Zeitschrift-Artikel: Wenn einem Führer der Kragen platzt...

Zeitschrift: 87 (zur Zeitschrift)
Titel: Wenn einem Führer der Kragen platzt...
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1402

Titel

Wenn einem Führer der Kragen platzt...

Vortext

Text

Der folgenschwerste Augenblick im Leben des Mose

4. Mose 20, 1-13

Was war die folgenschwerste Sünde im Leben des Mose?

Wahrscheinlich werden viele an die Begebenheit denken, als Mose im Zorn den Ägypter erschlug. Andere werden an die Heirat mit der kuschitischen Frau erinnern. Tatsache jedoch ist, dass eine unbeherrschte Haltung in einer besonderen Situation in Gottes Augen so gravierend war, dass Mose der Einzug ins verheißene Land verwehrt wurde und sein mitbeteiligter Bruder Aaron kurze Zeit später starb.

Das, was in unseren Augen eine unbedeutende, menschlich gut verständliche Schwäche im Leben dieses leidgeprüften Mannes Gottes war, bezeichnet Gott als "Widerspenstigkeit" (5Mo 32,51), "Unglaube" (4Mo 20,12) und als "Gott nicht heiligen" (V. 12).

Mose selbst erinnerte das Volk Israel noch drei Mal an diese Sünde, die Gottes Gericht auslöste (5Mo 1,37; 3,36; 4,21) und wir lernen daraus, dass sich Gottes Maßstäbe für Sünde offensichtlich sehr von den unseren unterscheiden.

Leider ist unser Urteil über Sünde getrübt durch den Einfluss der Umwelt, durch Humanismus, Psychologie und "neue Toleranz".

Bevor wir uns aber die verhängnisvolle Sünde im Leben Moses näher ansehen, wollen wir uns daran erinnern, welch einmaliges Zeugnis die Heilige Schrift diesem Führer des Volkes Gottes ausstellt.

Das Zeugnis der Schrift über Mose

Gott selbst gab Mose das selten verliehene Prädikat "Mann Gottes" (5Mo 33,1). Außerdem: Gott konnte mit ihm "von Angesicht zu Angesicht wie zu einem Freund" reden (2Mo 33,11). Nur von Mose wird berichtet, dass er "sehr sanftmütig" war, "mehr als alle Menschen die auf dem Erdboden waren" (4Mo 12,3). Schließlich bekam Mose nach seinem Tod den einmaligen Nachruf: "Und es stand in Israel kein Prophet mehr auf wie Mose, welchen Gott gekannt hätte von Angesicht zu Angesicht..." (5Mo 34,10)

Daher wollen wir mit dem nötigen Respekt über die schwache Stunde im Leben dieses geistlichen Giganten nachdenken und unsere Lektionen daraus ziehen.

Die äußeren Umstände

Israel lagerte nach einer etwa 38-jährigen Wüstenreise in Kades. Myriam, die Schwester Moses und Aarons, war hier gestorben und das Volk erlebte in Kades eine Prüfung, die es bereits am Anfang der Wüstenreise durchlebt hatte: "es war kein Wasser da".

Jahrzehnte war ihnen auf ihrer Reise das Wasser aus dem Felsen gefolgt, den Mose damals auf Gottes Befehl geschlagen hatte. Täglich hatten sie also das Wunder der Versorgung Gottes eindrücklich vor Augen, aber offensichtlich hatten sie sich im Lauf der Zeit so daran gewöhnt, dass Gott es für richtig hielt, ihnen für kurze Zeit diese Segnung zu entziehen, um sie zur Dankbarkeit zu erziehen. Eine Lektion, die wir in unserem Leben auch immer wieder neu buchstabieren müssen.

Die Reaktion des Volkes: Murren und Hadern! Sie machen Mose und Aaron heftige Vorwürfe, dass sie das Volk aus Ägypten geführt haben und wünschen sogar "mit ihren Brüdern umgekommen zu sein" - eine Anspielung auf das furchtbare Geschehen, als die Rotte Korah lebendig von der Erde verschlungen wurde. Damals hatten sie vor Entsetzen geschrieen und jetzt wünschen sie sich den gleichen Tod. Welch unvorstellbare Dummheit, Vergesslichkeit und Undankbarkeit!

