reich?" (s.o.). Die ungläubigen Pharisäer, die den Messias ablehnten, haben darauf verständlicherweise keine befriedigende Antwort erhalten. Auch die Jünger, die ihn damals schon als Mes­sias anerkannten, stellen die Frage nach dem Reich. Aber ihnen wird sie auch beantwortet!


DAS KOMMENDE REICH UND DIE APOSTEL

So finden wir in der Apostelgeschichte die selbstver­ständliche Frage der Jünger nach dem tausendjährigen Reich, in dem Israel die Nation schlechthin sein wird:
"Herr, stellst du in dieser Zeit (3) dem Israel das Reich wieder her?" Apg.1,6
Wie kamen sie auf diese Frage? Nun, der Herr hatte sich mit ihnen vorher über die Dinge des Reiches Gottes und über das Kommen des Heiligen Geistes unterhalten, Dinge, die im Verständnis eines Juden zunächst einmal zu­sammengehören - vgl. die Bilder aus Hesekiel 36+37 und die Weissagung Joels (Kap. 2), in denen der Heilige Geist als "Mitwirkender" an der "Wiedergeburt" der Nation Israel (Hes.37,14; Matth.19,28) und an den Segnungen des Reiches ( Joel 2,28) beschrieben wird.
Die Antwort läßt nun nicht etwa den Schluß zu, wie einige Ausleger gerne hineinlesen, daß er dem Israel das Reich nicht wiederherstellt, sondern läßt nur die Zeitfrage offen:
"Es ist nicht eure Sache, Zeiten khronous] oder Zeit­punkte IkairousJ zu wissen, die der Vater in seine eigene Gewalt gesetzt hat. "
Wann die Zeiten der Wiederherstellung Israels begin­nen, liegt also allein in der unantastbaren Handlungsfrei­heit Gottes. Zur gleichen Souveränität Seines Willens gehörte es jedoch auch, schon zu Pfingsten, lange Zeit vor dem verheißenen Reich, den Heiligen Geist auszugießen, obwohl diese Ausgießung eigentlich in Verbindung mit dem Reich geschehen sollte (Joel 2). Die Aus- gießung zu Pfingsten, ebenso alle von ihr abgeleiteten Wunderwerke und Kraftbezeugungen des Geistes, werden deswegen im Hebräerbrief auch im Zusammenhang mit dem zukünfti­gen Zeitalter gesehen (Hebr.6,4+5; 2,3+4). Sie bezeug­ten als typische Phänome- na des kommenden Reiches dessen noch ausstehende Errichtung.
Nicht nur, als Jesus mit den Jüngern unterwegs war, auch nach Seiner Auferstehung lebten also die Jünger in der Erwartung einer zukünftigen Erlösung Israels, obwohl sie schon Augenzeugen vieler, quasi auf die Zukunft vorgreifender , messianischer Zeichen und Wunder ge­worden waren. Und noch später, nach dem Kommen des Heiligen Geistes, bleibt dieser Spannungsbogen bestehen, dessen einer Pol in den eigentlich messianischen Wundern und der Geistausgießung selbst bestand, und dessen Gegenpol in der Erwartung des Messias auf dem Thron Davids besteht (Apg.2,30). Somit ist auf eine Weise auch nach Pfingsten das Reich Gottes durch den Heiligen Geist "mitten unter uns" oder "in unserer Reichweite".
Das Reich Gottes in seiner gegenwärtigen Form wird allerdings durch die Abwesenheit des Königs charakteri­siert. Nach den Worten des Petrus mußte ihn der Himmel aufnehmen "bis zur Wiederherstellung aller Dinge" (Apg.3,21). Dann erst wird er erscheinen, um als der Same Abrahams sein Erbe anzutreten (Ga1.4,15-20), d.h., dem Israel das Reich wiederherzustellen.
