Zeitschrift-Artikel: Ein Schauspiel?!

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Titel: Ein Schauspiel?!
Typ: Artikel
Autor: Thomas Lange
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Titel

Ein Schauspiel?!

Vortext

Text

Beim Begriff Schauspiel denken wir vielleicht spontan an Hollywood-Filme, Theater-Aufführungen oder mehr oder weniger mittelmäßige Wildwest- streifen. Dabei geht es meistens um etwas Unwahres und Erdachtes. Doch erstaunlicher Weise wird der Begriff auch verwendet, um den Sohn Gottes und seine Anhänger zu beschreiben, wie sie inmitten der gefallenen Welt als Fremdkörper angesehen und auch so behandelt werden.

› Der Hauptdarsteller

Jesus, der Sohn Gottes, wurde in einem Schauprozess an den Pranger gestellt und verurteilt. Die Menge grölte, als sie ihn nach der Geißelung und der Folter durch die Soldaten blutüberströmt neben Pilatus stehen sahen. Die schreiende Menge verfolgte ihn durch die Straßen von Jerusalem. Ein Folter-Instrument trug er selbst. An der Hinrichtungsstätte angekommen, wurden seine Hände und Füße von dicken und rauen Eisennägeln durchschlagen. Unvorstellbar muss der Schmerz gewesen sein. Die Menschen höhnten und lachten, spotteten und lästerten. Sie wähnten sich als Zuschauer. Denn es heißt, sie waren „zu diesem Schauspiel zusammen gekommen“ (Lk 23,48). › Die Nebendarsteller – in der Arena Jahre später mahnt Paulus in seinem ersten Brief an Korinth, dass der gläubige Christ nicht im Status der Selbstzufriedenheit erstarren darf, sondern die Wirklichkeit vor Augen haben muss. Die Realität des Christenlebens zeichnet das Bild einer Arena: „... denn wir sind der Welt ein Schauspiel geworden“ (1Kor 4,9). Eine Aufführung, die von Zuschauern umringt, oft mit dem Tod endete. Die Szenen sind geprägt von Stationen die da heißen: Hunger, Durst, Nacktheit, Schläge, Mühen, Arbeit, Schmähungen, Verfolgungen, Auskehricht und Abschaum sein (1Kor 4,11–13). All das und vieles mehr lässt erahnen, wie mühselig der schmale Pfad dem Christus nach sein kann. Weitere Jahre später ermutigt der unbekannte Schreiber des Hebräerbriefes die Judenchristen, in ihren schwierigen Umständen standhaft zu bleiben. Dabei lässt er die Vergangenheit Revue passieren und erinnert an die entbehrungsreichen Stunden des „Leidenskampfes“ (Hebr 10,32) und dass sie darin viel „erduldet“ haben. Auch sie wurden „durch Schmähungen und Bedrängnisse zur Schau gestellt“ (Hebr 10,33). Für „Schau“ (griech. theatrizo) kann man auch „Theater“ wiedergeben, in welchem wiederum etliche Zuschauer sitzen und sich amüsieren.

