Zeitschrift-Artikel: Letzte Worte großer Männer...

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Titel: Letzte Worte großer Männer...
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1846

Titel

Letzte Worte großer Männer...

Vortext

Text

"DEN AUSGANG IHRES WANDELS ANSCHAUEND, AHMT IHREN GLAUBEN NACH."
Hebräer 13,7

In den kommenden Ausgaben von "Fest und Treu" möchte ich auf einige Männer der Reformation hinweisen, die ihre Überzeugungen mit ihrem Blut besiegelt haben. Wir leben in einer Zeit, in der es nur wenige Christen gibt, die Überzeugungen haben und bereit sind, diese mit Einsatz ihres Lebens zu bekennen und zu verteidigen.

Die Toleranz und Vielfalt von Meinungen in der Christenheit, der allgemeine Verfall moralischer und ethischer Werte sind nicht gerade der ideale Nährboden, um Christen mit Rückgrat heranwachsen zu lassen. Christen, die Überzeugungen haben und dafür eintreten, werden als Fanatiker oder Fundamentalisten verschrieen und diese Bezeichnungen scheinen die heutigen Evangelikalen mehr als alles andere zu fürchten.

Umso wichtiger scheint mir, daß wir uns an unsere Glaubensväter erinnern.
An ihr Glaubensgut und ihren Glaubensmut, an ihre Gottesfurcht und ihre Entschlossenheit, lieber ihr Leben zu lassen, als eine Überzeugung von biblischen Wahrheiten um äußerer Vorteile willen preiszugeben.

Während die Reformation im 16. Jahrhundert in Deutschland relativ unblutig verlief konnte sich die Reformation in England nur unter blutigen Verfolgungen durchsetzen. Allein in den fünf Regierungsjahren der blutigen Maria (1553-1558) wurden über 200 Anhänger der Reformation öffentlich verbrannt, darunter ihre Führer Thomas Cranmer, Nicholas Ridley und Hugh Latimer.

Doch diese öffentlichen Verbrennungen, bei denen oft große Menschenmengen erschüttert Anteil nahmen, hatten eine enorme Wirkung auf das Volk und haben vielleicht mehr zur Verbreitung und Wertschätzung des Evangeliums beigetragen als viele Predigten und Streitschriften.

Leider sind die englischen Reformatoren und Märtyrer in Deutschland kaum bekannt. Daher scheint es mir nützlich zu sein, das Leben und vor allem das Sterben dieser Männer kurz zu skizzieren. Oft fehlt es uns an einem Maßstab für unsere Größe. Nur so kann man manche Fehleinschätzungen in der heutigen evangelikalen Szene erklären.

Nicholas Ridley (ca. 1503 - 1555)

Ridley wurde ungefähr im Jahr 1503 in Willymotiswick, nicht weit von der schottischen Grenze, geboren. Während Luther in Wittenberg die 95 Thesen gegen den Ablaß veröffentlichte, studierte Ridley zunächst in Cambridge, später in Paris und Löwen, um dann wieder in Cambridge Karriere zu machen. Außergewöhnlich begabt und durch seinen Fleiß und sein Wissen geehrt, wurde er bereits 1532 Universitätskaplan. 1540 erlangte er die Doktorwürde der Theologie und in demselben Jahr wurde er auch der Kaplan Heinrich VIII.

Sein Sohn, der entschieden protestantische und vom Volk sehr geliebte Eduard VI., der leider früh starb, machte Ridley 1550 zum Hofprediger und Bischof von London. Doch bereits eine Woche nach dem Tod des Königs und der Thronbesteigung Marias, wurde Ridley als Staatsgefangener in den Tower abgeführt. Am 16. Oktober 1555 wurde er gemeinsam mit Hugh Latimer verbrannt.

Die geistliche Entwicklung

Über die geistliche Entwicklung dieses Märtyrers wissen wir nicht viel. Wahrscheinlich ist er durch das Studium der Bibel zur Bekehrung durchgedrungen und hat nach und nach die Wahrheit erkannt. Nachdem er aber zur Erkenntnis der Wahrheit gekommen war, setzte er alle seine Begabungen und Fähigkeiten ein, um das Evangelium zu verkündigen und das Papsttum und die Irrlehren der katholischen Kirche in aller Deutlichkeit anzuprangern. Je entschiedener er auftrat, umso mehr Achtung gewann er sowohl bei dem schlichten Volk, als auch bei den Studenten und Akademikern.

In der kurzen Regierungszeit Eduard VI. hat Ridley gemeinsam mit Erzbischof Cran mer und Hugh Latimer alle Kräfte eingesetzt, um die Reformation in England zu unterstützen und voranzutreiben.

Seine Mitmenschen beschrieben ihn als einen besonders freundlichen, fröhlichen und gutmütigen Mann, der ein besonderes Herz für die Armen und Benachteiligten der Gesellschaft hatte. Er nahm sich täglich jeden Morgen, Mittag und Abend Zeit, um in seiner Gebetskammer knieend zu beten und die Bibel zu studieren. Entspannung fand er eigenartigerweise beim Schachspiel.

Man erzählt vom ihm, daß er jedem, der lesen konnte, ein Neues Testament schenkte und Leute in seiner Umgebung mit Geld anreizte, wichtige Kapitel auswendig zu lernen, wobei er Apg 13 bevorzugte.

