Zeitschrift-Artikel: "Zerbrich mich, Herr!" (2.Folge) - Schluss

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Titel: "Zerbrich mich, Herr!" (2.Folge) - Schluss
Typ: Artikel
Autor: William MacDonald
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Titel

"Zerbrich mich, Herr!" (2.Folge) - Schluss

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Text


4.) Unrecht ertragen, ohne Vergeltung zu üben

Aber es gibt noch weitere Aspekte der Zer­brochenheit, wie zum Beispiel die demütige Gesinnung, die dafür leidet, daß sie Gutes tut, und die keine Vergeltung übt. Hierfür ist na­türlich unser Herr das beste Beispiel:

"(Christus), der, gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich (andere Le­sart: es) dem übergab, der recht richtet" (1. Petr. 2,23).

Wir sind alle zu einem solchen Leben berufen.

"Denn dies ist wohlgefällig, wenn jemand um des Gewissens vor Gott willen Beschwerden er­trägt, indem er ungerecht leidet. Denn was für ein Ruhm ist es, wenn ihr ausharret, indem ihr sündiget und geschlagen werdet? Wenn ihr aber ausharret, indem ihr Gutes tut und leidet, das ist wohlgefällig bei Gott" (1. Petr. 2,19.20).

Ein großer Heiliger sagte einmal:

"Es ist das Zeichen tiefster und echtester Demut, wenn wir uns grundlos verurteilen las­sen und uns schweigend darunter beugen. Be­leidigungen und Unrecht stillschweigend hinzu­nehmen, ist eine sehr edle Nachahmung unseres Herrn". "Oh, mein Herr, wenn ich daran denke, auf wievielerlei Art DU gelitten hast, der es in keiner Weise verdient hatte, dann kann ich nicht verstehen, wie ich so schnell bereit sein kann, mich zu verteidigen und zu entschuldigen. Kann ich da noch wünschen, daß jedermann gut von mir spricht oder denkt, wo man doch von Dir so viel Schlechtes gedacht und Dir nach­gesagt hat?". (Living Patiently, J. Allen Blair, S. 354,4 ff.).

5.) Böses mit Gutem vergelten

Ein weiterer Schritt nach vorne in der Zerbro­chenheit zeigt sich darin, daß wir Unrecht nicht nur geduldig ertragen, sondern jedes Unrecht mit Freundlichkeit vergelten.

"Vergeltet niemand Böses mit Bösem; seid vorsorglich für das, was ehrbar ist vor allen Menschen. ". . . wenn nun deinen Feind hun­gert, so speise ihn; wenn ihn dürstet, so tränke ihn; denn wenn du dieses tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln". "Laß dich nicht von dem Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit dem Guten" (Röm. 12,17.20.21).

Das erinnert mich immer an jenen Elephanten in Indien, der von seinem Besitzer eine Straße entlang getrieben wurde. Dieser Mann hatte einen spitzen Treibstock aus Stahl, mit dem er das schwerfällige Tier in Bewegung hielt. Da glitt ihm der Stock aus der Hand und fiel scheppernd zu Boden. Der geduldige Elephant wandte sich um, hob den Treibstock mit seinem Rüssel auf und hielt ihn seinem Herrn hin. Wenn Elephanten Christen sein könnten, dann war dieser Elephant ganz bestimmt einer.

6.) Den Anderen höher achten als sich selbst

Zerbrochenheit läßt sich auch daran erkennen, daß der andere höher geachtet wird als man selbst. Ein Ereignis aus dem Leben Abrahams veranschaulicht uns das gut (1. Mose 13,1-13). Er und Lot waren mit ihren Familien und ihrer Habe von Ägypten hinauf bis zum Negeb und dann bis nach Bethel gezogen. Beide Männer hatten sehr große Herden, und bald entwickelte sich zwischen ihren Hirten ein Streit um das Weideland. Doch genau zu diesem Zeitpunkt griff Abraham ein und sagte: "Sieh mal, Lot, wir wollen uns doch wegen so ein paar Ballen Heu nicht zerstreiten. Jetzt nimmst du das Weideland, das dir am besten zusagt, und ich bringe meine Tiere dann an einen anderen Ort". Lot wählte dann das üppige Weideland im Jordantal, das so verhängnisvoll nah bei So­dom lag. Der großzügige Abraham zog tiefer ins Innere Kanaans. Und so gab uns. ein Hei­liger des alten Bundes eine praktische Vorfüh­rung dessen, was Paulus meinte, als er schrieb:

"In der Bruderliebe seid herzlich gegeneinander, in Ehrerbietung einer dem anderen vorange­hend" (Röm. 12,10).

7.) Sofortiger Gehorsam

Aber das ist noch nicht alles. Gott möchte, daß wir als Zerbrochene Seinen Willen an­nehmen und Ihm gehorchen. Der Psalmist drückt das in treffender Kürze so aus:

"Seid nicht wie ein Roß, wie ein Maultier, das keinen Verstand hat; mit Zaum und Zügel, ihrem Geschirr, mußt du sie bändigen, sonst nahen sie dir nicht" (Psalm 32,9).

Ein feuriges Pferd neigt dazu durchzugehen, während ein Maultier Dickköpfigkeit und Halsstarrigkeit symbolisiert. Diese beiden gefährlichen Tendenzen gibt es auch im Ge­gensatz zum Willen Gottes. Man kann vor­wärtsgehen, ohne dabei eine klare Weisung zu haben, darauf losstürmen, ohne überhaupt geschickt worden zu sein. Andererseits ist es jedoch auch möglich, sich der klaren Führung des Herrn bewußt zu widersetzen.

Wie zum Beispiel Jona: Es war gar keine Frage, was Gott von ihm wollte. Er hatte den Auftrag, nach Ninive zu gehen und dort zur Umkehr aufzurufen. Doch er war noch nicht zerbrochen. Deshalb ging er auch an Bord eines Schiffes, das genau in die entgegenge­setzte Richtung fuhr. Erst nach seinem alptraumhaften Erlebnis im Bauch des Wales war sein Wille gebrochen und er bereit, Ge­horsam zu leisten. Dann ging er weiter und machte dabei die Erfahrung, daß Gottes Wille doch gut und wohlgefällig und vollkommen ist (Röm. 12,2).

Ein überraschendes Bild der Zerbrochenheit sehen wir in dem Eselsfüllen, das Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem ritt (Lukas 19, 29-35). Niemals zuvor hatte jemand auf die­sem Tier gesessen, und man hätte erwarten können, daß es sich heftig gegen jeden Ver­such, es zu besteigen, wehren würde. Doch als der Erlöser sich ihm nahte, da erlebte es das Wunder einer sofortigen Zerbrochenheit. Der Wille dieses Füllens ordnete sich dem Willen seines Schöpfers völlig unter.

Vielleicht ist es ja ein Vermischen von Me­taphern, wenn man in die Thematik der Zer­brochenheit den Ton mit hineinbringt; aber gerade der Ton in der Hand des Töpfers stellt sehr gut dar, was ein zerbrochener Mensch in des Herrn Händen ist - er läßt sich formen und gibt jedem Druck Seiner Finger sofort nach. Und so ist das tägliche Gebet eines ergebenen Gläubigen:

Nimm du mich ganz hin, o Gottessohn.
Du bist der Töpfer, ich bin der Ton.
Mach' aus mir etwas nach deinem Sinn,
während ich harre, nimm mich ganz hin.

Nimm du mich ganz hin, o Gottessohn,
prüfe, erforsch' mich am Gnadenthron.
Weißer denn Schnee, Herr, wasche mich rein,
daß ich dein Eigen immer mag sein.

Nimm du mich ganz hin, o Gottessohn.
Mit deinem Geiste jetzt in mir wohn.
Sei mir im Herzen König allein,
laß alle sehen, daß ich ganz dein.