Diesen Gedankengang haben wir auch in der Pfingstpre­digt des Petrus. Der Heilige Geist war gekommen, die Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters sichtbar, das Reich Gottes in handgreiflicher Nähe. Petrus führt nun den Propheten Joel an, um die Juden darauf aufmerksam zu machen. "Dies ist's, was durch den Propheten geredet ist" (Apg.2,16) ist dabei keine Gleichsetzung; vgl. z.B. das "dies ist" (touto estin) in Matth. 26,26 bzw. (Plural) in Matth. 13,38 (4), es wird besonders bei der Deutung der Gleichnisse eingesetzt. Lukas benutzt es auch zur Deutung eines Sachverhalts ("was bedeutet denn das...?"), vgl. Lk. 15,26; 18,36; Apg. 17,20. Hier in Apg. 2,16 liegt nun ein besonderer Kontext des touto estin vor, der bislang in den Kommentaren selten Beachtung fand. Den Juden war durch das Sprachenreden ein Zeichen gegeben worden (vgl. 1. Kor. 14,21), das großes Erstaunen und spöttische Bemerkungen hervorrief: "Was mag dies wohl sein (Ti theleu touto einai)?" (Apg. 2,12), oder "Was hat denn das zu bedeuten?" Die Bedeutung wird dann durch eine darauffolgende Rede Gottes an dieses Volk erklärt (5), und zwar mittels dessen "Prophet", nämlich Petrus. Ein Ge­schehen dieser Art, d.h. die Auslegung eines Zeichens mittels eines Wortes des Herrn, bzw. ein Zeichen, das das zukünftige Programm Gottes mit Seinem Volk illustrieren sollte, kennen wir aus dem Buch Hesekiel.
Als der König von Babel gegen Jerusalem nahte (Hes. 24,2), gibt Jahwe Seinem Volk das folgende Zeichen: Hesekiels Frau sollte durch "einen Schlag" weggenommen werden, aber er sollte weder weinen noch klagen, sondern still seufzen (Hes. 24,15ff.). Hesekiel tat, wie ihm geboten war, so daß das Volk verwundert fragte:
"Willst du wes nicht kundtun, was dies uns bedeuten soll, daß du so tust? "(Septuaginta: ti estin tauta, ha su poieis?) Hes. 24,19.
Die Bedeutung wird durch eine Rede des Herrn (so spricht der Herr, Hes. 24,21; vgl. Apg. 2,17) gegeben: Genau wie Hesekiels "Lust der Augen weggenommen wurde, ohne daß er öffentlich Totenklage hielt, so sollte es dem Volk binnen kurzem geschehen. Hesekiels Schicksal war dabei ein Zeichen (He. 24,24; vgl. 1. Kor. 14,21). Einige Zeit darauf wird Hesekiel mit einem anderen Zeichen beauftragt; diesmal sollte allerdings zwischen der Zeichengebung und dem, worauf das Zeichen hindeutete, eine wesentlich größere Zeitspanne liegen. Hesekiel muß­te als Sinnbild für das zertrennte Israel zwei Hölzer nehmen, eines für das bereits weggeführte 10-Stämme­Reich, eines für Juda (Hes. 37,15ff.). Auf die Frage des Volkes:
"Willst Du uns nicht kundtun, was diese dir bedeuten sollen "(Septuaginta: ti estin tauta soi?) Hes. 37,18 folgt wiederum ein Wort des Herrn (Hes. 37,19ff.), beinhaltend eine der deutlichsten Zusicherungen der mes­sianischen Zukunft Israels, in einem geeinten Reich, unter dem wahren König David.
Entsprechend verhält es sich in Apg. 2: Auf die Frage des Volkes - "Was hat denn das zu bedeuten" - stellt Petrus klar, daß es keineswegs auf Trunkenheit zurückzufiihren ist (V. 15) und interpretiert sodann das Sprachen-Phäno­men mittels eines Wortes des Herrn:
'Dies (Zeichen, was ihr gerade gesehen und gehört habt) bedeutet (daß) das durch den Propheten Joel Geredete (kommen wird):..."
Vers 16 ist also keineswegs ein Gleichheitszeichen, bzw. deutet nicht die Erfüllung der Prophetie Jods im Sprach­enreden an. Denn das Sprachenreden wurde ausdrücklich als ein Zeichen zur Bestätigung der apostolischen Predigt gegeben (Mk. 16,17; 1. Kor. 14,21; vgl. Hebr. 2,4), nicht als ein Zeichen des schon eingetretenen Tages des Herrn (Apg. 2,20). Wie in Hesekiel, so ist auch hier das Zeichen nicht identisch mit dem, worauf es hinweisen soll, sondern davon zu unterscheiden; das Sprachenreden war, wie gesagt, ein Wunderwerk des zukünftigen Zeitalters (Hebr. 6,5), nicht des Zeitalters, in dem Pfingsten geschah.
