Zeitschrift-Artikel: Wie wir die Bibel lesen sollten

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Titel: Wie wir die Bibel lesen sollten
Typ: Artikel
Autor: Charles H. Spurgeon
Autor (Anmerkung):

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Titel

Wie wir die Bibel lesen sollten

Vortext

Text

Ein Goldschmied besitzt Flaschen mit Säure, mit denen er alles erprobt, was ihm zum Ankauf ange- boten wird – um zu prüfen, ob es sich um Gold oder lediglich um eine Fälschung handelt. Und ein Christ sollte Gottes Wort in seinen Händen halten und als Schatz in seiner Seele bewahren, um damit alles zu prüfen, was er liest und hört. „Prüft alles, das Gute behaltet“ (1Thess 5,21). › Nicht einfach alles glauben! Viele Hörer glauben alles, was gesagt wird, aufgrund der Person, die ihnen etwas verkündet. Das ist nicht die Gesinnung Christi. Wir sollten nichts als lebendige christliche Wahrheit annehmen, es sei denn sie ist uns von oben gesandt worden. Und wie sehr wir auch einen Pastor oder Lehrer respektieren mögen, wir dürfen unser Urteilsvermögen nicht wegen einer Person aufgeben, um deren Lehre anzunehmen, nur weil diese Person sich entschieden hat, diese zu vertreten. Alles, was sich als Wahrheit Gottes ausgibt, was dir verkündet wird – mag es noch so glänzen vor Redekunst und mag es noch so vernünftig und richtig klingen – muss an der Schrift geprüft werden. Es ist jedoch sehr schwer, die Menschen zu bewegen, dies zu tun. In dem Augen- blick, in welchem du ihnen sagst, dies zu tun, scheinen sie sich einzubilden, dass du aus nsteren Motiven heraus handelst. In Bezug auf unseren christlichen Glauben gibt es einen Konservativismus in unserem Wesen, der an und für sich gut wäre, wenn er von einem anderen Prinzip in die Ausgewogenheit geführt würde: Festzuhalten an dem, von dem ich weiß, dass es richtig ist, aber bereit zu sein, alles zu empfangen oder alles zu tun, was Gott mich lehren möge, dass ich es empfangen oder tun solle – das ist noch richtiger. Ich muss wissen, an was ich festhalte, ansonsten könnte ich mich an dem verletzen, an dem ich mich festhalte und an dem, was ich gelernt habe. Die Frau aus Samaria sagte: „Unsere Vorväter haben Gott auf diesem Berg angebetet.“ Dies ist das Argument von vielen Leuten. „Unsere Vorväter haben es so oder so gemacht.“ Das wäre ein Haupt-Argument, welches davon ausgeht, dass unsere Vorväter immer Recht hatten, aber ein sehr absurdes Argument, wenn wir davon ausgehen, dass sie falsch handelten. Ich hoffe, dass wir nicht sind wie dieser Sachse, der fragte, wohin sein Vater und alle seine Vorfahren gegangen seien. Als man ihm sagte, dass sie wohl alle verloren waren, antwortete er dem Missionar, dass er lieber an den Ort kommen wolle, wo seine Vorfahren seien, als Christ zu werden und sich von ihnen zu trennen. Es gibt eine Reihe von Leuten, die scheinbar diese Überzeugung in sich haben und sich darin rühmen. Ihre Vorfahren glaubten dies oder jenes, und sie haben den Wunsch, ihnen nachzufolgen. Es gibt viele, die Glaubenslehren bekennen, die sie niemals selbst erkannt haben und die sie nicht wirklich verstehen und begreifen. Sie hatten die Schale, aber sie erreichen niemals den Kern. › Wer ordnet sich wem unter? Verhält es sich heute Abend nicht so mit vielen unter uns? Wenn dir eine Lehre Gottes durch den Kopf geht, nde eine Schriftstelle oder Schriftstellen, durch die sie bewiesen wird. Wenn es scheinbar andere Schriftstellen gibt, die in eine andere Richtung weisen, zerstückle und zerteile sie nicht, sondern akzeptiere alles und warte, bis der Heilige Geist dir offenbart, worin sie alle übereinstimmen. Die Schrift muss nicht deine Meinung bestätigen, sondern deine Meinung muss sich dem gesegneten Wort unterordnen. Es gibt eine Fabel über einen törichten Gärtner, der einen Baum hatte, welcher ein seltsames Wachstum aufwies. Der Gärtner wollte den Baum nicht beeinträchtigen und baute also eine Mauer um ihn herum, damit der Baum an dieser Mauer entlang wachse. Ich denke, der Mann ist bei weitem weiser, der keine Mauer baut, sondern stattdessen den Baum beschneidet. Es gibt Leute, die eine Begabung darin haben, die Schrift zu verändern, damit sie sich ihrer Sichtweise anpasst, indem sie ein Wort streichen, ein anderes auslassen oder die Bedeutung einer Schriftstelle völlig verändern, obgleich jeder weiß, dass all dies erzwungen und unnatürlich ist. Oder sie basteln solange an einer Schriftstelle herum, bis sie eine andere Bedeutung oder Eigenart annimmt, die ihnen passt. Das ist nicht Ehrfurcht. Das ist nicht die Art und Weise, wie man Gottes Wort behandeln sollte. › Gott meint immer was er sagt! Gottes Wort ist kein Stück Wachs, das wir nach unseren Vorstellungen – oder den Vorstellungen irgendwelcher anderer Leute – formen können. Wenn kein anderer sagt, was er meint, Gott sagt immer, was er meint. Er will nicht, dass wir in einer Sprache sprechen, die ein halbes Dutzend verschiedener Bedeutungen hat – und Gott selbst spricht nicht in dieser Weise. Er spricht so klar, dass es nicht schwierig ist zu wissen, was Gott meint, wenn wir offen sind und wirklich wissen wollen, was er meint – insbesondere wenn wir diesbezüglich vor Gott treten. Lasst uns sodann diesen Rat annehmen und die Geis- ter prüfen, ob sie von Gott sind. Und lasst uns wie die edlen Beröer die Schrift durchforschen, ob es sich so verhält; so lasst uns die Schrift lesen.

Nachtext

Quellenangaben

Aus: How to Read the Bible. Predigt im Metropolitan Tabernacle, London, 21. Juni 1866. Übersetzt von Georg Walter.