8.) Die öffentliche Meinung zählt nicht für uns

Es gibt noch viele andere Aspekte der Zer­brochenheit. So müssen wir z.B. an den Punkt gebracht werden, wo wir dem Beifall oder der Mißbilligung der Welt gestorben sind. Nachdem W.P. Nicholson zum Glauben gekommen war, betreute ihn ein Offizier der Heilsarmee. Dieser meinte eines Tages zu ihm: "Wenn es dir Ernst ist mit Gott, dann trage mal ein paar Stunden lang dieses Schild im Stadtzen­trum herum". Auf dem Schild stand: ICH GEBE NICHTS AUF DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG. Dieses Erlebnis hatte eine tief­greifende Wirkung auf das gesamte Leben Nicholsons und seinen furchtlosen Dienst für Christus.

9.)Die Sünden anderer als die eigenen bekennen

Wir müssen so weit zerbrochen sein, daß wir die Sünden des Volkes Gottes als die eigenen bekennen. Daniel hat genau das getan (Daniel 9, 3-19).

Die meisten Sünden, die er da aufzählte, hatte er selbst gar nicht begangen. Aber er identi­fizierte sich so eng mit dem Volk Israel, daß dessen Sünden zu seinen eigenen wurden. Darin erinnert er uns natürlich an den Einen, der "unsere Sünde getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen hat". Wir sollten daraus ler­nen, anstatt andere Gläubige mit erhobenem Zeigefinger anzuklagen, ihre Sünden so zu be­kennen, als seien es unsere eigenen.

10.) Ruhig bleiben in der Krise

Ein letzter Aspekt der Zerbrochenheit zeigt uns, daß wir in den Krisen unseres Lebens Ausgeglichenheit und Gleichmut bewahren dürfen.

Tritt eine unvermeidliche Verzögerung ein, so ist die natürliche Reaktion darauf Aufregung und Ärger. Unterbrechungen unserer gleich­mäßigen Routine rufen oft Verärgerungen und Reizbarkeit hervor. Wie leicht können uns de­fekte Maschinen oder unvorhergesehene Zwi­schenfälle aus der Fassung bringen und sogar zu Zornesausbrüchen reizen. Änderungen im festgesetzten Programm und Enttäuschungen bringen die übelste Seite unseres Wesens ans Licht. Die Raserei, Aufregung, Verärgerung und Hysterie, die dadurch wachgerufen wer­den, verderben das christliche Zeugnis - um es einmal gelinde auszudrücken.

Zerbrochenheit zeigt sich darin, daß wir in dem Wissen, daß Gott alle Umstände unseres Lebens im Hinblick auf Seinen Heilsplan überwacht und lenkt, in diesen Krisen die Ruhe bewahren. Die Reifenpanne kann Glück im Unglück sein, weil sie uns vor einem Un­fall weiter unten auf der Schnellstraße be­wahrt. Der unverhoffte Besucher, der deinen Dienst für den Herrn unterbricht, kann sogar einen noch wichtigeren Dienst darstellen als das, was wir gerade tun. Selbst der Unfall mit all den Schmerzen, Unannehmlichkeiten und Kosten kann uns gerade mit Menschen zu­sammenbringen, die vom Heiligen Geist darauf vorbereitet wurden, die Frohe Botschaft auf­zunehmen.

In all diesen Situationen möchte der Herr, daß wir darauf sofort mit Gelassenheit anstatt mit Ungeduld, und mit Zerbrochenheit anstatt mit Auflehnung reagieren. Dies waren nun einige Beispiele zur Verdeutlichung dessen, was Zer­brochenheit bedeutet. Die Aufzählung ist auf­schlußreich, aber gewiß nicht vollständig. Wenn wir in Gemeinschaft mit dem Herrn wandeln, wird Er uns Bereiche in unserem persönlichen Leben zeigen, wo wir unterm Kreuz zerbrochen werden müssen. Und Er wird bei jeder derar­tigen Offenbarung auch die nötige Gnade darreichen.

"Denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, nach seinem Wohlgefallen" (Phil. 2,13).

Was Zerbrochenheit nicht bedeutet

Nachdem wir nun einige Aspekte der Zerbro­chenheit betrachtet haben, sollten wir kurz erläutern, was mit diesem Wort nicht gemeint ist.
Es bedeutet nicht, daß wir weiche Menschen ohne Rückgrat werden sollten. Es bedeutet auch nicht, daß wir kraftlose Nullen werden sollen, die wenig Einfluß auf ihre Umgebung ausüben. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Zerbrochenheit ist eins der schönsten Ele­mente eines starken Charakters. Es bedarf ja keinerlei Disziplin, um ungebrochen zu sein. Aber welche Selbstzucht ist doch erforderlich, um Christus ähnlich zu sein, wenn unsere ganze Natur sich dagegen aufbäumt!

Zerbrochene Menschen haben den überzeu­gendsten Charakter. Durch die unwiderstehli­che Kraft eines göttlichen Beispiels beein­flussen sie in der Stille. Es ist paradox, aber so steht es geschrieben: "Deine Herabneigung (wörtl. Demut) machte mich groß" (Ps. 18,35).

Sie sind auch des Zornes fähig, wenn es die Lage erfordert. Das sehen wir auch am Le­ben unseres Herrn, Der mit einer Geißel die Wechsler aus dem Tempel trieb. Wichtig da­bei ist, daß wir erkennen, daß Er nicht zornig war wegen irgendeines Unrechtes, das man ihm persönlich angetan hatte, sondern weil Seines Vaters Haus entehrt worden war. "Er war ein Löwe, wo es um Gottes Sache ging, und ein Lamm, wo es um Seine Sache ging".

Viele Märtyrer und Reformatoren waren wirk­lich zerbrochen, aber man würde wohl kaum behaupten, daß sie deswegen schwach und ohne Einfluß gewesen seien.

Der Generationskonflikt

Einer der schwierigsten Bereiche, in denen Zerbrochenheit praktiziert werden muß, scheint die Kind-Eltern-Beziehung zu sein. Durch irgendeine seltsame Wendung der gefal­lenen menschlichen Natur scheinen wir gerade diejenigen am wenigsten zu lieben, die uns am nächsten stehen. Viele gläubige Mädchen fechten wegen der Feindseligkeiten, die sie ihrer Mutter gegenüber verspüren, einen ständigen Kampf mit sich aus. Und ebenso viele gläubige Jungen benehmen sich die mei­ste Zeit ihren Vätern gegenüber auch nicht gerade anständig.

Niemand bestreitet die Existenz einer Kluft zwischen den Generationen; in Wahrheit ist es aber ein riesiger Abgrund. Die Jüngeren bekla­gen sich, ihre Eltern verstünden sie nicht, unterdrückten sie, gingen nicht mit der Zeit und gehörten zum Establishment.

Aber trotz alledem empfinden viele Jugendli­che Schuld und Beschämung darüber, daß sie scheinbar nicht über diese Verhaltensweisen hinauswachsen und sich ihren Familien gegen­über wie Christen verhalten können. Ihnen ist klar, daß es eine enorme Niederlage bedeutet, wenn sie mit Altersgenossen oder sogar mit anderen Erwachsenen so freundlich und an­nehmbar umgehen können und zu Hause doch so kalt und kurzangebunden sind. Sie hassen sich selbst, weil sie ihren Eltern oft den Tod
gewünscht haben, aber zu zerbrechen und dies einzugestehen ist eine bittere Medizin. Als Gott dem Volk Israel zehn Grundgesetze gab, da war es kein Zufall, daß eines davon gerade dieses schwierige und heikle Gebiet innerhalb der mitmenschlichen Beziehungen berühren sollte.

"Ehre deinen Vater und deine Mutter, auf daß deine Tage verlängert werden in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt" (2. Mo. 20,12).