Das Besondere an diesem Zeichen war allerdings, daß es bereits in kleinem Umfang die Wunderwerke vorweg­nahm, die unmittelbar mit dem Tag des Herrn geschehen sollten, und darin unterscheidet sich das Zeichen der Sprachenrede von den Zeichen Hesekiels. Das Zeichen jenes Propheten hatte gar nichts mit der zukünftigen Wirklichkeit zu tun; weder Hesekiels Frau noch die beiden Hölzer werden in Zukunft irgendeine Rolle spielen. Das Sprachenreden wird jedoch genauso wie zu Pfingsten, nur noch in weit größerem Ausmaß, die messianische Herr­schaft der Zukunft zeichenhaft begleiten. So ist es auch nicht verwunderlich, daß Petrus durch einige kleine Veränderungen das Joel-Zitat für Pfingsten verständlicher macht, d.h. die Verknüpfung des pfingstlichen Ereignisses mit dem zukünftigen Reich unterstreicht (6). Denn Joel schreibt folgendermaßen:
"Und ihr, Kinder Zions , frohlocket und freuet euch in Jahwe, eurem Gott! denn er gibt euch... Frühregen und Spätregen zuerst. Und die Tennen werden voll Getreide sein, und die Kufen übelfließen von Most und Öl. Und ich werde euch die Jahre erstatten, welche die Heuschrecken.... gefressen haben... Und mein Volk soll nimmermehr beschämt werden. Und ihr werdet wissen, daß ich in Israels Mitte bin... Und danach wird es geschehen, daß ich meinen Geist ausgießen werde über alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen...
Die Wiederherstellung Israels wird mit den in Joel 2,21-
27 beschriebenen Segnungen beginnen, und danach, also schon nach Beginn des messianischen Reiches, wird Jahwe Seinen Geist ausgießen auf alles Fleisch. Petrus verändert jedoch die Zeitangabe Joels; nicht "danach", sondern "in den letzten Tagen" soll dies alles geschehen. Diese Zeitangabe umschließt auch Ereignisse, die (evt. lange) vor dem Millenium stattfinden, eben auch Pfingsten.
Auf das in Zukunft sicher eintretende Reich weist Petrus dann im weiteren Verlauf seiner Rede hin. Dabei ist dieses Reich nicht ein automatisch eintretendes Ereignis, sondern eng mit dem Leiden und der Erhöhung Christi verbunden. Daran gilt es zu glauben, damit das verheißene Reich beginnen kann (Apg. 2,36). Wenn nämlich die Zeit des Herrn Jesus als Messias auf dem Thron Davids gekommen sein wird (Apg. 2,30), wird Er von Zion aus herrschen (Ps. 110,2). Jetzt sitzt Er bereits wartend zur Rechten Gottes, hat aber schon den Heiligen Geist ausgegossen (V.33). Das Sitzen zur Rechten Gottes kennzeichnet Seine jetzige Erhöhung und Verherrlichung von seiten des Vaters (Ps.110,1; vgl. die Vorkommen im Hebräerbrief u. Apg.2,36). Er sitzt quasi auf dem Thron Seines Vaters (Offb.3,21). Danach findet erst die Wiederherstellung Israels gemäß den alttestamentlichen Prophe- tien statt, zu der unbedingt ein Nachkomme Davids auf dessen Thron gehört (Apg.2,30; 3,21). Dieser Thron wird auch der Thron Seiner (d.h. Christi) Herrlichkeit genannt (Matth.19,28; 25,31), auf dem Er in der Wiedergeburt (Matth.19,28) sitzen wird, ein Synonym für die "Wieder­herstellung aller Dinge"(7). Diese wird durch Elias begon­nen und durch den wiederkommenden Herrn vollendet werden (Matth.17,11). Auch durch die Aufsehen erregen­de Heilung des Lahmen (Apg.3,1-11) illustriert Lukas, daß zwar der Lahme geheilt worden war und so das "kommende Zeitalter" (Hebr.6,2) seine Schatten voraus warf und das Reich auf eine Weise gegenwärtig war. Eines Tages jedoch wird das Reich "dem Israel" unter der Herrschaft Christi auf Davids Thron werden. Bis dahin muß Ihn freilich der Himmel aufnehmen... (Apg.3,21).