› Die Nebendarsteller – unter Anklage

In John Bunyans Pilgerreise sieht man Herrn Getreu ebenfalls vor einem Schaugericht stehen. Es wird gelogen, betrogen und manipuliert. Falsche Zeugen geben ihren Beitrag, um das Todesurteil zu fällen. Am Ende steht Herr Getreu, wie sein Name verrät, treu zu Jesus Christus und wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Als Jan Hus nicht bereit war, die Wahrheit zu verleugnen, befand er sich genau in solch einer Situation mit exakt dem gleichen Ausgang. Der Scheiterhaufen wurde vorbereitet und auf dem Konzil zu Konstanz wurde Hus verbrannt. Das ist nun 600 Jahre her. Bevor er starb, sagte er in Anlehnung an seinen Namen (Hus bedeutet Gans): „Heute verbrennt ihr eine Gans, aber in hundert Jahren werdet ihr einen Schwan singen hören, den ihr nicht verbrennen könnt. Den werdet ihr anhören müssen.“1 Dieser Schwan war zweifelsfrei Martin Luther! Auch er wurde verfolgt und in Worms vor ein Schaugericht gestellt. Dort sollte er den Inhalt seiner Schriften, beson- ders die aus Sicht der katholischen Kirche ketzerischen Inhalte, widerrufen. Doch umringt von Zuschauern und Anklägern, Spöttern und Zechern weigerte er sich, hielt standhaft aus und wurde verurteilt. „Am 14. Februar 1556 wurde der englische Reformator Thomas Cranmer – infolge der Inthronisierung der römisch-katholischen Maria I. – degradiert und von seinen Ämtern enthoben. Angesichts der drohenden Todesstrafe durch Verbrennung verleugnete er die reformierten Lehren Luthers und Zwinglis und schwor der römisch-katho- lischen Kirche und dem Papst die Treue, um sein Leben zu retten. Nach dem Gesetz war er nun freigesprochen, doch Maria I. beschloss an ihm ein Exempel zu statuieren und dass es für ihn keine Gnade geben sollte. Bei seiner letzten Predigt an seinem Todestag am 21. März 1556 zog er seine ‚Verleugnung‘ zurück und bestätigte, dass er den Papst und die Irrlehren der katholischen Kirche ablehnte. Auf dem Scheiterhaufen waren seine letzten Worte – während die Flammen lodernd um sich schlugen – ‚Herr Jesus, empfange meinen Geist [...] ich sehe die Himmel geöffnet und Jesus zur Rechten Hand Gottes.‘“2 Knapp 500 Jahre später weht der raue Wind der Chris- tenverfolgung noch immer. Nie zuvor starben mehr Menschen wegen ihres Glaubens an Christus als im zwan- zigsten Jahrhundert. Die Zeit hat sich geändert, doch das Schaupiel ist noch nicht zu Ende. Die blutigen „Theater- Aufführungen“ gehen in die nächste Runde. John Piper zitiert in seinem Buch „Schmeckt und seht“ Don Cormack, der ein Buch über die verfolgte kambod- schanische Kirche verfasste, folgendes: „Im Dorf Siem Riep in Kambodscha wusste der christ- liche Lehrer Haim, dass die jungen, schwarz gekleideten Soldaten der Roten Khmer, die gerade über das Feld kamen, dieses Mal seinetwegen kamen ... Haim war ent- schlossen, wenn er an der Reihe war, mit Würde und ohne Klagen zu sterben. Welcher Kambodschaner hatte seit der ‚Befreiung‘ am 17. April 1975 nicht über diesen Tag nachge- dacht? ... Haims ganze Familie war an diesem Nachmittag zusammengetrieben worden. Sie gehörten zum ‚Ungeziefer‘(!), zum ‚schlechten Blut‘(!), zu den ‚Feinden unserer glorreichen Revolution‘(!), zu den ‚CIA-Agenten‘(!). Sie waren Christen. Die Familienangehörigen lagen gefesselt auf dem taunassen Gras unter einer Baumgruppe und verbrachten eine schla ose Nacht damit, sich gegenseitig zu trösten und füreinander zu beten. Am nächsten Morgen kamen die jugendlichen Soldaten wieder und führten sie von ihrem Gethsemane zur Hinrichtungsstätte, zu den nahe- gelegenen ‚viel somlap‘, den ‚Killing Fields‘ ... Der Familie wurde befohlen, ein großes Grab für sich auszuheben. Dann bat Haim um einen Moment Zeit, um sich auf den Tod vorzubereiten. Als dies bewilligt wurde, fassten sich Vater, Mutter und Kinder an den Händen und knieten zusammen um die große Grube nieder. Haim begann unter lautem Weinen und Bitten an Gott, die Roten Khmer und alle entfernt stehenden Zuschauer zu ermahnen, Buße zu tun und dem Evangelium zu glauben. Danach sprang einer von Haims jüngeren Söhnen in Panik auf, rannte ins Gebüsch und verschwand. Haim stand ebenfalls auf und brachte mit erstaunlicher Ruhe und Autorität die Roten Khmer dazu, den Jungen nicht zu verfolgen, sondern ihm zu erlauben, ihn zurückzurufen. Die Zuschauer, die in einem Grüppchen zusammen- standen und hinter den Bäumen hervorspähten, die Roten Khmer und die bestürzte Familie, die immer noch am Grab kniete, sahen erstaunt zu, wie Haim anfing, seinen Sohn zu rufen. Er bat ihn dringend, zurückzukommen und mit seiner Familie zu sterben. ‚Was ist besser, mein Sohn‘, rief er ihm zu, ‚dein Leben noch um ein paar Tage in der Wildnis zu verlängern – flüchtig, elend und allein – oder dich deiner Familie in diesem Moment an diesem Grab anzuschließen, bald aber um den Thron Gottes zu stehen, für immer frei im Paradies?‘ Nach ein paar angespannten Minuten teilten sich die Blätter, und der Junge trottete weinend zu seiner knienden Familie zurück. ‚Jetzt sind wir bereit zu sterben‘ sagte Haim den Roten Khmer. Wortlos sahen die Umstehenden zu, wie jeder der getöteten Christen still in die Erdgrube fiel, welche die Opfer selbst ausgehoben hatten. Kaum einer von ihnen zweifelte daran, dass ihre Seelen zum Himmel auffuhren – an einen Ort, der von ihrem Herrn vorbereitet war.“3 Einige Jahrzehnte später, nachdem weitere Tausende von Märtyrern in den Himmel gegangen waren, fügt sich folgendes Ereignis nahtlos in die Geschichte der Christenverfolgung ein: Am 21.02.2015 werden 21 ägyptische Männer – allesamt Christen – am Ufer des Mittelmeeres brutal ermordet. Gekleidet mit orangefarbenen Anzügen wurde ihre Hinrichtung ge lmt und Minuten später in den modernen Medien „zur Schau“ gestellt. Zwischen Luther, der kambodschanischen Familie Haim, sowie diesen 21 Männern starben hunderttausende Männer und Frauen, nur weil sie Jesus Christus ihren Herrn nannten. Ihre Namen sind augenscheinlich vom Winde verweht und der Welt unbekannt. Aber bei Christus haben sie alle einen Ehrenplatz. Sie sind aufgeschrieben im Buch des Lebens des Lammes.

