Zeitschrift-Artikel: Gottes Gnade im Gericht

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Titel: Gottes Gnade im Gericht
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

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Titel

Gottes Gnade im Gericht

Vortext

Text

Honduras und der Hurrikan >Mitch<


Für Grant Ferrer — ein langjähriger Mis­sionar in Honduras — haben diese Psalm­worte als Betroffener der Unwetter-Kata­strophe eine neue Bedeutung und Eindrücklichkeit bekommen.
Gott hat durch dieses Unwetter so deut­lich geredet, daß für einige Wochen dieses kleine Land in Mittelamerika weltweit in den Mittelpunkt des öffentlichen Interes­ses gerückt ist.
Nicht nur Politiker und humanitäre Hilfsorganisationen wurden in Amerika und Europa aktiv, sondern Christen in al­ler Welt begannen für dieses Land und sei­ne Bewohner zu beten und Wege für prak­tische Hilfe zu suchen.
Sechs Tage wütete Orkan >Mitch< in Honduras und Nicaragua. Doch nicht der Orkan sorgte für die größte Verwüstung, sondern die anhaltenden Regengüsse, die das schöne Land in wenigen Stunden in eine Wasserwüste verwandelten.
Am 26.10.1998 erreichte Hurrikan >Mitch< die Nordküste Honduras mit einer Geschwindigkeit von ca. 250km pro Stun­de. In Mexiko hatte man den Hurrikan er­wartet und sich entsprechend vorbereitet, während Honduras von dem Unwetter überrascht wurde.
Von der Haupstadt Tegucigalpa, die sich im Süden des Landes über 1.000m hoch in den Bergen befindet und wo man bisher noch nie einen Hurrikan erlebt hatte und sich daher völlig sicher fühlte, hatte man sofort alle Bergungs- und Räumgeräte an die Nordküste geschickt. Aber das Unglaubliche trat ein: Am 30.10.1998 erreichte ›Mitch< Tegucigalpa und an diesem Tag goß es derart in Strömen, daß die Wasser­menge, die sich sonst in einem Jahr über Honduras ent­lädt, an diesem einen Tag über Tegucigalpa hereinbrach.
Die Folgen sind für eine europäische Phantasie kaum vorstellbar: Selbst kleine Rinsale entwickelten sich in kürzester Zeit zu reißenden Strömen, die ins Tal sürzten. Riesige Berghänge lösten sich und unvor­stellbar große Schlamm- und Geröllmassen begruben Häuser, Menschen und Vieh wie eine Lawine. Die Flüsse im Tal wurden von den herabstürzenden Erdmassen gefüllt, so daß sich teilweise das Wasser bis zu ei­ner Höhe von 15 Metern staute oder sich neue Wege suchte und dabei ganze Dörfer mitriß. Die entwurzelten Bäume wurden auf den reißenden Strömen zu Raketen, die mit ihrer Wucht Häuser und etwa 70 Brücken zerstörten.
Etwa zehn Prozent der Bevölkerung wurde obdachlos, über 10.000 Menschen kamen in den Fluten oder im Schlamm um, davon allein ca.3.000 in Tegucigalpa, wo man wegen der Seuchengefahr Massen­gräber aushob.
Da man in der Haupstadt alle großen Geräte an die Küstenregion geschickt hatte und diese wegen der zerstörten Straßen und Brücken nicht zurück gesandt werden konnten, entstand ein totales Chaos. Kein Strom, kein Leitungswasser, keine Kom­munikation — für viele Dörfer und Stadttei­le war jede Verbindung zur Außenwelt ab­geschnitten.


