Zeitschrift-Artikel: Kuba - zwei Tagesl

Zeitschrift: 141 (zur Zeitschrift)
Titel: Kuba - zwei Tagesl
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 3183

Titel

Kuba - zwei Tagesl

Vortext

Text

Als wir am 27.02. diesen Jahres von Honduras kommend in Havanna aus dem Flugzeug stiegen, war uns bewusst, dass uns möglicherweise am Zoll einige Unannehmlichkeiten bevorstehen könnten.
Mit über 80kg Gepäck – darunter auch ein Beamer, über 50 Tuben Zahnpasta, einige Kilo Michpulver, eine Unmenge von Teebeuteln, Kaffee, Medikamente, Toner und einiges an wichtiger christlicher Literatur – würden wir vielleicht nicht ungeschoren das Land betreten können. Aber sowohl in der Heimat als auch in Honduras wurde intensiv für uns gebetet und so wussten wir uns unter dem
„Schirm des Höchsten“ und waren gespannt, was uns erwarten würde.
Wir hatten gehört, dass es seit Monaten in Kuba keine Zahnpasta mehr zu kaufen gab – der einzige Hersteller dafür hätte angeblich den Betrieb eingestellt. Ebenso gäbe es schon lange
keine Milch mehr zu kaufen – daher also unser etwas ungewöhnliches Reisegepäck. Verwirrend
war allerdings, in den folgenden Tagen jede Menge Kühe auf den Wiesen und am Straßenrand
beobachten zu können …
Obwohl in meinen beiden schweren Koffern plus Handgepäck die meisten Utensilien verstaut waren, wurde ich mit meinem Gepäck gnädigerweise durchgewunken. Das war wirklich Gnade
Gottes, da ich mich weder in spanischer, noch in englischer Sprache verständigen kann.
Mein Freund und Übersetzer Michael dagegen – Student der spanischen Sprache – wurde „gefilzt“, obwohl er „nur“ einen schweren Koffer
und im Handgepäck den Beamer hatte. Dieser wurde nicht beanstandet, die Bücher nur oberflächlich durchgeblättert, aber die Zahnpasta und vor allem die etwa 2kg eingeschweißte Butter schienen sehr gefährlich zu sein! Wurden auf diese Weise Drogen, Krankheitserreger oder
irgendwelche gefährlichen Kampfstoffe der Imperialisten in das „kommunistische Paradies“
geschmuggelt?
Nachdem diese Artikel mehrfach durchleuchtet worden waren, kam dann Michael etwas genervt, aber mit allem Gepäck und mit ca. 45 Minuten Verspätung zu unserer Erleichterung aus dem Zollbereich. Gott sei Dank – Er hat die vielen Gebete erhört!


Es gibt auch Erleichterungen …
Obwohl die marode wirtschaftliche Situation sich nicht positiv verändert hat, gibt es doch für
die Bevölkerung und für einreisende Besucher einige Erleichterungen. So kann man seit einigen
Monaten ein „Familien-Visum“ für zusätzlich ungefähr 40€ beantragen, mit dem man auch in
kubanischen Familien übernachten darf. Bisher war man gezwungen, als Ausländer nur in staatlich
genehmigten Hotels übernachten zu dürfen. Das war für uns eine große Erleichterung.
Auch sieht man neuerdings an den Straßenrändern überall kleine Bretterbuden oder Tische, wo Produkte wie Obst, Gemüse, Getränke, Pizza, belegtes Brot usw. verkauft werden darf. Das ist für die Kubaner eine wichtige Einkommensquelle, weil der Monatsverdienst als Arbeiter, Lehrer, Rechtsanwalt oder was auch immer nach dem Motto der „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ generell nur ca. 15-20€ beträgt. Daher versucht sich auch jeder durch einen kleinen
Nebenerwerb über Wasser zu halten.
Allerdings hat dieser Umstand u.a. auch zur Folge, dass sich immer weniger junge Leute für das Studium an der Universität interessieren, weil man mit ein paar Schweinen, ein wenig Ackerland oder ähnlichem mehr Geld verdienen kann als z.B. ein Arzt in seinem Beruf.
Illegalität, die zur Norm wird … „Wir haben uns so sehr an verbotenen Handel und illegale Praktiken gewöhnt, dass wir auch als Christen darin kein Unrecht mehr sehen.
Wir können einfach anders nicht überleben …“ – sagte uns ein geschätzter Freund, der dem Herrn vollzeitig als Bibellehrer und Evangelist in Kuba dient.
Das sieht so aus:
Da es pro Person pro Tag nur ein Milchbrötchen auf Bezugsschein gibt, blüht der Schwarzhandel auch unter den Christen. So gab es in dem Dorf, wo wir zu Gast waren, täglich eine Anzahl „illegaler“ Brötchen zu kaufen, die von einem Christen gebacken wurden. Natürlich hatte dieser das Mehl für die Produktion nicht gestohlen sondern ehrlich bezahlt – allerdings
bei einem Hehler, der durch Diebstahl an das staatliche Mehl gekommen war …
Ähnlich wird so auch mit anderen Produkten wie Kaffee, Benzin usw. „gehandelt“. Da selbst auch die Polizei teilweise an diesem „Handel“ beteiligt ist, verschwindet auch bei den Christen immer mehr ein Bewußtsein für Recht und Unrecht.