› Keine Komparsen!

Johannes 15,18–21 sagt: „Wenn die Welt euch hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt das Ihre lieben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt. Gedenkt des Wortes, das ich euch gesagt habe: Ein Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie mein Wort gehalten haben, werden sie auch das eure halten. Aber dies alles werden sie euch tun um meines Namens willen, weil sie den nicht kennen, der mich gesandt hat.“ Alles, was Jesus sagte, hat Gültigkeit, auch dieses wohl eher unbequeme Wort. Es löst Unbehagen aus und am liebsten würden wir solche Aussagen des Herrn weg- tun oder heilsgeschichtlich in eine frühere, längst vergan- gene Zeit einordnen. Doch solche Sätze stehen ebenso in der Bibel, wie alle anderen auch und sie besitzen volle Gültigkeit. Wir sollten die rechten Schlüsse daraus ziehen. Die letzten Jahrzehnte war Europa so etwas wie eine Insel. Weit entfernt von Christenverfolgung und Ausgrenzung um Jesu willen. Sozusagen eine heilsgeschichtliche Ausnahme-Situation. Denn der Normalzustand ist eigentlich, dass Christen verfolgt werden, wenn auch nicht immer gleich intensiv. Die Geschichte zeigt auch, dass über Nacht alles anders kommen kann und auch wir am Pranger stehen könnten, wie unsere vielen Geschwister in anderen Teilen der Erde, die bereits ihr Leben ließen. Wenn uns die Geschichte eines lehrt, dann dieses: Immer wieder waren die Christen „unter Beschuss“ – und Anlass für Hasstiraden. Ihnen wurden Dinge in die Schuhe geschoben, an denen sie nicht beteiligt waren. Sie wur- den als Schuldige auserkoren und zu Sündenböcken gemacht, an denen man seine Wut ausließ. Schauspiele wurden inszeniert und Theateraufführungen vollzogen. Ihnen wurde Gutes mit Schlechtem bezahlt. Letztlich entlädt sich an den Christen der Hass auf den lebendigen Gott selbst – seitens der Menschen, die in der Dunkelheit leben. Vielleicht ist es an der Zeit sich zu fragen, ob wir vor- bereitet sind. Vorbereitet auf stärkeren Gegenwind. „Die See wird rauer“, das ist offensichtlich. Und es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis die Stimmung auch in Europa zu Ungunsten der Christen kippt. Sicher nicht gleich heute und morgen, aber vielleicht übermorgen oder in fünf oder zehn Jahren. Was werden wir dann tun? Was wird unsere Reaktion sein, wenn wir bedrängt werden und uns Hohn und Verachtung entgegenschlagen? Teilweise zeichnet sich heute schon ab, was uns in einigen Jahren erwarten könnte. Eingeworfene Scheiben an Kirchen, Graf ti- Schmierereien mit Hassbotschaften an Gemeindehäusern, Farbanschläge auf Bibelschuleinrichtungen, usw. Vorboten für schlimmere Zeiten in Europa? Vor einiger Zeit – ich saß gerade bei der Arbeit an meinem Schreibtisch – klingelte das Telefon. Das Display zeigte einen „anonymen Anrufer“. Als ich abnahm, meldete sich ein Mann, der mir in gebrochenem Deutsch mitteilte, dass er Moslem sei. Er nannte mich einen Satans- anbeter, weil ich an Jesus als den Sohn Gottes glaube ... Seine Erregtheit war ihm buchstäblich anzumerken. Schließlich beschimpfte und bedrohte er mich lautstark am Telefon. Er wolle mir „Ärger machen“, sollte ich nicht aufhören zu missionieren. Nun ist das sicher harmlos im Vergleich zu körperlicher Verfolgung. Verbale Einschüchterungs-Versuche sind damit nicht gleichzusetzen und doch bilden sie oft die Vorstufe zu physischer Gewalt. Ja, auch wir