Zwei Monate danach

Im Januar dieses Jahres konnten wir ei­nen Besuch in Honduras machen, um an Ort und Stelle einen Eindruck von der Zerstörung zu bekommen und auch um die finanziellen Gaben von Gemeinden, Missionswerken und Einzelpersonen zu übergeben. Mit dem Missionar Grant Ferrer fuhren wir von Tegucigalpa nach Tela an die Nordküste und bekamen daher einen guten Überblick über die Auswir­kungen der Katastrophe. Über teilweise eingeknickte Brücken, provisorische Stra­ßen und unvorstellbare Schlamm- und Geröllmengen konnten wir Gebiete aufsu­chen, wo unsere Glaubensgeschwister be­sonders betroffen waren. Die Verwüstung, die wir sahen und die Berichte, die wir hörten, übertrafen alles, was wir bisher aus den Medien erfahren hatten.
In einem Dorf bei El Progresso, daß am Fuß der Berge liegt, hörten die Bewoh­ner plötzlich einen furchtbaren Knall und ein gewaltiges Grollen. Instinktiv flüchte­ten sie in letzter Minute auf einen erhöhten Hügel und mußten von dort aus mit anse­hen, wie ihre Häuser von den Wassermas­sen weggespült, oder von der Schlamm­lawine zugeschüttet wurden.
Etwa 15 Familien aus der dortigen Ge­meinde haben nichts als das eigene Leben retten können. Unvergesslich das Bild ei­nes Ehepaares mit 7 Kindern, die nach dem Verlust ihrer Habe in einer Hütte wohnen, die nicht einmal diesen Namen verdient.
Das Inventar: ein altes Holzbett, eine Hän­gematte für das kleinste Kind, alle anderen schlafen auf dem Erdboden. Kein Tisch, kein Regal, kein Schrank, keine Toilette, kein Essgeschirr. Das Essen und Medika­mente bekommen sie in der Versammlung, wo man eine Notküche eingerichtet hat. Dieses Bild bitterster Armut bleibt unaus­löschlich eingeprägt.

Wir haben viele erschütternde und wunderbare Geschichten gehört. Ein Bei­spiel für viele: In El Tigere befanden sich 50 Christen unter den 500 Personen, die sich auf einen Wall retten konnten, als die Was­sermassen kamen. Dort harrten sie im Ver­trauen auf Gottes Hilfe drei Tage ohne Es­sen, ohne Schlaf, ohne Verbindung zur Außenwelt aus, bis Hub­schrauber Hilfe brachten.


Die Reaktion der Gemeinden

Die praktische Hilfe der Gemeinden untereinander war und ist vorbildlich. Versammlungen, die von dem Unglück verschont blieben, schickten oft auf abenteuerlichen Wegen Nahrungsmittel in die zer­störten Gebiete und nah­men Obdachlose in ihre Gemeindehäuser auf. Die­se Häuser wurden dann auch als Zentralküche, Kleiderlager und für erste medizinische Hilfe einge­setzt. Dadurch konnten auch viele betroffene Au­ßenstehende die praktische Hilfe und Liebe von Christen erfahren.
Es ist ermutigend zu sehen, daß die Christen diese Situation vor allem nutzen, um die vorhandenen Hilfsgüter an Un­gläubige weiterzugeben und die dadurch entstandenen Kontakte für die Verkündi­gung der frohen Botschaft zu nutzen. So fahren einige Gruppen gezielt in solche Notgebiete, wo es keine Gemeinden gibt, um den Menschen dort Kleidung, Lebens­mittel, Medikamente und Neue Testamen­te zu bringen und um damit eine Voraus­setzung für spätere Evangelisationen zu schaffen.

Sobald die Verkehrswege wieder be­nutzbar waren, kam auch Hilfe aus dem Ausland. Viele Christen aus den USA, Me­xiko, Canada, Argentinien usw. starteten Hilfsaktionen, über die man teilweise aller­dings auch nur staunen kann. So hörten Christen in den USA von den Wasser­problemen in Tegucigalpa und schickten per Luftfracht(!) palettenweise Plastik­behälter mit Trinkwasser, was völlig über­flüssig war. Andere meinten es gut und schickten Dosenfleisch, Erdnussbutter usw., was einfache Honduraner entweder nicht kennen, oder nicht verarbeiten kön­nen. Die einfachste, billigste und beste Hil­fe wäre gewesen, Reis, Bohnen und Milch­pulver zu senden. Auch Saatgut wäre wichtig, weil die Ernte in diesem Jahr weit­hin ausfallen wird.
Inzwischen sind alle Lebensmittel im Land reichlich vorhanden und gegen Geld zu kaufen.
Erstaunlich ist, daß die Honduraner, die eigentlich auf Grund ihrer Mentalität zur Trägheit und Resignation neigen, den Mut nicht verloren haben, sondern mit Fleiß und ein wenig Hoffnung den Neuan­fang wagen. Allgemein ist ein Bewusstsein dafür vorhanden, daß Gott geredet hat und daß irdische Werte über Nacht verschwinden können. Es wer­den keine geballten Fäuste zum Himmel gestreckt, sondern selbst in den Medien fragte man, mit welcher Absicht Gott dieses Unwetter zugelassen hat.