Die Kehrseite der Medaille …
Fairerweise muss man aber auch bedenken, dass in Kuba eine Familie mit zwei Kindern mit etwa 125€ monatlich überleben kann – wenn sie keine großen Ansprüche stellt. Die Miete beträgt je nach Größe und Anzahl der Räume monatlich etwa 10-15€. Dazu kommt der Strom mit etwa 5-8€. Reis, Bohnen und Nudeln kosten nur ein paar Cent, der Arztbesuch ist kostenlos und auch die Medikamente, die im Land hergestellt werden, sind äußerst billig. Das Brötchen auf Bezugsschein kostet nur ca. 2 Cent, eine Stange Weißbrot kann man illegal für 4 Cent kaufen.
Allerdings muss man für ein Kilo Kaffee ca. 14€ bezahlen, obwohl Kaffee im Land selbst angebaut wird und auch Benzin kostet pro Liter 80 Cent – also mehr als einen Tageslohn.
Dadurch wird deutlich, dass trotz der billigen Grundversorgung kaum ein Kubaner ohne illegalen
Verdienst oder ohne Hilfe aus dem Ausland überleben kann.
Milch gab es tatsächlich nicht zu kaufen und Butter oder Margarine als Brotaufstrich kennt man hier nicht – dafür nimmt man Majonaise.
Wer beim Arzt eine gute Behandlung bekommen möchte, bringt ein paar Kartoffeln oder ein Stück Seife mit – so wäscht eine Hand die andere …


Die geistliche Situation im Land
Auch wenn wir schon seit über 15 Jahren mehr oder weniger regelmäßig das Land besuchen und viele Christen und Gemeinden verschiedenster Prägung kennengelernt haben, haben
wir natürlich nur einen begrenzten Einblick. Aber klar ist, dass sich keine Gemeinde ohne
staatliche Registrierung versammeln darf. Jede Gemeinderichtung wird durch einige gewählte „Repräsentanten“ vor dem Staat vertreten, die dann natürlich Macht und Einfluss auf die
Gemeinden haben – auch was Kontakte, Besucher, Geld und Hilfsmittel aus dem Ausland
betrifft. Auch Gebäude und Autos der registrierten Gemeinde haben besondere Vergünstigungen – so sind z.B. PKWs und Lastwagen der registrierten Gemeinden mit einem besonderen farblichen Kennzeichen ausgestattet, womit Steuervergünstigungen und günstigere Benzinpreise verbunden sind.
Diese „Repräsentanten“ haben aber auch einen gewissen Einfluss auf die christliche Literatur, die u.U. aus dem Ausland bezogen werden darf und ebenso auf die Verteilung dieser Bücher, Kalender usw. Wenn nun diese „Repräsentanten“ gottesfürchtige, geistliche Männer sind, können sie sehr zum Segen sein. Da aber Machtmissbrauch und Korruption auch vor Christen keinen Halt
macht, können diese Männer das geistliche Leben der Gemeinden auch sehr negativ beeinflussen, um sich selbst Vorteile zu schaffen.
So haben sie auch die Autorität, unbequeme Personen oder nicht „linientreue“ Gemeinden auszuschließen und so in die „Illegalität“ zu verbannen.


