Zeitschrift-Artikel: Erinnerungen an "Onkel Paul"

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Titel: Erinnerungen an "Onkel Paul"
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

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Titel

Erinnerungen an "Onkel Paul"

Vortext

Text

Viele "FuT"-Leser, besonders solche aus Süddeutschland und der Schweiz, haben Paul Kiene persönlich gekannt und erinnern sich dankbar an ihn.


Andere sind durch seine Schriften, vor allem durch den Bildband "Das Heiligtum Gottes in der Wüste" gesegnet worden und werden sicher daran interessiert sein, etwas aus seinem Leben zu erfahren.
Schließlich mahnt uns auch die Schrift, der Führer zu gedenken, ". . . die euch das Wort Gottes verkündigt ha­ben, und, den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmet  ihren Glauben nach" (Hebr. 13,7).

Mit den folgenden Erinnerungen möchte ich daher nicht einen Menschen verherrlichen, sondern daran erinnern, wie der Herr an diesem Bruder und durch ihn wirken konnte.
Zunächst ein kurzer Lebensabriß:
Der junge Paul wurde mit 19 Jahren durch eine radikale Bekehrung aus einem Leben der Sünde gerissen. Sein Va­ter, der wenige Jahre vorher nach verirrten Lebenswe­gen dem Herrn sein Leben übergeben hatte, war ihm da­bei eine große Hilfe.
Als der Vater 1929 starb, mußte Paul seinen Beruf als Landwirt auf einem Gutsbetrieb aufgeben, um zu seinen Angehörigen zu ziehen und als Fabrikarbeiter mitzuhel­fen, sie zu ernähren.
1931 heiratete er und ab etwa 1937 stellte er seinen Ur­laub zur Verfügung, um dann 30 Jahre lang in Freizeitla­gern junge Menschen zum Herrn zu führen und sie in Gottes Wort zu unterweisen.
1954 trat er nach seinem 25jährigen Dienstjubiläum aus der Firma aus, um von nun an, im Vertrauen auf den Herrn, ganzzeitig für, das Werk des Herrn zur Verfügung zu stehen. Drei Jahre später begann er die Bibelwochen für Erwachsene in dem Ferienheim "Heimetli", die er bis 1982, also 25 Jahre, durchführen durfte.

Von 1959 - 1964 war Onkel Paul vor allem damit be­schäftigt, ein Modell der Stiftshütte zu bauen, welches in seiner Kunstfertigkeit und Exaktheit, was Maße und Material betrifft, wohl einzigartig ist.
Dieses Modell verwandelte nach der Fertigstellung sein Studierzimmer in einen Unterrichtsraum, in dem viele Besucher (Bibelschüler, Jugendgruppen usw.) unvergeßli­che Eindrücke von der Weisheit und Größe Gottes und Seines Erlösungswerkes bekamen. Manche sind dort
durch die "Gegenstandslektionen" zur Erkenntnis der
Sünde und zu der frohen Gewißheit des Heils gekommen.

Im Laufe der Jahre begann Onkel Paul neben seinen son­stigen Aufgaben an vielen Orten in der Schweiz Bibel­klassen, in welchen er monatlich Alt und Jung systema­tisch in Gottes Wort einführte. Seine originelle, zucht­voll-strenge und doch sehr liebevolle Unterrichtsmetho­de ließ dabei keine Langeweile aufkommen. Seit Mai 1982 wurde Onkel Paul immer schwächer. Konnte er nun keine Bibelklassen mehr durchführen, so empfing er doch Besuche, führte Telefongespräche und zeugte bis zuletzt von seinem geliebten Herrn. Es war wohl im Juni, als er mich anrief und sich per Te­lefon von mir verabschiedete, weil er wußte, daß der Herr ihn bald heimholen würde. Ich vergesse nicht, wie er mir sagte, daß er zurückblickend nur voller Dankbar­keit sein und vorausblickend nur jubeln könnte. Sein einziger Wunsch wäre nur noch, daß er den Herrn durch seinen Heimgang verherrlichen möchte.