Es gibt natürlich auch übereifrige Evangelikale und Charismatiker, wel­che die Antwort bereits parat haben und lautstark verkündigen: Schuld daran sind die Katholiken, die wenige Wochen vorher in Tegucigalpa eine riesige, von weitem zu sehende Madonnen-Figur auf­gestellt haben. Im Gegenzug erklären die Katholiken: Schuld an der Katastrophe ist die Tatsache, daß die Regierung es zugelas­sen hat, daß evangelikale >Sekten< neben der Katholischen Kirche in Honduras ge­duldet werden und deshalb Gottes Gericht herausgefordert wurde.


»Die aufbauende Zerstörung rettet Honduras«

Diese Schlagzeile, ein Zitat des Direk­tors der Staatsbank, war am Tag unserer Abreise in der Zeitung zu lesen. Das scheint wirtschaftlich tatsächlich der Fall zu sein. Der Schuldenerlaß, die finanzielle Hilfe aus dem Ausland, ermöglichen Honduras einen Neuanfang, der dahin führen kann, daß es dem Land in etwa drei Jahren besser geht, als vor dem 26.10.1998.
Viel wichtiger scheint uns allerdings zu sein, daß in weiten Teilen der Bevölkerung ein neues Fragen nach Ewigkeitswerten entstanden ist. Vielleicht erlebt Honduras zur Zeit eine Gnadenstunde, bevor mögli­cherweise eine wirtschaftliche Erholung und damit eine materialistische Lebenshal­tung Einzug hält.
Beten wir und helfen praktisch mit, daß die Stimme Gottes in den kommenden Monaten von vielen Honduranern gehört und verstanden wird und viele Christen ermutigt werden, ihr Leben für die Ver­breitung des Evangeliums in diesem Land und in den angrenzenden Ländern einzu‑
setzen.
Die etwa 250 Gemeinden (>Sala Evangeli­ca<) in diesem Land, mit de­nen wir uns be­sonders ver­bunden wissen und die in den vergangenen Monaten an ihr 100jähriges Bestehen dachten, haben keine Zeit, zurückzuschauen und auszuru­hen, sondern stehen vor gewaltigen Herausforderungen und einmaligen Gelegen­heiten, das Evangelium in Wort und Tat zu predigen und damit Sprachrohr der Stim­me Gottes zu sein.


Nachtext

Nachtrag:
Inzwischen sind noch eine Anzahl weiterer Spenden für Hon­duras und Nicaragua eingetroffen und wir sind dem Herrn sehr dankbar für die unerwartet große Anteilnahme der „Fest und treu"-Leser. So weit wir die Absender der Spenden entziffern konnten (bitte in Zukunft auf vollständige Adressen achten!), haben wir den Eingang bestätigt. Es sind aber auch einige teil­weise recht hohe Spenden ohne Absenderangabe eingegangen und wir möchten im Namen der Geschwister in Lateinamerika auch allen anonymen Spendern ganz herzlich für die große Hilfe danken!
Anfang März werden wir einen weiteren Besuch in Honduras machen, um dort einige Konferenzen abzuhalten, Gemeinden zu besuchen und die anvertrauten Gaben weiterzugeben.
Mit dem Geld soll vor allem den Familien geholfen werden, die alles verloren haben. Aber auch die evangelistischen Einsätze mit Lebensmittel- und Literaturverteilung möchten wir unter­stützen, wie auch die Reparatur und den Neuaufbau von Versammlungshäusern, Freizeit- und Konferenzhäusern, sowie die Missionsarbeit unter den Garifunas.
Bitte betet dafür, daß die Geschwister in Honduras durch den Besuch ermutigt werden auf den Herrn zu vertrauen und für Ihn zu leben.
W. Bühne

Quellenangaben