Zeitschrift-Artikel: Kasachstan Kasachstan EIN LAND OHNE ZUKUNFT?

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Titel: Kasachstan Kasachstan EIN LAND OHNE ZUKUNFT?
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

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Titel

Kasachstan Kasachstan EIN LAND OHNE ZUKUNFT?

Vortext

Im Oktober dieses Jahres war ich nach Kasachstan eingeladen. Eine Bibelschule in Almaty würde sich über einen Besuch freuen, sagte man mir, eine Ältestenkonferenz in Karaganda und eine Jugendkonferenz und eine unbestimmte Zahl an Gemeindebesuchen seien geplant. Man hatte mich rechtzeitig vorgewarnt: „Rechne damit, dass man dich auspresst wie eine Zitrone.“ Das diese Prognose noch untertrieben war, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.

Text

Zwei Wochen vor dem Abflug meldete sich Freund Jakob Römmich aus Paderborn. Er hätte gehört, ich plane eine Reise nach Kasachstan. Ob ich einen Reisebegleiter gebrauchen könne. Nach 22 Jahren wolle er gerne mal wieder in seine alte Heimat, um sein Russisch aufzubessern und vielleicht kön- ne er sich nützlich machen und bei Unterhaltungen usw. meinen Übersetzer entlasten. Natürlich war ich einverstanden und seine Begleitung erwies sich als freundliche Führung Gottes, denn als wir in Almaty ankamen, erfuhren wir, dass für die ersten Einsätze der Übersetzer ausgefallen sei. Aber Jakob könne doch sicher einspringen! Eine bessere Auffrischung seiner Russisch- kenntnisse hätte sich Jakob gar nicht vorstellen können: Er wurde sofort ins Wasser geworfen und hatte in den nächsten Tagen pro Tag 10 Stunden Unterricht in der Bibelschule zu übersetzen! Land und Leute Zunächst einige Informationen über das Land und die Menschen in Kasachstan sowie über die wirtschaftliche und religiöse Situation: Die Situation der Christen Neben den 4,9 Millionen Orthodoxen machen die Evangelikalen nur eine kleine Minderheit aus. Es gibt etwa 320 Baptistengemeinden im Land mit etwa 15.000 Mitgliedern, zusätzlich eine Anzahl autonomer Baptisten, Pfingst- und charismatische Gemeinden und einige wenige Mennoniten-Gemeinden. Durch die starke Auswanderungswelle (allein 600.000 Deutsche sind in den letzten Jahren ausgewandert) sind eine Anzahl Gemeinden bis auf 10% der bisherigen Mitglieder geschrumpft. Allerdings hat sich die Situation wieder weitgehend reguliert, weil in den letzten Jahren viele Russen zum Glauben gekommen sind und diese Lücken wieder gefüllt wurden. Daher gibt es auch kaum noch deutschsprechende Gemeinden. Die Offenheit der Bevölkerung für das Evangelium ist sehr groß. Es wird viel evangelisiert und durch intensive Kinderarbeit unter Straßenkindern, Obdachlosenarbeit usw. werden viele Menschen erreicht. Während die orthodoxe Kirche allgemein keinen guten Ruf und daher wenig Einfluß auf die Bevölkerung hat, haben bibeltreue Gemeinden offene Türen. Gefahren Widerstand von Seiten der Regierung gibt es relativ selten. Einige nichtregistrierte Baptisten berichten zwar von Schwierigkeiten bei Evangelisationen, von Verhören und Drohungen. Aber im Allgemeinen kommen die Schwierigkeiten und Gefahren aus einer anderen Ecke. Die Moslems und die Orthodoxen versuchen die Evangelikalen in ein ökumenisches Fahrwasser zu ziehen und wo das nicht gelingt versucht man – wenn möglich mit Hilfe von Staatsorganen – die evangelistische Arbeit der Gemeinden einzuschränken oder zu hindern. Die Moslems selbst konzentrieren sich auf Kinderarbeit (Schulen für Kinder, Kindergärten usw.), die ältere Generation haben sie abgeschrieben. Weitere Konflikte werden durch westliche Missionsgesellschaften und Kirchen ausgelöst, die in manchen Fällen begabte Brüder für ihre Interessen gewinnen, indem sie ein gutes Gehalt zahlen und dadurch manchmal Gemeinden spalten. Dazu kommen Probleme durch westliche Literatur, Videos usw., in denen zum Teil Sonderlehren und Irrlehren vermittelt werden. Wenn man sich vorstellt, dass allein in der Stadt Almaty etwa 70 verschiedene Missionsgesellschaften arbeiten, dann kann man sich denken, welchen Einflüssen die Christen in der Stadt ausgesetzt sind. Erweckung unter den Kasachen Eine besondere Freude war es für uns, mit führenden Brüdern der kasachischen Christen zu sprechen, die uns von einer Erweckung unter den Kasachen berichteten, welche bis vor wenigen Jahren als traditionelle Moslems dem Evangelium ablehnend gegenüberstanden. Man sagte uns, dass inzwischen mehr Kasachen als Russen zum Glauben kommen und zahlreiche kasachische Gemeinden entstanden sind, die ein starkes missionarisches Interesse an ihren Volksgenossen haben. Leider wird diese kleine Erweckung getrübt durch Trennungen, die durch charismatische Prediger oder auch liberale Evangelikale aus dem Westen ausgelöst wurden. Dazu kommen auch Probleme, die durch das starke Nationalitätsbewußtsein der Kasachen