ELIAS UND DIE WIEDERHERSTELLUNG

Das Verhältnis Johannes des Täufers als "ein" Elia zu dem wahren Elia ist das gleiche, wie das Verhältnis des leidenden zum verherrlichten Messias. Johannes der Täu­fer hatte schon grundsätzlich die gleiche Funktion wie Elia "wenn ihr es annehmen wollt, er ist Elias, der da kommen soll," verkündigte Jesus, als Johannes gefangengenommen wurde. Johannes selbst verneint, mit Elias identisch zu sein (Joh.1,21), aber er ging in der Kraft Elias vor dem Messias, d.i. Jesus, her (Lk.I,17). Nach Johannes' Tod bezeugte Jesus jedoch unmißverständlich - und das in Verbindung mit der Vision Seiner Herrlichkeit, einem Typus Seines Kommens als verherrlichter Messias - daß Elias kommen und alle Dinge wiederherstellen wird (Matth.17,11). Natürlich, wer in Jesus bereits den wahren Messias gesehen hat, wird auch die Funktion des Johannes grundsätzlich der des Elias ebenbürtig werten; wer aber, wie auch die Jünger, darüberhinaus die Parusie des verherrlichten Christus für die Zukunft erwartete, wird ebenso nach den alttestamentliehen Weissagungen den wahren Elias (Maleachi 4,5) erwarten.
Es ist zu beachten, daß der Herr nicht das Kommen des zukünftigen Elias als in Johannes erfüllt sieht, sondern Johannes Auftreten als eine Vorstufeoder Vorerfüllung des wahren Elias darstellt. Matth.17,11 drückt durch das Präsens futurum(8), das mehr noch wie das Futur selbst das unbedingte und sichere Eintreten eines Ereignisses bekräftigt, das Kommen Elias aus; der Nachsatz "und wird alle Dinge wiederherstellen" (Futur!) bestätigt dies. Erst nach dieser affirmativen Zusicherung weist Jesus darauf­hin, daß Elias eigentlich schon gekommen ist (Vergangen­heit), d.h. Johannes der Täufer war ein Vorläufer des wahren Elias, der kommen soll. Der kommende Elias wird der Vorläufer des "Kommenden" schlechthin sein , der
Bote des in Macht kommenden Christus. Somit wird auch durch das Kommen Elias die Wiederherstellung gewisser­maßen signalisiert und auch begonnen werden.


DIE WIEDERHERSTELLUNG ISRAELS -EINE LEHRE DES ALTEN TESTAMENTES

Mit der Zeit bis zur Wiederherstellung aller Dinge finden wir in Apg.3,21 die Zeitspanne aus Apg.l,7 wieder: Der Heilige Geist, eigentlich ein "messianisches
Phänomen", war gegenwärtig, der Herr aber und Israels Reich gewissermaßen im Himmel verborgen bis... Er einst in großer Macht und Herrlichkeit wiederkommen wird!
Immer wieder stoßen wir in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte auf Zeitangaben, die letzten Endes in die messianische Zeit "verlegt" werden (vgl. chronö , chronous, chronön in Apg. 1,6+7; 3,21;). Petrus definiert die Wiederherstellung aller Dinge übrigens im streng
alttestamentlichen Sinn: "...von welchen Gott durch den Mund seiner heiligen Propheten von jeher geredet hat." Apg.3,21.
Das AT redet jedoch, wie wir bereits gesehen haben, immer von einer nationalen Zukunft Israels im messiani­schen Reich. So schon in Jes.1,26:
"...und ich werde deine Richter wiederherstellen (9) wie zuerst, und deine Räte wie im Anfang. Danach wird man dich nennen: Stadt der Gerechtigkeit, treue Stadt..."
Ebenso z.B. in Hes.38,8; Nahum 2,2; in beiden Stellen ist die Wiederherstellung eng verknüpft mit der Wieder­bringung aller Stämme Israels. Man vgl. dazu auch Jes .49,6, das im späteren Judentum mit "wiederherstel­len" wiedergegeben wurde (Sirach 48,10). Bei allem ist die Wiederherstellung letzten Endes das Ergebnis messia­nischen Wirkens (Jes.1,26; Apg.1,6). Was allerdings den
Messias selbst angeht, so war er schon zu "Lebzeiten" in
greifbarer Nähe (Lk.17), und auch aus Petrus' Perspektive
als auferweckter Christus, sitzend zur Rechten Gottes, dem Volk verordnet (Apg.3,22-26). Dort muß er freilich bleiben bis... Von dort erwarten auch wir Ihn (Phil.3,20), um mit Ihm in Herrlichkeit zu erscheinen (Ko1.3,4). Dann wird Jahwe "groß sein in Zion, und hoch über alle Völker" (Ps.99,2).

