Zeitschrift-Artikel: Mein Weg zu Jesus Christus

Zeitschrift: 67 (zur Zeitschrift)
Titel: Mein Weg zu Jesus Christus
Typ: Artikel
Autor: Werner Deppe
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1538

Titel

Mein Weg zu Jesus Christus

Vortext

Text

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich zum erstenmal feststellte, daß ich an körperlicher Länge zunahm. Es war im sonntäglichen "Hochamt" (dem Hauptgottesdienst) der katholischen Liebfrauengemeinde zu Gütersloh. Die Bänke in der Kirche waren gerade so hoch, daß ich Knirps just über den Rand in den Altarraum lugen konnte, was mir einige Wochen zuvor noch versagt gewesen war. Interessiert beobachtete ich die wundersame Zeremonie, die dort vorn abgehalten wurde. Ein respekteinflößend und zugleich liebevoll aussehender grauhaariger Mann, der mit einem wallenden weißen Gewand bekleidet war, sprach umgeben von ebenso festlich gekleideten, etwas älteren Kindern geheimnisvolle Worte, die ich noch nicht einordnen konnte. Aber so, wie sie klangen, waren sie wohl sehr wichtig. "Ist das Gott?" fragte ich meine Eltern. Welche Antwort ich erhielt, weiß ich heute nicht mehr, eines war mir jedoch klar geworden:

Wenn der dort vorn nicht Gott ist, dann muß der "liebe Gott" wirklich atemberaubend erhaben sein.

Ein paar Jahre später belehrte mich dieser Mann, der Pfarrer der Liebfrauengemeinde, im Kommunionsunterricht ausführlich über einen Menschen, der nach außen weniger erhaben und würdevoll ausgesehen haben mag als er, der mich aber, so wie Er mir dargestellt wurde, mit Seiner wunderwirkenden Macht und Seiner Liebe, mit seiner Souveränität und Demut ergriff und überwältigte, so daß ich glaubte: Dieser ist Gottes Sohn - Jesus Christus. Wie gerne hätte ich Ihn doch persönlich kennengelernt, wäre Ihm begegnet, hätte Ihn alles fragen und Ihm folgen können. Unser Pfarrer verstand es wirklich sehr gut, uns diesen Jesus lieben zu lehren.

Aber was ist der Weg dahin, Ihn kennenzulernen, Ihm zu gefallen, es mit Ihm zu tun zu haben und zu Ihm in den Himmel zu kommen? Auch darüber wurden wir belehrt, jedoch nicht nach dem, was die Bibel dazu sagt; daraus hörten wir nur die Geschichten von der Brotvermehrung, der Kreuzigung und der Auferstehung, aber nichts von deren Bedeutung für uns. Der "Weg", der mir beigebracht wurde, sah so aus: Aller Wahrscheinlichkeit nach kommt nach dem Tod sowieso erstmal das Fegefeuer, dieser qualvolle, höllenähnliche Ort der Reinigung von den Sünden. "Wie lange dauert das Fegefeuer?" fragte ich einmal meine älteren Brüder. "Länger, als bis man erwachsen ist" war die wenig trostreiche Antwort. Was man als Katholik bis dahin auf dieser Erde zu tun hat, diktiert die Kirche. Als erstes hieß das: die Sakramente. Als Baby war ich ja mit "geweihtem Wasser" bespritzt worden, ich war katholisch "getauft", das war schon einmal die allerbeste Voraussetzung, um (nach dem Fegefeuer) in den Himmel zu kommen, sozusagen die halbe Miete. Das war das erste von sieben Sakramenten. Jetzt, im Alter von acht Jahren, war das zweite und dritte fällig, Beichte und Kommunion. Es hatte schon etwas Aufregendes, dem Pfarrer im Beichtstuhl, diesem dunklen, geheimnisvollen Kämmerlein, all die verbotenen Dinge ins Ohr zu flüstern, die ich begangen hatte. Im Namen der Dreifaltigkeit sprach er mich von allen Sünden los - unter der Auflage, daß ich doch zur Sühne, als Strafe gewissermaßen, ein Vaterunser und ein Ave Maria aufsagen solle (was er beten nannte). "So wird man also seine Sünden los", dachte ich, "wirklich eine praktische Einrichtung." Die zwei "Gebete" waren schnell aufgesagt, und erleichtert ging ich nach Haus.

