Zeitschrift-Artikel: Walter Wangerin: Das Buch von Gott - Die Bibel als Roman

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Titel: Walter Wangerin: Das Buch von Gott - Die Bibel als Roman
Typ: Buchbesprechung
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

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Titel

Walter Wangerin: Das Buch von Gott - Die Bibel als Roman

Vortext

Text

Es gibt Bücher, die so überflüssig oder schädlich sind, daß auch eine negative Rezension ihnen zu viel Ehre erweisen würde. Jeder Verlag weiß, daß auch eine kritische Rezension ein Buch interessant macht und die Verkaufszahlen erhöht.

Daher habe ich lange gezögert, meine Eindrücke von diesem Buch weiterzugeben. Da man sich aber auch durch Schweigen schuldig machen kann und dieses Buch mit dem anspruchsvollen Titel "Das Buch von Gott" von einem Verlag herausgegeben wurde, der von seinen Ursprüngen her aus der sog. "Brüderbewegung" kommt und ,der für die als besonders grundtextnahe "Elberfelder"-Übersetzung der Bibel bekannt ist, gebietet die Achtung vor der Heiligen Schrift eine deutliche Stellungnahme. Dabei muß ich das Risiko eingehen, daß dieses Buch dadurch noch mehr an Interesse gewinnt, als mir lieb ist.

Der Verlagsinhaber des Brockhaus Verlages, Dr. Ulrich Brockhaus, hat sich mit seinem Namen für dieses Buch stark gemacht und es in seiner Werbung mit folgenden Worten sogar als eine "Übertragung der Bibel" empfohlen:

"In mehr als dreißig Jahren habe ich an Bibelrevisionen mitgearbeitet. Noch nie habe ich eine Übertragung der Bibel so gerne gelesen wie dieses herausragende Werk. Lesen Sie bald dieses Buch! Es wird auch Ihnen einen neuen Zugang zum Buch der Bücher vermitteln."

Nun ist inzwischen eine sehr kritische Stellungnahme von Lienhard Pflaum und Rudolf Ebertshäuser in der "Wegweisung" und in dem "Informationsbrief" der Bekenntnisbewegung veröffentlicht worden und ich hatte gehofft und auch erwartet, daß der Brockhaus Verlag das Buch aus dem Handel zurückziehen würde, nachdem sich sogar einige christliche Buchhändler geweigert haben, dieses Buch zu verkaufen.

Nachdem aber im Frühjahr 1998 in einem Informationsschreiben an Buchhändler "Das Buch von Gott" von dem Verleger Ulrich Brockhaus als eines der "Spitzentitel des letzten Programmes" bezeichnet wurde, das "einiges bewegt hat", wurde deutlich, daß es sich bei der Herausgabe und Verbreitung dieses Buches nicht um einen bedauerlichen "Schnellschuß" gehandelt hat, dessen Inhalt man nicht gründlich genug geprüft hatte, sondern das dieser Titel bewußt und mit Nachdruck empfohlen wird.

Den Erzählstil des Verfassers, der im Buch als lutherischer Theologe und Literaturwissenschaftler in den USA vorgestellt wird und sich "mit seinen vielbeachteten und mehrfach ausgezeichneten Büchern ... einen Namen gemacht hat", kann und möchte ich nicht beurteilen. Auf mich wirkte der Stil weder "fesselnd" noch "spannend" und ich habe dieses Buch auch nicht - wie angepriesen -"mit Vergnügen" als ein "herausragendes Werk" gelesen. Aber das kann daran liegen, daß ich seit über 35 Jahren täglich mit großer Freude und Dankbarkeit die nichtrevidierte "Elberfelder Bibel" lese und mir daher der Roman an vielen Stellen vergleichsweise blaß und langweilig vorkommt.

Tragischer ist, daß der Verfasser inhaltlich einerseits den Text der Bibel und besonders das Leben Jesu teilweise sehr oberflächlich und verkürzt darstellt und andererseits an einigen Stellen den biblischen Bericht ausschmückt und damit entstellt und verzerrt.

Man bekommt den Eindruck, daß fast alle Berichte der Bibel, die irgendwie Gelegenheit bieten könnten, die sexuelle Phantasie anzuregen, sehr farbig und phantasiereich ausgemalt werden (z.B. die Darstellung, wie Johannes der Täufer gezeugt wird, S. 646-647). Dagegen werden eindrückliche Szenen aus dem Leben Jesu entweder gar nicht, oder nur sehr knapp und langweilig dargestellt.

An einigen Stellen wird der Text der Bibel auch entstellt. Tamar, die Tochter Davids, wird zur "Braut" des Hohenliedes gemacht, die sich in Salomo verliebt hat (S. 409 ff.); aus den beiden Emmaus-Jüngern wird Kleopas und seine achtzehnjährige Tocher (S. 924), der Verrat des Judas wird so hingestellt, als hätte Judas durch die Gefangennahme Jesus nur herausfordern wollen, seine Macht unter Beweis zu stellen (S. 872) und dem reuigen Schächer wird angedichtet, daß er der Sohn der "blutflüssigen Frau" sei (S. 908). Wie der Verleger bei einem solch freien Umgang mit biblischen Vorgaben von einer "Übertragung der Bibel" reden kann, ist mir rätselhaft.

Erschütternd finde ich, wie an einigen Stellen die Person unseres Herrn dargestellt und herabgewürdigt wird. Wenn der Autor z.B. schreibt. "Jesus beugte sich nach vorne und legte sich dann auf die Seite, so daß sein Kopf in Marias Schoß lag. >Frau<, bat er leise, >würdest du mich bitte eine Weile im Arm halten?"< (S. 779), oder Maria Magdalena angedichtet wird "sie saß neben ihm und strich ihm zärtlich über das Haar" (5. 807), dann machen diese Beispiele deutlich, daß der Autor weder mit Ehrfurcht, noch mit Taktgefühl geschrieben hat.

Weitere Beispiele, wie Jesus angeblich in Gethsemane "mit den Zähnen geknirscht"(S. 883) und Maria Magdalena nach der Auferstehung Petrus aufgefordert hat: "Simon, tanz mit mir! Drück mich an dich und wirbel mich herum, denn ich habe gerade den Herrn gesehen..." (S. 923), werden sicher heute von vielen Christen nicht mehr als anstößig gesehen. Für mich sind sie jedoch ein Zeichen dafür, wie man mit einer vom heutigen Lebensstil getönten Brille die Heilige Schrift und damit auch heilige Geschichte profanisiert.

Die Tatsache, daß dieses Buch in evangelikalen und charismatischen Zeitschriften gelobt und empfohlen wird, markiert den moralischen und geistlichen Tiefstand der heutigen Christenheit.

Nachtext

Quellenangaben

 Brockhaus/Styria, gb., 958 S., DM 49,80