Zeitschrift-Artikel: "Ich mag die Versammlungen"

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Titel: "Ich mag die Versammlungen"
Typ: Artikel
Autor: William MacDonald
Autor (Anmerkung):

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Titel

"Ich mag die Versammlungen"

Vortext

Verzeiht bitte, aber ich mag die Versammlungen einfach. Das scheint fast gegen die Kultur gerichtet zu sein, wenn man so etwas sagt. Vielmehr ist es im Augenblick "in", schlecht über sie zu reden - alle ihre Fehler und ihr Versagen hervorzuheben. Es gibt eine Menge Kritiker, die sich auf die Fehler der Versammlungen spezialisiert haben. Vielleicht ist es an der Zeit, daß mal jemand nach vorne tritt und sagt, was gut an ihnen ist. Ich möchte diese Person sein. Laßt mich Euch erzählen, warum ich sie mag.

Text

Brotbrechen

Ich schätze es, daß man jede Woche im Brotbrechen an den Herrn denkt. Seit 50 Jahren versuche ich, jeden Sonntag an den Herrn zu denken, wenn wir uns zum Brotbrechen versammeln, und nie hat es seine Anziehungskraft auf mich verloren. Eine Gemeindezusammenkunft, wo unser geliebter Herr allein die Attraktion und der zentrale Gegenstand der Anbetung ist, hat etwas besonderes an sich. Daher ist es kein Wunder, daß Leute, die eine "Versammlung" verlassen und sich einem anderen Gemeindetyp anschließen, ohne Ausnahme sagen "Ich vermisse die Anbetungsstunde". Es macht mich traurig, daß sie sie überhaupt verlassen haben.

Gebrauch der Geistesgaben

Die Versammlung hat sich mir lieb gemacht, weil dort Eph.4,12 verwirklicht wird wie nirgend sonst. Gaben sind gegeben worden, um die Heiligen für das Werk des Dienstes aufzuerbauen. Ich habe unzählige Männer gesehen, die zu dem Punkt hin gereift sind, wo sie das Evangelium mit überführender Kraft gepredigt haben. Ich habe "hausbackene" Männer gesehen, die den Herzen der Kinder Gottes gedient haben und nicht nur ihren Köpfen. Ich habe hingegebene Frauen gesehen, die Erfüllung gefunden haben, nicht allein darin, daß sie Söhne und Töchter für Gott aufgezogen haben, sondern auch darin, daß sie andere Frauen und Kinder gelehrt haben, die mit ihren Ehemännern zusammengearbeitet haben, indem sie sie in ihrem Dienst unterstützten, Frauen, welche die Arbeit von Missionaren zuhause und im Ausland unterstützt haben, die Kranke und Angefochtene besucht haben und die Heiligen und Fremden die gleiche Gastfreundschaft entgegenbrachten. Ich habe gesehen, wie junge Männer in einer Art und Weise ermutigt wurden, ihre Gaben auszuüben, wie das in keiner Durchschnittsgemeinde passieren würde. Viele führende Evangelikale legen in Bezug auf Eph.4, 12 ein Lippenbekenntnis ab, und einige empfehlen sogar die Versammlungen wegen der Art und Weise, wie sie es praktizieren.

Allgemeines Priestertum

Eine der Herrlichkeiten der Versammlungen ist ihre standfeste Weigerung, eine gleichberechtigte Bruderschaft in Geistliche und Laien aufzuspalten. Daß man sich zu der Person Jesu Christi versammelt anstatt zu einem charismatischen Prediger ist sowohl im Prinzip als auch in der Praxis göttlich. Das Neue Testament lehrt eine Mehrzahl von Ältesten und nie einen Ein-Mann-Dienst. Aber Versammlungen, die das predigen und praktizieren, werden immer "Paradiesvögel" in der Christenheit sein. Es gibt ein bestimmtes Maß an Ablehnung, das der erfährt, der in einer Versammlung dieser Art ist und diejenigen, die zur Versammlung stehen tun gut daran, sich darauf einzustellen.

Allein dem Herrn verantwortlich

Die Tatsache gefällt mir, daß jede Versammlung allein dem Herrn verantwortlich ist. Es gibt kein Hauptquartier auf Erden, keine von Menschen eingesetzte Hierarchie, keine Organisation, die sich zwischen das Haupt und den Leib schiebt. Das verhindert, daß die Versammlungen vom Liberalismus, von falschen Lehren oder Diktaturen überrollt werden.