Die Erstkommunion und Maria

Dann der Tag der Erstkommunion. Zum ersten Mal durfte ich die Hostie essen, die doch der leibhaftige Jesus sein soll. Also diesen Jesus, von dem ich so ergreifende Geschichten gehört hatte, konnte ich jetzt essen. Was für eine Vorstellung! Unser Pfarrer unterwies uns, daß die Hostie etwa zehn Minuten im Bauch bliebe und sich dann auflöse, demzufolge müßten wir etwa zehn Minuten lang nach dem Verzehr beten. Mir war zwar nicht klar, wohin Jesus dann entschwindet, wenn die zehn Minuten vorbei sind, aber wenn der Herr Pfarrer das so ausdrücklich sagt, wird es schon richtig sein. Das ist also Kommunion, das heißt Gemeinschaft, nämlich Gemeinschaft mit Jesus, und das jedesmal für etwa zehn Minuten. Deshalb ist es auch so wichtig, immer wieder und möglichst oft die Kommunion zu empfangen. Das tat ich dann auch Jahre hin durch mit großem Eifer. Und so gewann ich Gott sehr lieb. Mein Berufsziel war sogar mehrere Jahre lang katholischer Priester.

In der Schule war ich etwas Außenseiter, fand nicht die Anerkennung, die ich gern gehabt hätte. Wie gut, daß ich in der Kirche zu Gott meine Zuflucht nehmen konnte. Aber meine Frage war: Wie kann ich bloß mehr mit Ihm zu tun haben; was kann ich tun, damit Er auf meine Probleme aufmerksam wird und mir hilft? Mein Vater kannte ein Spezialmittel: Er lehrte mich den Rosenkranz beten. 53 Ave Maria mit verschiedenen "Gesetzen", gespickt mit fünf Vaterunser und einem Glaubensbekenntnis. Wer das in 20 Minuten schafft, kann schnell sprechen. "Ja, wie gut, daß es Maria gibt" dachte ich. "Gott Vater und Jesus, die sind zwar mächtig und erhaben und auch wohl 'lieb', aber so richtig warmherzig sind sie wohl nicht; dafür aber Maria, die gute, fürsorgliche Mutter." "Ein Kind Marien geht niemals zugrunde" lehrt die katholische Kirche. Wie bedauerte ich doch "die Evangelischen". So wie die Juden nicht an Jesus glauben, so glauben die Evangelischen nicht an Maria. Wie dumm, sich das Beste entgehen zu lassen. Über dem Marienbild, das ich mir aufgestellt hatte, befestigte ich eine kleine goldene Krone. Maria, die Himmelskönigin, sollte auch meine Königin sein.

Der Meßdiener und die Jugendgruppe

Mit 15 Jahren unternahm ich mit meinen Eltern eine Pilgerreise zu den zwei bekanntesten "Marienerscheinungs- und Wallfahrtsorten": Fatima in Portugal und Lourdes in Südfrankreich. Es war überwältigend, zu erleben, wie dort die Menschenmassen zusammenströmten, um Maria Ehre und Hingabe zu erweisen. Einige der Pilger legten die letzten Kilometer ihrer Floßreise zu der Erscheinungsstätte in Fatima auf zerschundenen, blutenden Knien rutschend zurück. Welch herzzerreißendes Martyrium! Nur von Jesus keine Spur.

Daheim hatte ich in der Zwischenzeit richtig Karriere in der Gemeinde gemacht In kurzer Zeit brachte ich es zum Obermeßdiener; ich stellte den Meßdienerplan auf, bildete die "Neuen" aus, leitete eine Gruppe. Ich stellte sogar ein "Gütersloher Meßdiener Fußballturnier" auf die Beine, wofür ich mit Bild in der Tageszeitung stand. Wie schön war es, so bekannt zu sein. Endlich hatte ich meine Anerkennung gefunden. Mit dem Pfarrer war ich fast auf "du und du" und die ganze Gemeinde (d. h. die sog. aktiven Kirchgänger) kannten mich. Dafür brachte ich aber auch Leistung: Jeden Sonntag drei Messen: 7.00 Uhr, 8.30Uhr und 10.15 Uhr, zusätzlich in der Woche noch mehrmals zum "Dienst". Ich war so richtig religiös.

Aber auch das Alltagsleben wollte ich aus dieser religiösen Überzeugung heraus gestalten. Ich schloß mich der "Fokolarbewegung" an und war dort in einer Jugendgruppe. Diese Bewegung versteht sich als ökumenische Gemeinschaft (ist aber sehr in der katholischen Kirche Italiens verwurzelt), die das Evangelium in die Tat umsetzen will. Auch Buddhisten sind darin sehr willkommen, schließlich gibt es bei denen auch das Prinzip der Nächstenliebe. Bei den regelmäßigen Treffen erzählten wir einander unsere "Erfahrungen". So wurden die guten Werke der Nächstenliebe genannt. Wenn ich mal meine "Hausaufgaben" nicht gemacht und nichts vorzubringen hatte, war das schon immer etwas peinlich; aber ansonsten fühlte ich mich bei der Truppe recht wohl. Vor allem die fetzige Rockmusik gefiel mir, zu der wir Texte über die "Einheit der Welt" sangen. Das wäre Jesu größter Wunsch, lehrte man hier, daß alle Menschen eins würden (Jahre später stellte ich fest, daß es sich hierbei um eine schlimme Verdrehung von Joh 17,21 handelt), und diesen Wunsch wollten wir Ihm erfüllen.

