Zeitschrift-Artikel: Jerusalem oder Jericho

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Titel: Jerusalem oder Jericho
Typ: Artikel
Autor: H. C.
Autor (Anmerkung):

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Titel

Jerusalem oder Jericho

Vortext

Text

Wer nur flüchtig den Wegweiser oben liest, fühlt sich zunächst einmal in seiner von allen Seiten bestätigten Meinung bestärkt, daß man auf vielen Wegen das gleiche Ziel erreichen kann, fangen doch alle Schilder deutlich mit den gleichen Buchstaben an. Der eine versucht es halt so, der andere so, heißt es. Genau nehmen es nach dieser verbreiteten Ansicht nur finstere Fundamentalisten, denen sowieso alles Mögliche zuzutrauen ist... Die anderen wissen um die "Gnade", von der am Ende alles abhängt, und die schließlich alles Verkehrte wieder einrenken wird. Warum sich also um das "Kleingedruckte" Sorgen machen? Außerdem ist der Weg in östliche Richtung viel bequemer. Er geht gemütlich bergab, man kommt sozusagen beinahe von selbst ans Ziel. Und dann die Scharen, die in diese Richtung gehen! Die können sich doch nicht alle irren? Na, schließlich, und wenn schon... Dazu kommt, daß Christen doch von ihrem Glauben reden sollen. Das kann man als "guter Kumpel", der überall mit dabei ist, viel besser, als wenn man einsam und - wie es dann heißt - verbissen gegen den Trend an bergauf steigt und nichts als Strapazen davon hat. Das ist doch nur Enge und Gesetzlichkeit, die haben noch nichts von der "Freiheit eines Christenmenschen" gehört.

Leider ist dies die vorherrschende Meinung unter jungen und alten Christen.

Manchem kommen wohl hin und wieder Bedenken; aber es fehlt- wie gesagt -an der Zeit, einmal gründlich hinzuschauen und darüber nachzudenken. Aber wie anders gehen wir in weltlichen Dingen vor. Wenn wir einen Mietvertrag abschließen oder ein Auto kaufen, wissen wir genau, wie wichtig das "Kleingedruckte" ist, und welch verheerende Folgen eine voreilige Unterschrift haben kann.

Wenn es aber um unsere Seele, um die Ewigkeit, um Gott selbst und Seine heiligen Forderungen geht, meinen wir oft, ein ganzes Leben mit dem Wissen eines Sonntagsschülers auskommen zu können. Mit ein paar Kernsprüchen im Hinterkopf wollen wir dann einen Kampf bestreiten, für den der Apostel Paulus "die ganze Waffenrüstung Gottes" nötig hatte.

Das kann nur schiefgehen!

Laßt uns deshalb den Wegweiser noch einmal etwas genauer ansehen!

Da geht es ostwärts nach Jericho und in westliche Richtung nach Jerusalem. Da geht es einmal bergab und einmal bergauf. Da geht es rechts hinab in eine Stadt, die unter dem Fluch Gottes liegt und links hinauf zur Stadt Gottes, zu Seinem Haus.

Wir müssen nun entscheiden, weiche Richtung wir einschlagen wollen. Dir ist klar, was du wählen solltest; aber die Kraft dazu kommt dir nicht durch rationale Einsicht, sondern nur, wenn du auf den Herrn Jesus blickst, auf Seine herrliche Größe einerseits und auf Seine durchbohrten Hände und auf das Kreuz andererseits, und indem du begreifst, daß dieser Herr sich so weit erniedrigen mußte, wenn auch nur ein Mensch selig werden sollte.

Jetzt höre ich, wie du seufzt, daß du schon zu viele solcher Predigten gehört hast; aber sie haben weder Angst vor Gottes Zorn, noch Lust auf den Himmel erzeugt und deines Christseins bist du auch schon lange nicht mehr froh geworden.

Ich sage dir, damit stehst du nicht allein, sondern teilst das Schicksal der meisten - ja, der meisten... Und selbst viele, die fromm reden, gleichen Kindern, die im dunklen Keller pfeifen oder blinden Galeristen.

Warum wird durch solche Predigten das Herz nicht warm? Warum erstrahlt uns kein Licht von Jerusalem her, daß wir gern in seine Richtung gehen? Warum lockt Jericho so unwiderstehlich? Warum bekommen wir keine Antworten auf unsere Bitten um Wegweisung? Gott hat sie doch verheißen!

