Zeitschrift-Artikel: Missions-Eins

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Titel: Missions-Eins
Typ: Artikel
Autor: Uwe Brinkmann
Autor (Anmerkung):

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Titel

Missions-Eins

Vortext

Da saß ich nun also, besser: hing, am Steuer eines Fiat-Ducato-Busses mühsam die Augen aufhaltend um es doch nicht verhindern zu können, daß mein Kopf immer wieder am Lenkrad seinen ersehnten "Ruhepunkt" fand. Aber das nur für einige Minuten, bis sich die Schlange vor mir einige Meter bewegte und trainiertere Grenzgänger mein Nickerchen ohne Skrupel aus-
nutzten, um einige Meter, d.h. Minuten, zu gewinnen. Mit aufheulenden Motoren, ohne Rücksicht auf etwaigen Gegenverkehr, zogen schwere LKW's an uns vorbei und stellten sich in die entstandene Lücke. Jetzt hieß es schnell reagieren, damit nicht noch weitere Fahrzeuge nachzogen. Plötzlich war ich wieder hellwach und versuchte im Wettrennen mit den Verfolgern als erster an meinem Vordermann anzuschließen. Dreizehn Tage vor unserer Hochzeit stehe ich dann mit 26 anderen Geschwistern sieben Stunden - fast die ganze Nacht - irgendwo an der ungarisch-exjugoslawischen Grenze. Sonntagnachmittag erst erreichen wir unseren Stützpunkt in der Hauptstadt des Landes, dem unser ehrgeiziges Ziel gilt, 150.000 Gutscheine, 78.000 sprachlich überarbeitete Matthäus- und 20.000 Johannes-Evangelien, neben 12.000 Ethos- Sonderausgaben und Traktaten landesweit zu verteilen - Sofia! Während ich diese Zeilen schreibe, sind wieder 22 junge Christen aus Deutschland und Österreich in Fortsetzung unseres oben erwähnten Einsatzes in Bulgarien und Rumänien unterwegs, um den Menschen die gute Nachricht von Jesus Christus mittels Literatur- und Straßeneinsätzen, Haus-zu-Haus Besuchen u.a. weiterzusagen.

Text

Allgemeines

Die erste Fahrt fand vom 10. bis 19. April 1992 unter der Leitung von Alois Böck, München, statt. Bei dieser Reise wurden vor allem Städte am Rande des Landes (im Süden und Osten) bereist (vgl. die Karte) . Bei einer anschließenden Fahrt im Mai des Jahres ging die Reise mehr in die kleineren Städte in der Mitte des Landes. Diesmal (vom 15.-29. August) ist das Ziel, nach einem Einsatz an der rumänischen Schwarzmeerküste (in der Umgebung von Constanze, zur Unterstützung einer kleinen Gemeinde dort), den Rest der Zeit wieder die Türken im Süden des Landes zu erreichen. Diese Reise läuft unter Leitung von Uwe und Gerd Müller, die mittlerweile erprobte Ostfahrer sind.

Die Situation des Landes

Die knapp 9 Millionen Einwohner sind zum größten Teil Slawen (ca. 80%). Es gibt eine bedeutsame türkische Minderheit (ca. 10%), sowie neben anderen ethnischen Minderheiten viele Sinti und Roma (ca. 5%). Die wirtschaftliche Situation ist verheerend.

Ökonomisch gibt es für dieses Land auf lange Sicht keine Hoffnung. Einzig persönlicher Handel (auf der Straße) und westliche Konsumgüter florieren. Es ist völlig unverständlich, wie sich die Menschen entsprechende Kleidung etc. überhaupt leisten können, wenn einem der durchschnittliche Verdienst und Warenpreis bekannt ist. Viele von ihnen waren wesentlich moderner gekleidet als wir ... Namentlich die jüngere Generation ist völlig kritiklos an "RTL-Plus" orientiert! Schon jetzt bewirkt der Materialismus bei vielen Gleichgültigkeit gegenüber dem Evangelium!

Religiös ist das Land stark von der bulgarisch- orthodoxen Kirche geprägt (60%). Etwa ein Viertel der Bulgaren sind Atheisten (25%) . Die türkische Bevölkerung - ein Überbleibsel aus 500 Jahren türkischer Herrschaft (1396-1878) - bekennt sich zum Islam (10%). Gott sei Dank gibt es hier eine große Zahl wiedergeborener Christen (man spricht von bis zu 10.000!). Hier liegt missionsstrategisch die besondere Bedeutung Bulgariens. Wenn man sich vorstellt, daß nur 10% von ihnen in die Türkei gingen, von den türkischsprachigen Stämmen Zentralasiens ganz zu schweigen! Bibeltreues Christentum / Evangelium war bis vor kurzem kaum bekannt. In "Gebet für die Welt" (Ausgabe von 1987) wird die Anzahl der Evangelikalen mit 0,54% der Bevölkerung angegeben. Die größte Gruppe bildeten seinerzeit die Pfingstler mit 14.000 Gliedern, und auch auf unserer Reise haben wir nur Charismatiker getroffen - Reinhard Bonnke war in aller Munde ...