be nden uns in diesem „Schauspiel“. Jeder Christ ist darin ein Darsteller. Er wird beobachtet, beurteilt, abgeurteilt oder im schlimmsten Fall verurteilt. Wir sind der Welt ein Schauspiel (1Kor 4,9). Sie sitzt auf den Rängen, während wir uns in der Arena abkämpfen. Bleiben wir „treu bis zum Tod“ (Offb 2)? Ziehen wir uns zurück und schließen die Türen zu unseren Gemein- dehäusern zu? Verstummt unser Zeugnis und werden wir zu anonymen Christen? Oder bleiben wir fest & treu am Herrn und kämpfen weiter für die Wahrheit? Fragen, die wir aus einer momentan noch „sicheren Entfernung“ nicht vorschnell beantworten sollten. Aus unseren gemütlichen Sesseln ist es sicher einfach zu behaupten, dass wir standhafte Christen sind. Doch was würden wir tun, wenn plötzlich der Lauf einer Kalaschnikow an unsere Schläfe gehalten würde und unser Leben, sowie das unserer Frauen und Kinder „auf dem Spiel“ ständen? Das Leben als Christ bietet keine Möglichkeit, die Stelle eines Komparsen auszufüllen. Das sollte uns klar sein. Jesus sprach immer wieder davon, die Kosten der Nachfolge genau zu bedenken. Auf dem schmalen Pfad können uns zuweilen mächtige Gefahren drohen und „wilde Bestien“ begegnen. Dennoch ist der Weg dem Lamme nach zweifelsfrei der Weg des Sieges. Als Wiedergeborene be nden wir uns auf der Gewinnerseite, denn Christus, unser Herr, hat den Sieg errungen. Er ist uns vorangegangen und wird uns bald zu sich nehmen. Das Beste kommt noch. › Ein Schlussakkord „In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden“ (Joh 16,33), ermutigt uns der Herr. Auch Jesaja ermunterte das Volk, in schweren Zeiten den Blick auf den lebendigen Gott nicht zu verlieren: „Hört auf mich, die ihr Gerechtigkeit kennt, du Volk in dessen Herzen mein Gesetz ist: Fürchtet nicht die Schmähungen der Menschen und erschreckt nicht vor ihren Hohnreden! Denn wie ein Kleid wird die Motte sie verzehren und wie Wolle die Schabe sie verzehren. Aber meine Gerechtigkeit wird in Ewigkeit bestehen und mein Heil von Generation zu Generation.“ (Jes 51,7–8) Lasst uns bereit sein, die Schmach des Christus für größeren Reichtum zu halten, als alle Schätze Ägyptens, indem wir auf die Belohnung schauen (Hebr 11,26). Auch wenn wir als Christen der Welt ein Schauspiel sind, so ist das Leben selbst keine Theateraufführung sondern schlichtweg Realität. Vielen Christen wird Philipper 1,29 vor Augen gestellt: „Denn euch ist es im Blick auf Christus geschenkt worden, nicht allein an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden.“ Jesus sagte einst: „Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse lügnerisch gegen euch reden werden um meinetwillen. Freut euch und jubelt, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln; denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch waren.“ (Mt 5,11–12) Das treibt uns ins Gebet: „Herr halte mich nah bei Dir jeden Tag, dass ich nicht fallen und abirren mag! Wenn ich in Not oder Anfechtung bin, hilf, dass aus allem ich Gutes gewinn!“4 Und nicht zu vergessen: Gott selbst ist der „Regisseur“ unseres Lebens. Er hat das „Drehbuch“ verfasst.

Nachtext

Quellenangaben

Quellenangaben 1 John Piper, „Überwältigt von Gnade“, Bielefeld, CLV 2006, S. 9 2 https://en.wikipedia.org/wiki/Thomas_Cranmer 3 John Piper, „Schmeckt und seht“, Bielefeld, CLV 2015, S. 56–57 4 M. Holiday/ H. Sünderwald „Glaubenslieder“, Bielefeld, CLV 1993, Lied 552