Die erste Reaktion

Mose und Aaron ließen sich auf keine Diskussionen ein, sie suchten keine Auseinandersetzung mit dem Volk, sondern flüchteten in die Gegenwart Gottes, um dort wortlos auf ihre Angesichter zu fallen und auf diese Weise Gott gegenüber ihren Kummer auszudrücken.

Lernen wir von ihnen, auf persönliche Angriffe, Unterstellungen und Beleidigungen mit Gebet und nicht mit Rechtfertigung oder Anklage zu reagieren. Das allein bewahrt vor Bitterkeit und Resignation und das ist sicher auch eine Ursache dafür, dass der schwergeprüfte Mose am Ende seines Lebens das Volk Gottes trotz allen leidvollen Erfahrungen segnen konnte (vgl. 5Mo 33,29ff.).

Die Antwort Gottes

Während Mose und Aaron erschüttert auf ihren Angesichtern liegen, erscheint ihnen die Herrlichkeit Gottes. Kann man etwas Größeres auf der Erde erleben? Was bedeuten schon alle Leiden und Nöte in der Nachfolge unseres Herrn, wenn Er uns Seine Herrlichkeit offenbart!

Wahrscheinlich erlebten die beiden Männer etwas von der "Glückseligkeit", die der Herr im NT denen verheißen hat, die um seinetwillen geschmäht und verleumdet werden: "Freuet euch und frohlocket, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln" (Mt 5,11).

Und dann gibt Gott einen Befehl, über den wir nur staunen können und der die Gnade und Barmherzigkeit Gottes aufstrahlen lässt: "Nimm den Stab und versammle die Gemeinde ...und redet vor ihren Augen zu dem Felsen, so wird er sein Wasser geben."

Der Text macht deutlich, dass es sich hier nicht um den Stab Moses handelt, mit dem er damals den Felsen geschlagen hatte, sondern Gott befiehlt, den Stab Aarons zu nehmen, der gesprosst hatte und als Beweis der anerkannten Hohenpriesterschaft Aarons vor Gott lag, als "Zeichen für die Widerspenstigen" (vgl. 4Mo 17,10).

Aus 1Kor 10,4 wissen wir, dass der damals von dem Gesetzgeber Mose geschlagene Felsen ein Bild von Christus ist, der auf Golgatha von Gott, dem Richter, an unserer Stelle und zu unserem Heil geschlagen wurde. Damit war der Preis für die Vergebung unserer Sünden bezahlt und die Grundlage für die Gabe des Heiligen Geistes, der Pfingsten auf die Erde kam, gelegt.

Jetzt aber sollte der Felsen nicht mehr mit dem Stab Moses geschlagen werden, sondern angesichts des Stabes Aarons, des Hohenpriesters, sollte Mose zu dem Felsen sprechen. Eine wunderschöne Illustration dafür, dass der Herr Jesus ein für allemal von Gott geschlagen wurde und dass Gott nun segnen kann, wenn wir "zum Felsen sprechen", d.h. im Gebet zu Ihm kommen, der sich als der erhöhte und verherrlichte Herr für uns verwendet.

Welch ein Kontrast: ein murrendes Volk und ein barmherziger Gott, der seinem unzufriedenen Volk eine neue Offenbarung seiner Gnade schenken möchte!

Eine falsche, verhängnisvolle Blickrichtung

Zunächst reagiert Mose treu der Anordnung Gottes. Er nimmt den Stab Aarons und versammelt das Volk vor dem Felsen. Aber in den folgenden Sekunden entscheidet sich die Zukunft Moses. Plötzlich sieht er nicht auf den Felsen, um zu ihm zu sprechen, wie Gott befohlen hat, sondern er dreht sich um zu dem halsstarrigen Volk Israel und schaut in die hadernden, undankbaren, verbiesterten und verkniffenen Gesichter dieser Männer und Frauen, die er nun schon über drei Jahrzehnte ertragen musste. Und bei diesem Anblick packt ihn der Zorn und statt den Stab Aarons greift er seinen Stab, mit dem er den Nil und auch den Felsen geschlagen hatte und redet nicht wie befohlen zu dem Felsen, sondern zu der versammelten Menge.

