Eine staubige Straße in Israel — 3500 Jahre zurück — und ein Israelit namens Seraja. Seraja läuft. Schon seit 3 Stunden ist er unterwegs, er läuft so schnell er kann. Seit 2 Stunden ist er auf der gut ausgebauten Straße, die geradewegs zu dem Ort führt, den er unbedingt erreichen will. Sein Seitenstechen hindert ihn nicht, so schnell zu laufen, wie er nur kann. Er hat einen gewaltigen Durst, aber wenn er eingeholt wird — besser er läuft trotz Durst weiter. Den größten Teil der Strecke hat er schon hinter sich, doch was hilft das, er muß ankommen. Immer wieder sagt er sich: "Seraja, halte durch, Seraja, die Blasen an den Füßen kannst du dir immer noch auskurieren, Hauptsache, du schaffst es." So rennt er weiter, immer weiter, ohne sich umzusehen. Manchmal glaubt er, der Verfolger sei ihm schon dicht auf den Fersen, doch das spornt ihn nur an, das Letzte aus sich herauszuholen. Seit er auf dieser Straße läuft weicht ihm jeder aus, der ihm begegnet, damit er ungehindert vorbeilaufen kann. Keiner spricht ihn an. Sie alle wissen, da läuft einer um sein Leben. Sie ahnen alle, was passiert ist, wenn sie ihn mit dem Axtstiel in der Hand auf die Stadt zulaufen sehen. Während er weiterläuft, die Schmerzen in allen Gliedern und die aufkommende Müdigkeit nicht beachtend, denkt er darüber nach, wie sich sein Leben so schlagartig verändert hat. Früher, wenn sein Vater ihm davon erzählte, was jetzt in seinem Leben bittere Wirklichkeit geworden ist, hatte ihn das kaum berührt. Er kann sich noch gut an die eindringlichen Worte seines Vaters erinnern: "Mein Sohn, wenn das geschieht, dann hast du nur eine Chance. Laß alles stehen und liegen und lauf nach Sichem. Du kennst ja die Straße, lauf dahin, so schnell du kannst!" "Lauf, lauf, lauf," hämmert es immer wieder in seinem Kopf. "Lauf — der Bluträcher, lauf — der Bluträcher" — Seraja läuft. Sichem taucht am Horizont auf. Den größten Teil hat er schon hinter sich, aber er ist noch nicht da. "Lauf, Seraja, lauf — der Bluträcher, lauf um dein Leben." Auf den letzten Kilometern läuft das Geschehen von heute Morgen im Wald wie in Zeitlupe vor seinem inneren Auge ab. Er sieht sich mit Abiel, seinem Nachbarn, in den Wald gehen. Sie wollten für einen neuen Stall einige Balken schlagen. Er erinnert sich an das surrende Geräusch der Äxte, während sie schweigend im Takt auf die Stämme einschlugen. Sie hatten schon einige Stämmchen gefällt, als mit einem Mal alles anders wurde. Ihm kommt das veränderte Geräusch wieder in den Sinn, das entstand, als der Axtstiel auf den Stamm schlug und sein jähes Erwachen, als fast im selben Moment die Axtschläge Abiels verstummten. Während er weiterhetzt, sieht er das erstaunte Gesicht seines Nachbarn vor sich, die geweiteten Augen, die ihn fassungslos anstarrten. Dann sackte Abiel von seinem Eisen getroffen in sich zusammen. Wieder hört er sich sagen, während er keuchend weiterläuft: "Seraja lauf, lauf — der Bluträcher, Sichem, Sichem." "Seraja lauf, lauf um dein Leben, lauf — der Bluträcher, Sichem, Sichem, nur noch wenige Meter, Seraja, du schaffst es!" Während er völlig erschöpft die letzten Meter auf Sichem zuläuft, bekommt er neue Energie aus den Worten der Gesetzeslesung, die in seinem Gedächtnis auftauchen: "Wenn ihr über den Jordan in das Land Kanaan zieht, sollt ihr euch Städte bestimmen: Zufluchtsstädte sollen sie für euch sein, daß dorthin ein Totschläger fliehe, der einen Menschen aus Versehen erschlagen hat. Und die Städte sollen euch als Zuflucht vor dem Bluträcher dienen, damit der Totschläger nicht sterbe." (4.Mose 35, 10-12) Seraja erreicht Sichem und wird von den Ältesten der Stadt aufgenommen. Nach dem Gesetz muß er in Sichem bleiben, damit nicht der Bluträcher den Tod seines Verwandten an ihm rächt.
Wohin läufst Du, wenn Dir Deine Schuld bewußt wird? Was machst Du, wenn Du z.B. Rufmord begangen hast? Wohin gehst Du, mit dem Axtstiel in Deiner Hand? Du versuchst die Sache zu vertuschen? Du glaubst es hat keiner gesehen? Du gehst einfach zur Tagesordnung über? Oder läufst Du mit dem Axtstiel nach "Sichem", zum Kreuz und zu Gott, Deinem Retter? Lauf, bevor der Bluträcher Dich erreicht! Lauf, bevor der Teufel Dich verklagt! (Offb. 12,10) Lauf, bevor der Teufel Dir eingeredet hat, mit dieser Schuld könntest Du nicht schon wieder zu Gott kommen.
Seraja muß in Sichem bleiben. Was machst Du mit der Dir vergebenen Schuld? Läßt Du sie bei Gott? Nach 4.Mose 35,22-25 mußte festgestellt werden, was dort im Wald geschehen war. So müssen auch wir die Dinge unseren Mitmenschen gegenüber in Ordnung bringen. Doch wohin müssen wir zuerst? "Gott ist ein Zufluchtsort am Tag der Bedrängnis und er kennt die, die bei ihm Schutz suchen." (Nahum 1,7) "Glücklich der, dem Vergehen vergeben, dem Sünde zugedeckt ist! Glücklich der Mensch, dem Gott die Schuld nicht zurechnet! So tat ich dir kund meine Sünde und deckte meine Schuld nicht zu. Ich sagte: Ich will Gott meine Übertretungen bekennen; und du, du hast vergeben die Schuld meiner Sünde. Du bist ein Zufluchtsort für mich; vor Bedrängnis behütest du mich; du umgibst mich mit Rettungsjubel." (Psalm 32,1.2.5.7)
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