Umgang mit Geld

Die "Finanzpolitik'' der Versammlungen ist empfehlenswert. Es ist außergewöhnlich, daß in den meisten Gemeinden nur ein Opfer oder eine Sammlung pro Woche ist. Und dennoch ist dieses eine Opfer, das ohne Fanfare oder Bettelaufruf eingesammelt wird, ausreichend, um die Ausgaben am Ort zu decken und dabei noch christliche Dienste zuhause und im Ausland zu unterstützen. Es war von jeher so, daß vollzeitliche Arbeiter allein vom Herrn ihren Lebensunterhalt erwartet haben, ohne ihre Nöte publik zu machen. Die Welt kann von den Versammlungen nicht sagen, was sie von der Christenheit im allgemeinen sagt: "Die Kirche will nur dein Geld."

Gemeindezucht

Ich schätze es, daß die Versammlungen bereit sind, gottgemäße Zucht zu üben, wenn sie notwendig ist, sogar dann, wenn sie durch diese Praxis ihre Chancen, je eine "Mega-Church" zu werden, verringern. Sie sind damit zufrieden, ihre Gemeinden nicht nach ihrer Größe sondern nach der Heiligkeit ihrer Mitglieder zu beurteilen.

Literatur

Der schriftstellerische Dienst der Versammlungen ist herausragend. Vielleicht war das ihr Hauptbeitrag zur evangelikalen Szene. Die Schriften von Darby, Kelly, Mackintosh, Vine und einer Menge anderer haben einen grundlegenden und segensreichen Einfluß in der ganzen Welt ausgeübt. Vor einigen Jahren hat der Bibliothekar einer christlichen Ausbildungsstätte versucht, eine Bibliographie der Schriftsteller aus der "Brüderbewegung" zu erstellen. Nach einiger Zeit hat er es aufgegeben, dieses Projekt je zu Ende zu bringen.

Mission

Auch muß die Missionsbewegung, die mit den Versammlungen verbunden ist, erwähnt werden. Es ist eine Bewegung, die in überhaupt keinem Verhältnis steht zu der Anzahl der örtlichen Gemeinden, die sie unterstützt.

Andere Leute haben andere Gründe, warum sie die Versammlungen mögen - einige sind sehr unerwartet. So sagte zum Beispiel eine Schwester, die in Gemeinschaft kam, nachdem sie jahrelang von einer Kirche zur anderen gewechselt hatte, daß sie froh sei, einer Gemeinde anzugehören, in der Männer die Leitung haben. So etwas hört man selten in unseren Tagen der Emanzipation.

Selbstkritik

Wahrscheinlich gibt es wenige Gruppen, die sich so sehr der Selbstkritik widmen wie die Versammlungen. Offen gesagt, meine ich, daß man es sehr übertreibt und dadurch Menschen, die leicht zu beeindrucken sind, unnötigerweise durcheinanderbringt, so daß sie sich abwenden. Kritik kommt am besten auf dem Rücken des Lobs an. Es ist Zeit, daß wir die beiden ausgewogen anwenden. Das vorhergehende heißt allerdings nicht, daß ich mit dem Status Quo zufrieden bin. Ich nehme zur Kenntnis, daß es Gebiete gibt, wo wir uns verbessern müssen, wie zum Beispiel evangelistische Arbeit und die Förderung von Leiterschaft in der Versammlung. Als jemand, dessen Hingabe an biblische Prinzipien unveränderlich ist, stelle ich fest, daß es von Zeit zu Zeit nötig ist, Methoden zu ändern. Ich stimme dem zu, daß einige unserer Leute, die jungen Leute eingeschlossen, berechtigte Anliegen haben und gehört werden müssen. Aber anstatt die Mannschaft abzulösen, die dabei ist, Schiffbruch zu erleiden, müssen wir unsere Segel setzen und die Probleme takeln. Gebt uns Leute, die uns zeigen, wie man eine konstruktive Arbeit macht, statt Schaukelstuhl-Generäle, welche die Versammlungen unterminieren oder ganz abspringen. Und diejenigen, die ihre Unterstützung von den Versammlungen erhalten, sollten ein Maß an Loyalität beweisen und jeden Anschein vermeiden, daß sie "die Hand beißen, die sie füttert".

Nachtext

Quellenangaben