Es kommen keine freundlichen Worte aus dem Mund dieses Mannes, dessen Sanftmut ansonsten beispielhaft war. Nein, zwei kurze Sätze, die wie Peitschenhiebe sitzen: "Höret doch, ihr Widerspenstigen! Werden wir euch Wasser aus dem Felsen hervorbringen?"

Und dann folgt eine unbeherrschte und fleischliche Reaktion, er schlägt den Felsen zornerfüllt gleich zweimal...

Erinnern wir uns: Gott wollte in dieser Situation dem Volk Israel eine neue, eindrückliche Offenbarung seiner Gnade schenken und Mose sollte das Werkzeug dazu sein. Moses unbeherrschte Haltung verhinderte zwar nicht den Segen - der Felsen gab Wasser für das Volk - aber verunehrte Gott, den er in dieser Situation nicht "heiligte".

Mose, der das Volk zum "Hören" aufforderte und sie als "Widerspenstige" bezeichnete, muss aus Gottes Mund vernehmen, dass genau dieses Urteil auf ihn zurückfiel "...weil ihr meinem Befehl widerspenstig gewesen seid" (V. 24).

Doch um zu verstehen, warum Gott so radikal reagierte, muß man bedenken, dass es - im Vorbild des Felsens - um die Einmaligkeit und Allgenügsamkeit des Opfers Jesu ging, wo eine Wiederholung dieses unendlich wertvollen Opfers -auch im Vorbild - nicht geduldet werden konnte.

Tragisch, wenn in Krisensituationen unser Blick nicht auf den Herrn, sondern auf Umstände oder Menschen gerichtet ist!

Was lernen wir daraus?

1. Gott legt großen Wert darauf, dass die Einmaligkeit des Opfers seines Sohnes verstanden und wertgeachtet wird!

2. Gott möchte durch sein Volk und besonders durch die Führer des Volkes geheiligt werden, ihr Verhalten soll Gottes Wesen widerspiegeln.

Hüten wir uns daher vor

" Reizbarkeit und Ungeduld

" Richtgeist und Überheblichkeit

" fleischlichem Eifer

" Nichtbeachten genauer Anweisungen Gottes

3. Gott segnet trotz Sünden der Führer. Segen ist immer Gnade und nicht immer Beweis unserer Integrität und Treue.

"Erfolg" ist kein untrüglicher Gradmesser für Gottes Zustimmung. Viel wichtiger ist, ob wir durch unseren Dienst Gott verherrlichen, ein biblisches Gottesbild vermitteln und Seine Ehre suchen.

4. Das murrende Volk bekommt Wasser und zwei hingegebene Diener Gottes müssen sterben.

Diese sehr ernste, uns paradox scheinende Wahrheit macht deutlich: "...wem viel gegeben ist, viel wird von ihm verlangt werden" (Lk 12,48) und "in denen, die mir nahen, will ich geheiligt werden und vor dem ganzen Volk will ich verherrlicht werden" (3Mo 10,3).

Ein tröstender Ausblick

Es ist bewegend zu lesen, dass ausgerechnet Mose und Elia, beides Männer Gottes, die wegen ihrer anklagenden und verbitterten Haltung dem Volk gegenüber vorzeitig ihren Dienst beenden mussten, von Gott mit einem außergewöhnlichen "Heimgang" geehrt wurden. Mose wurde von Gott selbst begraben und Elia wurde in einem Triumphzug in den Himmel geholt. Und beide finden wir in der Gegenwart des Herrn Jesus auf dem Berg der Verklärung, um den "Ausgang" dessen zu besprechen, der in seinem Leben und Sterben Gott vollkommen geehrt und verherrlicht hat. Der abgrundtiefe Hass der Menschen, die Ihn schließlich an das Kreuz auf Golgatha schlugen, war nur der dunkle Hintergrund, auf dem unser Herr die Liebe, Gnade und Gerechtigkeit Gottes offenbarte, so dass Gott "geheiligt" wurde und gleichzeitig einer verlorenen Welt das Wasser des Lebens angeboten werden konnte.

"Wenn wir untreu sind - er bleibt treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen" (2Tim 2,13).

Nachtext

Quellenangaben