Geht es uns wirklich um Klarheit, so will ich vorsichtig und in dem Bewußtsein, selbst äußerst mangelhaft zu sein, eine Antwort geben.

Zu allererst geht es darum, "Gottes Angesicht zu suchen". Darunter versteht man gewöhnlich, und ganz zu recht, daß man beten soll. "Aber, das habe ich doch schon oft versucht", sagst du jetzt bestimmt, "nur geholfen hat es nicht".

Tatsächlich heißt es, man solle beten; aber wenn man telefoniert, fängt man nicht gleich zu sprechen an, nachdem man den Hörer abgenommen hat, sondern man wartet, bis sich am anderen Ende jemand meldet. Vorher ist alles Reden (Beten) ziemlich sinnlos. Ich rede von Gläubigen. Ungläubige erhört Gott sofort, sobald sie sinngemäß sagen: "Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig". Sind Gläubige nun schlechter dran als Ungläubige? Nein, natürlich nicht. Wir stehen zu Gott im Kindesverhältnis, und unser Vater setzt deshalb eine ununterbrochene Gebetsverbindung mit Ihm als selbstverständlich voraus, sagen wir doch selbst gern, daß wir ohne Gott nichts fertigbringen (wir drücken uns dabei allerdings meistens feierlicher aus und sagen: Wir vermögen nichts ohne Ihn.).

Wenn wir aber trotzdem lange Funkstille bewahren, wartet Gott zwar weiter ohne Unterbrechung auf uns; aber Er antwortet nicht sofort, wenn wir einmal durch Schwierigkeiten gezwungen, Ihn um Hilfe bitten. "Legen wir dann schnell den Hörer auf", so kommen wir zu dem Ergebnis: Beten hilft nichts! Und wir haben recht. So hilft es nichts.

Gott will, daß wir Sein Angesicht suchen. Daß wir solange "klingeln lassen", bis Er sich meldet. Du sagst sicher: "Das kann ja lange dauern"; aber wenn es dir um wirklichen "Anschluß" geht, wirst du diese Zeit investieren müssen. Bedenke, es geht um die Verbindung zu dem Allmächtigen, es geht um Ewigkeit, es geht um das einzig Wesentliche! Da lohnt sich der Einsatz.

Aber wundere dich nicht, wenn dann sofort der Teufel kommt und dir alles Mögliche erzählt. Ist eigentlich das Auto abgeschlossen? Ehe du's vergißt, dreh vor dem ersten Frost noch schnell die Außenwasserleitung ab! Ist der Herd in der Küche ausgeschaltet? Solltest du nicht erst die lang vertrödelte Rechnung fertig schreiben, Christen bleiben doch nichts schuldig! Gleich, wenn ich zur Arbeit komme, muß ich den Fehler von gestern beheben, wie war das bloß noch?... Daß ich jetzt richtig beten will, ist doch etwas toll Frommes. Das werde ich gleich in der nächsten Jugendstunde den anderen vortragen. ..Also, ich fange an mit dem Bild von dem Wegweiser... usw. usw. Wie oft bin ich aufgestanden und hatte kaum gebetet.

Du weißt jetzt also, daß du mit dem Teufel rechnen mußt; denn der kennt nur eine Sorte Menschen, vor der er Angst hat. Das sind die wirklichen Beter.

Und dann fang an! Fang an und hör nicht auf, bis du Sein Angesicht gefunden hast!

Ruf den Namen des Herrn Jesus an, immer wieder!

Ruf Ihn an! (Sprüche 18,10 und Lukas 18,7)

Rufe, schreie, bis Er dir gnädig ist (Psalm 123 und Psalm 130). Hör nicht auf, bis du weißt, daß Er zuhört! Hör nicht auf!....

Alles hängt davon ab, daß du die Verbindung wieder herstellst. Wenn du überlegst, seit wann du nicht mehr mit Gott im eigentlichen Sinne redest, dann kannst du froh sein, daß dein himmlischer Vater dir nicht mit gleicher Münze heimzahlt, sondern gern zum Vergeben bereit ist.

Mache es wie Jakob am Ufer des Jabbok, der sagte: "Ich lasse dich nicht los, du habest mich denn gesegnet!" Und dann ging ihm die Sonne auf Dann macht es sogar Freude, nach Jerusalem hinaufzusteigen, einerlei, wie steil der Weg auch werden mag.

H.C.

Nachtext

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