Seine Frau Lilly, die der Herr ihm 1968 nach dem Tod
seiner ersten Gattin geschenkt hatte, erzählte mir nach seinem Heimgang, daß die letzten Wochen vor seinem Tod besonders gesegnet waren. Raum für Trauer und Schmerz war nicht vorhanden, weil Onkel Paul sich in­nig auf die Begegnung mit seinem geliebten Herrn freu­te und ER der Gesprächsgegenstand war. Einer Schwe­ster sagte er am Telefon: "Ich bin jetzt noch im Warte­zimmer" und seine letzten Worte waren an eine Nachba­rin gerichtet: "Ich bin auf dem Heimweg". Vier Stunden später war er bei seinem Herrn und durfte Ps. 17,15 er­leben: "Ich, ich werde dein Angesicht schauen in Gerech­tigkeit, werde gesättigt werden, wenn ich erwache, mit  deinem Bilde."

So konnte die Beerdigung auch keine Trauerfeier sein. Viele Geschwister aus nah und fern kamen zusammen. Für Kurt und mich, die wir recht früh zum Friedhof ka­men, war es nicht nur eine Überraschung, wie getrost und freudig uns seine Frau begrüßte und zur aufgebahr­ten Hülle ihres Mannes führte, sondern wir stellten auch erstaunt fest, daß fast alle Trauergäste mit einer dank­bar-frohen Haltung zu dieser Beerdigung kamen, um sich an Onkel Paul zu erinnern, vor allem aber, um Dem zu danken und zu loben, Den er geliebt und Dessen Verherrlichung er in seinem Leben gesucht hatte: unse­ren Heiland und Herrn Jesus Christus!

8400 Winterthur, u. August 1982
Friedenstrasse 10

«... erlöst mit dem

kostbaren Blut Christ, als eines Lammes ohne

Fehl und ohne Flecken ...» I. Petr. 1, 18.19

«Sei es, dass wir leben, wir leben dem Herrn; Sei es, dass wir sterben, wir sterben dem Herrn.

Sei es nun, dass wir leben, sei es, dass wir sterben, wir sind des Herrn.»

Röm. 14, 8

Tief bewegt teilen wir mit, dass mein herzlich geliebter Gatte, unser Bruder, Schwager und Onkel

Paul Kiene

nach längerer Leidenszeit heute im 76. Lebensjahr «durch Jesum entschlafen» durfte. 1. Thess. 4, 14

Im Paradies bei Christo wartet er mit allen Heimgegangenen der Auferstehung des Leibes in Herrlichkeit.

Wir sind getröstet durch die gewisse Hoffnung des ewigen Lebens.

Lilly Kiene-Sigg

Familie Mathilde und Paul Ramp-Kiene Anverwandte und Freunde

Deshalb wurde auch am Grab der bekannte Bibelvers ge­sungen:
"Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewa­schen hat in seinem Blute, und uns gemacht hat zu ei­nem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater:  ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu  Ewigkeit! Amen." (Of fb. 1,5).


Nun noch einige persönliche Erinnerungen:
Ein Mann heiliger Kompromißlosigkeit

Es war wohl 1961, als ich Onkel Paul in einem Ferienla­ger in der Schweiz kennenlernte. Damals war ich 15 Jahre alt und mein Verhältnis zum Herrn war - wie das der meisten Teilnehmer - ziemlich unklar. Wenn es eben möglich war, machten wir einen Bogen um Onkel Paul; aber manchmal, besonders nach den Bibelstunden, in denen es uns durch Mark und Bein ging, konnten wir einer Begegnung nicht ausweichen. Er blickte uns dann mit seinen durchdringenden Augen, vor denen Heuchelei und Doppelherzigkeit wenig Chancen hatten, an und stellte einige gelielte, ziemlich persönliche Fragen. Nach dieser peinlichen Visite konnte man zwar befreit aufatmen, war aber doch im Gewissen getroffen. Da­mals habe ich Onkel Paul mehr gefürchtet als geliebt.