entstehen, die in einer völlig anderen Kultur aufgewachsen sind und auch als Christen nicht von heute auf morgen bestimmte Traditionen und Gewohnheiten aufgeben können, oder aber auch bei Christen mit einem anderen Hintergrund auf Unverständnis stoßen. Besonders dankbar sind die Geschwister, dass in diesem Jahr nun zum ersten Mal ein vollständiges kasachisches Neues Testament gedruckt werden konnte, an dem Dieter Freischlad aus Gießen mit einigen Mitarbeiten jahrelang übersetzt hat. Bibelschule in Almaty Die ersten Tage in Kasachstan verbrachten wir in der sehr gut eingerichteten Bibelschule der Baptisten-Bruderschaft. Das Konzept: Bewährte Brüder (vor allem Russen , aber auch einzelne Kasachen, Kirgisen und Juden) drücken mehrmals im Jahr für 14 Tage die Schulbank, um an einem intensiven Unterricht teilzunehmen. In unserem Fall bedeutete das: Von morgens 8.30 Uhr bis abends 19 Uhr hatten wir zu unterrichten. Eine Stunde Mittagspause, also zehn Unterrichts-Stunden pro Tag. Die Schüler waren alle äußerst diszipliniert und aufmerksam und wir konnten nur staunen über den Eifer und die Lernbereitschaft. Nach dem Abendessen ging es weiter: Fragerunde bis 22 Uhr. Für meinen Übersetzer Jakob war das natürlich die beste Übung, sein Russisch in Rekordzeit aufzubessern. Ältesten-Konferenz in Karaganda Nachdem wir zusätzlich in Almaty eine eintägige Jugend-Konferenz durchführen konnten, flogen wir anschließend ziemlich ausgelaugt aber dankbar für Gottes Durchhilfe nach Karaganda, wo eine zweitägige Konferenz für Älteste und Gemeindemitarbeiter aus dem ganzen Land stattfand. Hier erlebten wir eine herzliche Gemeinschaft mit über 250 Brüdern unter dem Wort Gottes. Auch diese Tage waren angefüllt mit Vorträgen, Fragestunden usw., die dann abends im Hotel, wo die meisten Brüder untergebracht waren, bis um 22.30 Uhr fortgesetzt wurden. Auf dieser Konferenz konnten wir dann auch die russische Ausgabe der Auslegung des NT von William MacDonald vorstellen. Nach jahrelanger Arbeit und unter unglaublichen Schwierigkeiten konnte dieser Kommentar endlich gedruckt werden und wird sicher in den russisch sprechenden Ländern einen wichtigen Dienst tun. Während der Konferenz entschlossen sich die Jugendleiter von Karaganda, spontan eine Jugendkonferenz zu organisieren. So kamen dann am Tag nach der Ältesten-Konferenz etwa 300 Jugendliche aus der näheren Umgebung zusammen, um aus dem Wort Gottes zu lernen. Wir konnten nur staunen, wie es möglich ist, in dieser kurzen Zeit eine solche Menge junger Leute zusammenzutrommeln und zu versorgen. Erschöpft, aber sehr dankbar und mit vielen schönen Erinnerungen flogen wir am nächsten Morgen in einem uralten und überfüllten russischen Flugzeug Richtung Deutschland. Gebetsanliegen ? Die Gemeinden in Kasachstan haben sich vorgenommen, bis zum Jahresende 2000 jedes Dorf und jede Stadt in diesem großen Land mit dem Evangelium zu erreichen. Viele kleine Teams von jungen und älteren Geschwistern waren unterwegs und haben erstaunliche und bewegende Erfahrungen gemacht. Wahrscheinlich wird man das angestrebte Ziel nicht erreichen, aber es sind viele Kasachen und Russen zum Glauben gekommen, Hauskreise und neue Gemeinden entstehen. ? Die Verbreitung des kasachischen Neuen Testamentes ist ein weiteres großes Anliegen unserer Geschwister. Es wird beabsichtigt, öffentl. Feierstunden zu organisieren, um dieses Testament der kasachischen Bevölkerung bekannt zu machen. ? Da die Gemeinden von allen möglichen Strömungen der Christenheit verunsichert werden und es in der älteren Generation nur wenige Brüder gibt, die aufklärend helfen und die Geschwister in eine gesunde, geistliche Richtung führen können, werden dringend bibelfeste, hingegebene und glaubwürdige Brüder benötigt, welche die Gemeinden vor weiteren Trennungen und Einbrüchen bewahren. Betet für unsere Geschwister in Kasachstan!

Nachtext

Die seit 1991 selbständige Republik Kasachstan ist ca. 7,5 Mal so groß wie Deutschland, allerdings mit nur etwa 15 Mill. Einwohnern. Über die Hälfte der Einwohner sind Moslems, vor allem Kasachen, aber auch Usbeken und Ujguren. Diese Moslems sind allerdings nicht radikal, sondern gemäßigt und arbeiten teilweise auch in ökumenischen Gremien und Veranstaltungen mit der Orthodoxen Kirche zusammen. Als der kasachische Präsident – ein Muslim – gefragt wurde, an welchen Gott er glaube, lehnte er zunächst eine Antwort ab, sagte dann aber später diplomatisch: „Muslime und Christen sind die die beiden Flügel, die das Land aus der Krise heben.“ Die wirtschaftliche Situation im Land ist nach wie vor schlecht, auch wenn es in einigen Wirtschaftszweigen Wachstum gibt. Der Durchschnittslohn beträgt nur etwa 150.- DM monatlich, die Zahl der Arbeitslosen ist sehr hoch und auch diejenigen, die eine Stelle haben, erhalten nicht immer ihren Lohn.

Quellenangaben