Streit unter „Brüdern“ …
Leider wurden wir Zeugen davon, dass genau das in den sog. „Brüderversammlungen“ in den letzten Monaten geschah. Zahlreiche Geschwister und auch Gemeinden wurden unter dem
Vorwand der „Bewahrung der reinen Lehre“ unter Druck gesetzt und teilweise ausgeschlossen,
so dass sich nun viele Geschwister, die sich in ihrem Gewissen dem Wort Gottes verpflichtet fühlen, illegal versammeln müssen und in Gefahr stehen, jederzeit angezeigt und bestraft werden zu können. Der Widerstand kommt allerdings selten vom Staat, sondern meist von Seiten der „registrierten“ Autoritäten.
Ein Beispiel: Vor einigen Wochen durften etwa 5.000 Ex. des geschätzten und beliebten
Kalenders „Die gute Saat“ („La Buena Semilla“) durch die Schweizer „Mission ohne Grenzen“
eingeführt werden. Gelagert wurden diese Kalender aber bei einem „Repräsentanten“ der
Versammlungen, der dann – menschlich verständlich – nur die ihm genehmen, „registrierten“
Gemeinden mit den Kalendern versorgte und somit die „Illegalen“ vergeblich auf ihre bisher übliche Ration warteten.
Da uns aus dem Ausland der Ruf als „extreme, unbelehrbare Fundamentalisten und Unruhestifter“ angedichtet worden war, hatte man zudem auch einen Grund gefunden, uns kein „religiöses Missionsvisum“ mehr auszustellen und so konnten wir zum ersten Mal in Kuba Sonntags nicht den Gottesdienst besuchen, weil wir sonst die „illegalen“ Geschwister in große Schwierigkeiten gebracht hätten.
Ob unsere Friedensbemühungen, mit beiden Seiten zu sprechen und auf Versöhnung zu drängen, Erfolg haben dürfen, wird die Zukunft zeigen. Allerdings bestehen – menschlich gesehen – wenig Aussichten. Bitte betet dafür!


Ermutigende Entwicklungen …
Ähnlich wie in Deutschland gibt es unter den Baptisten in Kuba liberale wie auch biblischkonservative Gemeinden. Beide Richtungen sind staatlich anerkannt, wobei dem konservativen Flügel auf den ersten Blick mehr Gemeinden anzugehören scheinen.
Eine dieser Gemeinden, zu der wir bisher keinen Kontakt hatten, hatte uns – durch verschiedene Umstände ausgelöst – zu einem Besuch eingeladen.
Morgens um 7:30 Uhr fuhren wir mit unserem Gastgeber in seinem 16 Jahre alten russischen
„Lada“ los, um nach etwa 5 Stunden die ca. 280km entfernte Stadt „Cruzes“ zu erreichen.
Beladen mit Beamer, Zahnpasta, Milchpulver, Kaffee, Schokolade usw. kamen wir dort an und erlebten eine überwältigende Gastfreundschaft
und Dankbarkeit. Aber auch ein Gemeindeleben, das uns fast wie ein gelebter Psalm 133 vorkam.
Eine selten erlebte Eintracht in der Leiterschaft dieser Gemeinde mit etwa 250 Geschwistern, eine gesunde, biblische Theologie, vielfältige Evangelisation verbunden mit originellen Einsätzen, in die viele junge und alte Schwestern und Brüder – je nach Begabung – eingebunden sind.
Der geistliche Vater dieser Aktionen ist „Wilfredo“, ein fast 70jähriger, agiler, humor- und ideenreicher Bruder mit einem warmen Herzen für Verlorene und Außenseiter der Gesellschaft, der
über den mitgebrachten Beamer wie ein kleines Kind in die Hände klatschte und vor Freude in die Luft sprang.
Er stellte uns die verschiedenen Teams vor:
• Schwestern, die als Putzkolonne „Martha und Maria“ in die Häuser der Nachbarn gehen, um zu putzen
• Frauen, welche sich anbieten, kostenlos und liebevoll die Finger- und Fußnägel ihrer Mitmenschen zu schneiden
• Geschwister, die sich um Behinderte kümmern und Hausbesuche bei Armen machen
• Solche, die Alkoholiker und Drogensüchtige betreuen und Gefängnisse besuchen
• Andere, die regelmäßig ein schön dekoriertes Festessen für die Ärmsten der Stadt durchführen
usw.
• Arbeit mit Kindern, Jugendarbeit, Altenarbeit, Bibelschule.
Alle diese Aktionen sind mit einer evangelistischen Andacht verbunden, so dass sehr viele Kontakte zu Nichtchristen entstehen, die sich so hoffentlich dem Evangelium öffnen.
Ziemlich beschämt haben wir dann am nächsten Tag unsere Rückreise angetreten: Mit ihren wenigen „Talenten“ und in bedrückenden Umständen „wuchern“ diese Geschwister für ihren Herrn im Dienst an ihren Nächsten …
Ein glaubwürdiges und hoffentlich „ansteckendes" Christsein!