Nachtext

Quellenangaben

 

(1) Vgl.außer den hier besprochenen Stellen z.13.:
Lk. 11,2: ("Dein Reich komme") - Lk. 11,20: ("...ist zu euch hingekommen")
Lk. 12,13 ("Wer hat mich zum Richter gesetzt..? - Lk. 12.49 (..."Feuer anzuzünden..."); 12,54ff.
Lk. 13,18-21 (Das Reich in seiner jetzigen, sich selbst überlassenen Form.)
Lk. 13,20-30 (Das Reich hat eine noch zukünftige Dimension.) Lk. 19,9 ("Heute ist diesem Haus Heil widerfahren") -
Lk. 19,11 ("sie meinten, daß es alsbald...")

(2) Bauer-Aland zitiert verschiedene Belege, in denen "entos auton" in diesem Sinne gebraucht wird ("unter ihnen", "in ihrer Mitte"). Darüberhinaus hat entos c.Gen. auch die Bedeutung "in
Reichweite von"; vgl. einige bei Lidell-Scott zitierte Belege: "entos toxeumatos", in Reichweite des Schusses
"oud'entos pollou plesiazein", nicht in großer Entfernung "entos auton", (bei Truppen:) in ihren eigenen Reihen.
Zum generellen Kontext des Reiches Gottes ist zu beachten, daß man sehr wohl in das Reich Gottes eingehen kann, aber nirgends in den Evangelien redet der Herr davon, daß das Reich Gottes in uns eingeht. Vgl. Marshall, "The Gospel of Luke", S. 655. "Das Reich Gottes ist mitten unter euch" kann also nicht bedeuten, daß es in unserm Herzen ist.

(3) Griech. "en chrono touto", d.h. in der unmittelbar vor ihnen liegenden Zeit; mit anderen Worten: "Stellst du in der unmittelbar vor uns stehenden Zeit, in welcher der Heilige Geist ausgegossen wird, dem Israel das Reich wieder her?". Vgl. diesen Gebrauch (mit "kairos") in Mk. 18,30; Luk. 12,56; 18,30. Besonders letztere Stelle zeigt den Kontrast der "kairos houtos" zu dem kommenden Zeitalter. Auch die alten Übersetzungen (lateinische, syrische) haben das
Demonstrativum (...dieser Zeit...) als unmittelbar vor Augen aufgefaßt und übersetzt.


(4) "touto estin" ist kein Gleichheitszeichen, sondern eine formelhafte Wendung zur Interpretation eines Sachverhaltes, so z.B. auch in Hebr. 13,15; vgl. Siebenthal, Grammatik, 263f. Abgesehen davon ist die Redewendung "touto estin" im Judentum allgemein üblich gewesen, um eine Interpretation einer Bibelstelle einzuleiten, nicht, um die Erffillung derselben anzuzeigen. So leitet selbst Paulus in Röm. 10,6-8 drei Zitate aus dem AT mit "tout'estin" ein, in denen er den Gegenstand der Argumentation in 5. Mose 30, nämlich das Gesetz, in Beziehung zu Christus bringt, da das Gesetz das Ziel, die letzte Erfüllung und seinen Abschluß ("telos" in V.4) in Christus findet. In den Qumran-Schriflen findet man z.B. das hebr. "hi'ah" als Einleitung eines Kommentars zu einem bestimmten Bibelvers; vgl. IQS VIII,15, wo es zu Jesaja 40,3 heißt: "Dies ist das Studium des Gesetzes...". Diese Ausleger vergewaltigen natürlich, ganz anders wie Paulus oder Petrus, skrupellos alttestamentliehe Texte; die Redewendung "Dies ist's" hatte jedoch in Qumram grundsätzlich den gleichen Sinn wie hier in Apg. 2. Auch die syrischen Kirchenväter haben in entsprechender Weise ihre Kommentare eingeleitet, nämlich mit der Forrnula "haj d" - "dies (Schriftzitat) bedeutet...", was wiederum in den syrischen Übersetzungen genau an dieser Stelle (Apg. 2,16) vorkommt. Allerdings ist zu beachten, daß Petrus hier nicht einen Bibeltext auslegt oder als erfüllt darlegt, sondern die Bedeutung des gerade geschehenen Zeichens für Israel mittels eines Bibelzitates darlegt (s.u.).