Die Situation der Gemeinde in Sofia

Die Gemeindearbeit in Sofia ist eine junge, missionarische Arbeit. Sdravko (gebürtiger Bulgare; ursprünglich aus Ried im Innkreis) arbeitet seit ca. einem Jahr vollzeitlich in der Hauptstadt Bulgariens. Es sind einige missionarische Hauskreise entstanden. Für die weitere Entwicklung ist es wichtig, daß die junge Gemeinde neben äußerem auch inneres Wachstum erfährt. Eine weitere wesentliche Aufgabe ist auch der Aufbau eines evangelikalen Verlages, der gerade am Beginn seiner Tätigkeit steht. Auf den von uns verteilten Gutscheinen (150.000) konnte "Jesus unser Schicksal", "Wenn Tiere reden könnten" und "Training im Christentum 1" bestellt werden. Außerdem konnte die Zeitschrift "fest und treu" abonniert werden. In Aufmachung und Charakter deckt sich diese mit dem Heft, welches sie im Moment in den Händen haben, hat aber darüber hinaus auch einen evangelistischen Schwerpunkt. Beten wir, daß sich diese Literatur im Wirrwarr der angebotenen Meinungen behaupten kann und unseren bulgarischen Geschwistern Orientierung im Dschungel von Wohlstandsevangelium und anderen zweifelhaften Angeboten bieten kann.
In der Verlagsarbeit stehen mehrere vollzeitliche Mitarbeiter/Geschwister zur Verfügung. Im Moment überarbeiten sie das Neue Testament in heutiges Bulgarisch. Ziel ist, bis zum Sommer die erste Auflage zur Drucklegung fertigzustellen, so daß ein Teil davon in einem weiteren Einsatz verteilt werden kann . Auch ist die Herausgabe von Ethos geplant. Die Sonderausgabe konnte schon auf dem ersten Einsatz verteilt werden und soll auch auf dem dritten zum Einsatz kommen.

Die Situation unter den türkischen Christen

Um Plovdiv herum ist wohl das Zentrum der türkischen Christen, mit denen Stefan Pilz, München, seit August 91 eine gute Zusammenarbeit pflegt. Er wird zum gleichen Zeitpunkt wie unser Missionsteam wieder zur Schulung in den dortigen Gemeinden sein. Zusammen mit ihm und einigen türkischen Brüdern werden sie versuchen, die umliegenden Dörfer missionarisch zu erreichen. Achmed, ein kürzlich heimgegangener Bruder, hat dort in den vergangenen Jahren (auch schon vor der Öffnung) missionarisch gearbeitet und drei Gemeinden mit mehreren hundert Geschwistern aufgebaut. Diese Gemeinden stehen geistlich gut, die einzelnen Geschwister sind aber oft recht unbefestigt. Sie können kaum türkisch lesen... Insgesamt soll es zwischen 3000 (niedrigste Schätzung) und 10.000 (höchste Schätzung) Christen unter den Türken geben. Stefan rechnet mit etwa 5000 bis 7000. Die meisten werden wohl stark charismatisch geprägt sein.

Wie groß die Zahl der wirklich wiedergeborenen Türken ist, bleibt dahingestellt, jedenfalls hat der Herr hier in aller Stille ein Werk angefangen, das unsere besondere Unterstützung verdient. Der Gedanke, daß auch nur ein Teil von ihnen (10% = 500) in die Türkei bzw. die turksprachigen Länder der GUS als Missionare gesandt werden könnte, ist von größter Bedeutung für die Weltmission. Zunächst jedoch muß (neben der missionarischen Tätigkeit im Süden Bulgariens selbst) vorrangiges Ziel sein, die "Frucht zu versiegeln", will sagen: einzelne Geschwister zu schulen und zuzurüsten (2. Tim.2,22) ! Stefan P. sieht sich vor diese Herausforderung gestellt. Beten wir um Gottes Führung, ob er und seine Frau Odilia, nachdem sie bis zur Ausweisung einige Jahre in der Türkei (Samsun am Schwarzen Meer) waren, nun ihre Zelte in der Umgebung von Plovdiv aufschlagen sollen.

Unsere Reaktion auf das Wirken Gottes in einem kleinen Bereich Südost-Europas sollte zumindest Gebet und eigenständige Information über weitere Entwicklungen sein. Wer mitfahren möchte, ist dazu herzlich eingeladen - es schadet jedenfalls nichts, auch dann nicht, wenn man seine Eheschließung im Visier hat...

Nachtext

Quellenangaben