Es geht nach unten

Diese ganze religiöse Anstrengung und Selbstbeschau hielt mich nicht fest, als ich in die Jahre kam, in denen ich mich mehr und mehr für das interessierte, was die Welt an scheinbaren Vergnügen zu bieten hat: Mädchen, Muskeln, Motoren und Moneten. Mit 16 hatte ich nach einigen mißglückten Anläufen endlich meine erste Freundin, für ganze drei Monate. In den Jahren darauf folgten so manche Eskapaden; ich dachte mir: "Gott ist gnädig, wunderbar, lets enjoy life!" Die katholische Lehre bot mir in dieser Zeit keinerlei Orientierung durch ihre Relativierung von Gottes Wort und ihrer eigenen Lehre durch eine nicht von weltlichem Verhalten zu unterscheidende Moralpraxis hatte sie für mich jede Autorität verloren. Woran ich glaubte, war der Gott meiner eigenen Philosophie - und daß an der Geschichte mit Jesus irgendetwas dran sein müßte. Aber was?

Das Erwachen und die Wende

Mit 24 wurde mein Interesse an Jesus wieder stärker. Nachdem fünf Jahre lang Bodybuilding meine Religion gewesen war und ich von Freundinnen die Nase voll hatte, bekam ich zunächst Kontakt zu esoterischen Kreisen, dann stieß ich auf ein Buch eines ehemaligen katholischen Priesters, der an den Haaren herbeigezogene, aber interessante Theorien über den "historischen Jesus" verbreitete. In dieser Zeit war ich "zufällig" bei einem Studienkollegen zu Besuch, in dessen Bücherregal ich "Wer glaubt, der wagt" und "Bibel von A bis Z" und andere fromm klingende Titel las. "Bis du auch so ein Glaubens-Freak?" fragte ich interessiert. "Ich bin Christ. Wieso?" "Ja, ich auch." "Bist du auch getauft?" So entwickelte sich ein Gepräch, in dem mir mein Gegenüber einerseits davon erzählte, was es heißt, Christ zu sein, und daß Jesu Worte und die Bibel wahr und wichtig sind, und andererseits, daß die katholische Lehre in weiten Teilen den Aussagen der Bibel widerspricht. Das fand ich interessant: Die Bibel - ein Buch gegen die katholische Kirche. Um der Sache nachzugehen, machte ich mich gleich daran, das Neue Testament zu lesen.

Ich nahm die Bibel dabei als das wahre Wort Gottes an und erkannte tatsächlich, daß die Lehre der katholischen Kirche in vielen Dingen antibiblisch ist. Das war die eine Seite - aber die andere und weitaus wichtigere war: Das Wort Gottes traf mich mit der vollen Wucht eines lebendigen, zweischneidigen Schwertes. Ich erkannte, daß mein Leben völlig falsch lief, ja, daß ich gar kein Leben hatte, weil ich nicht unter Jesu Herrschaft stand. Die katholische Lehre war entlarvt, na klar, aber was war mit mir? Ich war entlarvt, ich war zur Umkehr gerufen! Bis zum Anfang des Lukasevangeliums brauchte ich, dann war mir klar: Ich will mich Jesus anvertrauen, Ihm meine Sünden bekennen und sie auf Ihn werfen, mich von Ihm reinigen und beleben lassen und Ihn als meinen Herrn annehmen. Ich will eine lebendige Beziehung zu Ihm haben, unter Seiner Herrschaft - und Er will das auch. Das Ende allen Scheins und der Anfang allen Seins war für mich gekommen. Ich bin Ihm auf ewig dankbar, daß ich auf Seinen Ruf hören konnte, daß Er mich aus den Stricken der fleischlichen Religiosität befreit hat - aber auch dafür, daß ich schon als kleines Kind von Ihm hören und so auf die Wiedergeburt vorbereitet werden durfte.

Ich wünsche und bete, daß durch die Kraft des Evangeliums, welches schließlich immer noch Tag für Tag (wenn auch nur in bestimmten Ausschnitten) in allen katholischen Kirchen vorgelesen wird, noch viele Katholiken zu einem lebendigen Glauben an den Herrn Jesus Christus erweckt werden.

Nachtext

Quellenangaben