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Zeitschrift: 142 (zur Zeitschrift)
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Typ: Artikel
Autor: Henry A. Ironside
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1825

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Vortext

Text

Als junger Prediger und erst kurz verheiratet lebte ich in der Vorstellung, dass ich mir als Prediger den Luxus gereizter Nerven leisten durfte.
Ich hatte schon bei anderen beobachtet, dass Prediger schon mal aus der Haut fahren, und hielt es für eine Gewohnheit, die ich mir auch erlauben konnte. Doch da musste ich noch eine Lektion lernen. Manchmal bedarf es einer Ehefrau, um in die Schranken gewiesen zu werden!
Ich predigte in San Francisco und hatte einen besonders vollen Tag.
Die erste Versammlung fand um 9.00 Uhr morgens statt. Um 11.00 Uhr nahm ich in einer anderen christlichen Versammlung am Abendmahl teil. Eine weitere Versammlung fand am Nachmittag statt und später noch eine, dann eine Freiversammlung und eine weitere im Saal. Insgesamt predigte ich fünf Mal.
Auf der Rückfahrt war ich sehr gereizt. Ich kauerte mich in eine Ecke des Abteils … und schwelgte in Gereiztheit. MeineFrau sagte etwas zu mir. Ich habe vergessen, was es war. Ich antwortete ihr in der Art eines Ehemannes, mit der so viele von uns vertraut sind!
Sie drehte sich zu mir um und sagte: „Was denkst du dir eigentlich dabei, wenn du mich so anfährst, und das nach einer Versammlung? Erst stehst du auf der Kanzel und siehst so heilig aus, dass man meinen könnte, du würdest keiner Fliege etwas zuleide tun, und dann fährst du mich auf dem Heimweg derart an. Ich habe dir nichts getan, womit ich das verdient hätte. Ich
habe dir nur eine Frage gestellt. Was würden deine Zuhörer jetzt von dir denken?“
Im Nu war ich gedemütigt. Ich sagte: „Liebling, es tut mir so leid, ich wollte dich nicht anfahren, aber weißt du, ich bin so erschöpft. Ich habe heute fünfmal gepredigt und meine Nerven sind am Ende.“
Meine Frau sagte: „Also, ich habe dir fünfmal zugehört, und ich bin genauso müde wie du. Wenn ich es schaffe, freundlich zu sein, kannst du das auch!“
Ich musste mich entschuldigen und lernte, meine schlechte Laune nicht an anderen auszulassen, mit der Ausrede, es seien die Nerven.“

Nachtext

Quellenangaben

Aus: William MacDonald: Seiner Spur folgen, Bielefeld: CLV, 2008, S. 131-132