Als ich ihn dann Jahre später besser kennenlernte, merk­te ich, daß die Liebe zur Wahrheit und Wahrhaftigkeit bei ihm besonders ausgeprägt war. Christen, die Kom­promisse liebten, wurde es in seiner Gegenwart unge­mütlich.
Ich vergesse nicht, wie wir vor Jahren bei ihm zu Mit­tag aßen und ein weiterer Gast etwas Negatives über ei­nen nicht anwesenden Bruder weitergab. Sofort wurde er zur Rede gestellt: "Hast du geprüft, ob das wahr ist?" "Nein." "Hast du es dem Bruder schon persönlich gesagt?" "Nein." "Dann rede in meiner Gegenwart kein Wort mehr darüber!" - Die dann folgende peinliche Stil­le redete sehr laut zu uns allen.

Entschiedenheit und Hingabe hat Onkel Paul nicht nur gepredigt, sondern auch gelebt. Seine Frau schrieb mir nach seinem Heimgang: "Alles was Paul tat, tat er gründlich, ganz hingegeben, exakt. Oft kam mir der Bi­belvers in den Sinn, wo es von Boas heißt: " . . . der Mann wird nicht ruhen, er habe denn die Sache . . . zu Ende geführt" (Ruth 3,18).


Einer, der seinen Herrn liebte

Erlebte man aber Onkel Paul, wenn er an dem Modell der Stiftshütte etwas von den Herrlichkeiten des Herrn Jesu deutlich machte, oder wenn er in Vorträgen auf den Herrn zu sprechen kam, dann strahlte sein Gesicht, und man spürte, daß dieser Mann seine erste Liebe be­wahrt hatte.

HEBRON HEISST "GEMEINSCHAFT"

Der Name ist dem eifrigen Bibelleser gewiß ver­traut. Er findet sich 69 mal in Gottes Wort. Sei­ner Bedeutung nach erscheint er im Neuen Testa­ment 15 mal und hat für das Herz des Gläubigen vertrauten Klang.

Die Gemeinschaft mit dem Sohne Gottes - ein Teil unserer gottgewollten Berufung (1. Kor. 1,9) - ist ein unerläßlicher Bestandteil echten Glau­benslebens. Ein heiliges Bedürfnis treuer Seelen, die solche Zuflucht über alles schätzen. Da ist Geborgenheit inmitten der Hast, des Trubels, der Nöte und der Versuchungen in dieser verderbten Welt. Wie kostbar ist diese Fürsorge unseres Got­tes! Welch ein gesegnetes Vorrecht, dieses Teilha­ben-dürfen an allem, was das Herz unseres treu­en, hochgelobten Herrn bewegt. Seine Freude, Sein Friede, Seine Interessen, Sein Werk, Seinen Sieg - kurz, alles was Seine Liebe mit uns teilen will, bewußt in Anspruch zu nehmen und Ihn als den Vater damit zu erfreuen und zu ehren. David hat in Ps. 32,7 ähnliches zum Ausdruck gebracht. Seine glückliche Erfahrung lautet dort: "Du bist  ein Bergungsort für mich, vor Bedrängnis behü­test du mich; du umgibst mich mit Rettungsju­bel".

 

Wollen wir darum nicht mehr wahrmachen, was
wir aus Ps. 63,8 als Zufluchtsort der Geborgenen
entdecken: "Meine Seele hängt dir nach!"   
P E K.

Die Liebe zu seinem Herrn drückte sich auch in seiner Liebe zu Gottes Wort aus. Wehe, wenn einer darüber leichtfertig redete oder schrieb!

Langsam und deutlich Gottes Wort lesen, auf jedes Wort achten, das mußte jeder lernen, der mit ihm zusammen war.

Sein letzter Dienst in der Versammlung war typisch für
sein Anliegen: er sprach über 4. Mose 10, 1-10 und ver
glich die silbernen Trompeten mit Gottes Wort und forderte eindrücklich auf, diese Trompetenstöße zu hören und danach zu tun.