(5) Petrus fügt in den Text von Joel u.a. das "spricht Gott" ein, das weder im hebr. Text noch in der LXX zu finden ist und so das Joel-Zitat als eine unmittelbare Rede an Sein Volk darstellt.

(6) Eine den Juden durchaus bekannte Methode. Das alttestamentliehe Zitat wird quasi "targumisiert", d.h., der gerade vorliegenden Realität angepaßt. So wurde z.B. auch das Zitat aus Micha 5,1 in Math. 2,6 "targumisiert", indem der Name Ephratah als ein Synonym für das Bethlehem im Land Juda genommen wird (um es vom Bethlehem in Zebulon zu unterscheiden, Jos. 19,15). Dieses "Anpassen" geschieht in den Schriften des NT natürlich unter Inspiration des Heiligen Geistes. Vgl. z.B. auch Hebr. 10,5-7 mit Ps. 40,7-9.

(7) Es ist ganz falsch, die Wiederherstellung aller Dinge als Aufgabe der Christen zu deklarieren. Man darf hier nicht hineinlesen: Welchen freilich der Himmel aufnehmen muß, bis wir alle Dinge wiederhergestellt haben...
Das würde bedeuten, daß die "Wiederherstellung' in V.21 ("apokatastasis") einen bereits erreichten Zustand beschreibt, als sei die Wiederherstellung mit der Wiederkunft Jesu bzw. kurz davor schon vollendet. Aber in der griech. Sprache kennzeichnet das Suffix "-sis" ein "nomen actionis", ein Substantiv, das eine Handlung umschreibt. Vgl. Robertson, Grammar, S. 151;
Moulton, Grammar of NT Greek 1L S. 373. Wenn Christus wiederkommt, wird die Wiederherstellung, die durch Elia begonnen wurde, in noch weit größerem Ausmaß fortgeführt werden!

(8) Vgl. dazu die verschiedenen griech. Grammatiken:
Moulton beobachtete, daß das futurische Präsens sich vom Futurum hauptsächlich "durch den Ton der angegebenen Versicherung unterscheidet" (Einleitung, 196). Turner bemerkt, durch das Präsens futurum würden "unbedingte Zusicherungen gegeben, die durch ihren lebendigen und realistischen Unterton oder durch den Gedanken an eine unmittelbar bevorstehende Erfüllung die Aufmerksamkeit des Lesenden erregen..." (Moulton III, 63). Robertson nennt dieses Futur hier in Matth.
17,11 "das dramatische oder prophetische" (Grammar, 869). "Vor allem bei 'erchorrtai' (wie eben hier an unserer Stelle)...tritt gern das lebhaft vergegenwärtigende Präsens für das Futurum
ein" (Blass-Debrunner, 323). Vgl. ebenso Siebenthal, 197c.

(9) Daß der griech. Text der Septuaginta (LXX) hier nicht den gleichen Wortlaut ("apokathistemi") wie in Apg. 1,6 (bzw. Matth. 17) hat, sollte nicht verwundern, denn die LXX übersetzt mit der syrischen Übersetzung (falsch): "...und ich werde deine Räte einsetzen wie am Anfang" (vgl. die Anm. in der fhlrew University Bible). Die Vulgata übersetzt dagegen ganz richtig: "et restituam iudices tuos ut fuerunt prius", vg. dazu Apg. 1,: "Domine si in tempore hoc restitues regnum lsrahel?".