Literatur-Arbeit
Kubaner lesen – wenn überhaupt – nur den Sportteil der Tageszeitung, um anschließend den politischen Rest als Toilettenpapier zu benutzen.
Da es in Kuba fast nur politische Literatur und absolut keine christlichen Bücher zu kaufen gibt und auch nur sehr schwer eingeführt werden können, werden von verschiedenen Brüdern in Verbindung mit den Gemeinden christliche Bücher in kleinen Auflagen illegal und unter erbärmlichen Umständen gedruckt und kostenlos verbreitet. Das geschieht zur Zeit mit Hilfe
der Spenden aus Deutschland und Österreich Diese Bücher werden natürlich außerordentlich
geschätzt und dankbar zur Evangelisation wie auch zur eigenen Erbauung eingesetzt.
Allerdings kann man mit diesen uralten Druckern keine gute Qualität erwarten, zumal die
gedruckten Seiten anschließend in Handarbeit geheftet werden müssen. Für Klebebindung sind
keine entsprechenden Geräte vorhanden.
An dieser Stelle möchten wir auch im Auftrag der Geschwister in Kuba einen herzlichen Dank allen Geschwistern und Gemeinden aussprechen, die durch ihre Gaben mitgeholfen haben, diese Drucke zu finanzieren.


Wie sieht die Zukunft Kubas aus?
In Deutschland angekommen erfuhren wir, dass Hugo Chávez, der Staatspräsident von Venezuela, gestorben ist. Er war der große Freund und Verbündete der Brüder Fiedel und Raúl Castro, der mit billigem Erdöl und anderen Hilfen Kuba über Wasser gehalten hat, seitdem die Russen sich in den 90er Jahren aus Kuba zurückgezogen haben.
Chávez hatte in den letzten Jahren vergeblich in Kuba Heilung von seinem Krebsleiden gesucht. Ob Venezuela unter dem neuen Präsidenten Kuba wie bisher finanzielle und politische Hilfe bieten wird, bleibt abzuwarten.
Kubaner sind von ihrer Prägung her eigentlich genügsam und fröhlich veranlagt, auch wenn die
im Tourismus angepriesene „Lebensfreude pur“ der Kubaner nur auf dem Papier zu sehen ist. Die meisten Menschen sind mittlerweile vom Existenzkampf und von der Armut gezeichnet. Ab
und zu sieht man auch ein lachendes Gesicht – aber in den meisten Gesichtern liest man Resignation oder Zukunftsangst. Kuba braucht dringend den Herrn Jesus Christus. Davon ist auch Wilfredo überzeugt, der uns zum Abschied das abgebildete Andenken mit den Worten „Kuba zu Christus“ mit auf den Weg gab.
Beten wir vermehrt dafür, dass sich im Land und in den Herzen der Kubaner die Türen für das
Evangelium weit öffnen!

Nachtext

Quellenangaben