Daß er, der seinen Herrn liebte, auch die Geschwister im Herrn liebte, wurde jedem klar, der mit ihm eine Be­gegnung hatte. Dann war er ganz für den anderen da und konnte sich mit den Freuenden freuen und mit den Weinenden weinen. Er hatte in der Schule Gottes ge­lernt, müde gewordene Geschwister durch ein Wort aus der Schrift aufzurichten.
Unvergeßlich sind mir die Gebetsgemeinschaften mit ihm, in welchen er ganz kindlich und vertrauensvoll mit dem Vater sprach und alle Nöte der Geschwister vor Ihm ausbreitete.

 

GOLAN HEISST "FREMDE"
ODER EXIL

Dieser sechste und letzte der von Gott bestimm­ten Zufluchtsorte trägt, seinem Namen nach, das Kennzeichen der Fremdlingschaf t. Abraham, un­ser Vater, hat einst nach Saras Tod den Kindern Heth bezeugt und gesagt: "Ich bin ein Fremdling und Beisasse bei euch". Dieses deutliche Bekenntnis hat jene Kanaaniter zu der Aussage bewegt:
"Du bist  ein    Fürst Gottes       unter uns"  (1.Mose23,1-6).

Wie es scheint, war dies eine ehrfurchtsvolle An­erkennung seiner Würde. Mose betonte    seinen

Fremdlingscharakter in Midians Gefilden, indem er seinen Erstgeborenen "Gersorn" ("Fremdling da­selbst") nannte (2. Mose 2,22). Das Zeugnis der

Heiligen Schrift in Hebr. 11, 13-16 läßt uns wis­sen, was Gott von solchen treuen Glaubenszeugen denkt und wie Er sie ehrt, denn "sie bekannten, daß sie Fremdlinge und ohne Bürgerschaft auf der Erde seien.      Denn die solches sagen, zeigen

deutlich, daß sie ein Vaterland suchen . . .". "Dar­um schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott ge­nannt zu werden . . . ". Wie hochbedeutsam muß diesen Treuen diese göttliche Anerkennung gewe­sen sein.

Der Fremdlingsstand ist eine Zuflucht und eine Bewahrung    vor    der    verderblichen   Vermischung mit der Welt. Wer ihn hochhält, darf mit der Ver­heißung Gottes rechnen in Ps. 146,9: "Jehova be wahrt die Fremdlinge .. . "

Wenn echte Christen sich ihrer Berufung gemäß als Fremdlinge verhalten, so ahmen sie das hohe Vorbild des Herrn Jesus nach, der deutlich gesagt hat: ". . . sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin" (Joh. 17, 14.16).

Solche Gemeinschaft mit Ihm ist eine segensrei­che, trostvolle Zuflucht. Ein Zeichen echter Pil­gerschaft. Dabei wird wahr, was wir in I. Joh. 5,18 lesen: "Der aus Gott Geborene bewahrt sich  und der Böse tastet ihn nicht an." Solch gesegnete Folgen    hat    für    den Gläubigen ein Leben in

"Golan" und das Wohlgefallen des Herrn ruht dar­auf. Ein solcher darf den ermutigenden Zuspruch und die kostbare Verheißung in Anspruch nehmen, welche den Treuen gilt:

"Darum      gehet aus   ihrer Mitte aus und sondert euch ab, spricht der     Herr  .       .       .       und ich werde euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater sein und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige.“
P.F.K

 

Ein Mann mit einer unermüdlichen Retterliebe

War Onkel Paul von seiner Begabung her sicher mehr
ein Lehrer mit dem Herzen eines Hirten, so fühlte er doch eine große Verantwortung für die Verlorenen. Wo er eine Möglichkeit sah, von Ihm zu zeugen, da packte er zu.

Auch in dieser Beziehung konnte es einem in seiner Gegenwart mulmig werden. Beim Spaziergang oder während einer Bahnfahrt war es selbstverständlich, daß er Traktate verteilte und Menschen in seiner höflichen, aber doch eindrücklichen Art an

Nachtext

Quellenangaben