Die Hinrichtung

Nach einer Disputation in Oxford mit katholischen Theologen über das Abendmahl, in der Ridley, Cranmer und Lahmer die katholische Lehre vom eucharistischen Opfer und der Transsubstantiation entschieden ablehnten, waren die Tage dieser Reformatoren gezählt. Die blutige Maria - unterstützt vom Papst, der den Kardinal Pole als Legaten nach England geschickt hatte, um die Reformation zu bekämpfen - ruhte nicht, bis diese Zeugen des Evangeliums auf dem Scheiterhaufen brannten.

Nachdem man das Verdammungsurteil über ihn ausgesprochen hatte, durch das er aus der Kirche ausgestoßen und der weltlichen Obrigkeit übergeben wurde, erlaubte man ihm, in der Nacht vor seiner Hinrichtung mit der Familie des Bürgermeisters und einigen weiteren Geladenen ein Abendessen zu halten. Man erzählt, daß er der einzig Fröhliche bei Tisch war und gesagt habe: "Obwohl mein Frühstück etwas scharf und schmerzhaft sein wird, so wird doch mein Abendmahl desto herrlicher und süßer sein!"

Auf dem Weg zur Hinrichtung verschenkte er alle Habseligkeiten an die weinenden Anwesenden und stellte fest, als er sich umwandte, daß Hugh Latimer, in ein Leichentuch gekleidet, ihm zur Hinrichtung folgte.

"Oh, bist du da?"

"Ja", sagte Latimer, "ich halte mich hinter dir, so schnell ich folgen kann."

Am Hinrichtungsplatz angekommen, erhob er in feierlicher Geste die Arme und blickte zum Himmel auf. Dann lief er auf Latimer zu und umarmte und küßte ihn mit den Worten: "Sei unverzagt, Bruder, denn Gott wird entweder die Gewalt der Flammen auslöschen, oder uns stärken, sie zu ertragen."

Danach ging er zum Scheiterhaufen, küßte ihn und betete inbrünstig, indem er die Hand erhob und sagte:

"Oh, himmlischer Vater, ich danke Dir von Herzen, daß Du mich berufen hast, Dich zu bekennen, sogar bis zum Tode. Ich flehe Dich an, Herr, Gott, sei diesem Königreich England gnädig und erlöse dasselbe von allen seinen Feinden!"

Als dann der Schmied kam und eine eiserne Kette um Ridley mit einem Nagel einschlagen wollte, blitzte in dieser Situation die geistige Überlegenheit und der Humor Ridleys noch einmal auf, als er dem erstaunten Schmied zurief:

"Guter Geselle, schlag fest zu, denn dem Fleisch ist nicht zu trauen!"

Als dann die ersten brennenden Reisigbündel vor die Füße der Märtyrer gelegt wurden, sprach Latimer den berühmten Satz zu Ridley: "Seid guten Mutes, Master Ridley, und zeigt Euch als Mann. Wir werden heute durch Gottes Gnade ein solches Licht in England anzünden, das - darauf vertraue ich - nie ausgelöscht werden wird!"

Die letzten Worte Ridleys waren: "Herr, Herr, nimm meinen Geist auf!"

Während Latimer schnell starb, litt Ridley fürchterlich, weil das Reisig zunächst nur seine Füße verbrannte und sein Hemd und seinen Oberkörper nicht erreichte. Erst nach langen Qualen, nachdem ein Dabeistehender dafür sorgte, daß die Flammen hochschlugen und das Feuer das Schießpulver, das an seinem Hals befestigt war, entzündete, verbrannte dieser Mann Gottes.

Die zuschauende Menschenmenge war erschüttert. Viele brachen in Tränen aus und beklagten die grausame Hinrichtung dieser Männer, die verbrannt wurden, weil sie ihre Stimme für das biblische Evangelium und gegen den Irrtum erhoben hatten.

Abschließend die letzten Sätze aus einem Brief Ridleys an "die um Christi willen Gefangenen":

"...Solange wir leben, müssen wir durch viele Trübsale gehen, bevor wir in das Himmelreich gelangen können. Aber dann, wenn der Tod seinen Pfeil abgeschossen hat und alle Feinde des Christenmenschen getan haben, was sie konnten, vermögen sie danach nichts mehr zu tun. Was konnte dem armen Lazarus, der vor des reichen Mannes Tür lag, noch schmerzen oder kränken? Seine frühere Armut und Not, sein elendes Bettlerdasein, seine schrecklichen Wunden und seine Krankheit? Denn in dem Augenblick, als der Tod ihn mit seinem Pfeil getroffen hatte, kamen die Engel und brachten ihn geradewegs in Abrahams Schoß.

Was kann einer durch den Tod verlieren, der durch den Dienst der Engel aus Elend und Not an den Ort der Freude und des Trostes gebracht wird?

Lebt wohl, meine Brüder, lebt wohl! Laßt uns unsere Herzen in allem Kummer und im Tode mit dem Worte Gottes trösten; denn Himmel und Erde werden vergehen, das Wort des Herrn aber bleibt in Ewigkeit."

 

Nachtext

Quellenangaben

Benutzte Quellen:

J.C. Ryle, Fünf englische Reformatoren (erscheint voraussichtlich im Herbst '95) Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 5

Theodor Fliedner, Evangelisches Märtyrerbuch (vergriffen)