Paulus greift dieses Gebot im Neuen Testa­ment wieder auf:

"Ihr Kinder, gehorchet euren Eltern im Herrn, denn das ist recht. Ehre deinen Vater und deine Mutter, welches das erste Gebot mit Verheißung ist, auf daß es dir wohlgehe und du lange lebest auf der Erde" (Eph. 6, 1-3).

Die Eltern zu ehren und ihnen zu gehorchen heißt nicht nur, das zu tun, was sie sagen, sondern sie zu achten, liebenswürdig mit ih­nen umzugehen und, wo es nötig wird, für sie zu sorgen. Paulus gibt dafür vier Gründe an:


- es ist recht
- es ist zum Besten der jungen Menschen
- es ist biblisch
- es bewirkt ein erfülltes Leben.

Aber viele Jungen und Mädchen sind fast völlig davon überzeugt, daß dies vielleicht in anderen Fällen, jedoch nicht bei ihnen möglich sei. IHRE Eltern seien zu herrschsüchtig, zu eng­stirnig.

Alles, was hier natürlich fehlt, ist Zerbro­chenheit. Das bedeutet, zum Vater oder zur Mutter oder zu beiden zu gehen und zu sagen: "Hört mal, es tut mir leid, daß ich immer mit euch gestritten habe. Ich habe euch noch nie für all das gedankt, was ihr für mich ge­tan habt, aber ich möchte das jetzt tun. Bitte verzeiht mir, daß ich immer Mauern des Wi­derstandes gegen euch aufgebaut habe. Mit Gottes Hilfe möchte ich, daß die Dinge in Zukunft anders werden".

Ein zeitloses Beispiel dafür, wie der Genera­tionskonflikt überwunden werden kann, ist die Geschichte vom verlorenen Sohn. Zuerst konnte es dieser undankbare Kerl nicht abwarten, bis sein Vater gestorben war; er wollte sein Erb­teil gleich haben. Als er es dann bekam, ging er auf und davon und brachte es auf Mond­scheinparties, Zechgelagen und noch auf man­cherlei andere Art durch. Doch schließlich war das Geld weg und die Freunde auch. Der Verschwender stand plötzlich völlig mittellos da und mußte ums bloße Überleben kämpfen. Er begann an die Knechte des Vaters zu denken, denen es besser ging als ihm. Was für ein Narr war er doch gewesen! Er hatte sein Zuhause mit vollen Taschen verlassen, aber jetzt kam er mit leeren Händen heim. Er war, sein Recht fordernd, weggegangen, aber jetzt kam er, um Gnade bittend, zurück.
Er war mit stolz erhobenem Haupt hinausge­zogen, aber nun kam er gedemütigt heim.
"Vater", sagte er, "ich habe gesündigt. Ge­sündigt gegen Gott und gegen dich. Ich ver­diene nicht, dein Sohn zu sein . . .". Eigent­lich hatte er ja noch mehr sagen, um eine Arbeit als Knecht bitten wollen. Aber da war sein Vater schon dabei, dem Haushalt Anwei­sungen zu geben. Und bald darauf war der Sohn neu eingekleidet, hatte einen prächtigen Ring am Finger und neue Schuhe an und ließ sich nieder zu einem üppigen Mahl mit Kalbsbraten und allem, was so dazugehört.

Die Kluft war durch Zerbrochenheit über­brückt worden. Doch der Sohn hätte den Kuß des Vaters nie gekannt, wenn er nicht zual­lererst in Umkehr und Schuldbekenntnis zer­brochen worden wäre.

Nichts wird so sehr dazu beitragen, die feindselige Haltung eines anderen zu ändern, wie die Demütigung, eine derartige Bitte um Verzeihung aussprechen zu müssen. Wenn er das nächste Mal versucht war, sich den Eltern gegenüber lieblos zu verhalten, wird er sich schnell an die brennende Scham des Zerbro­chenwerdens erinnert haben, und das diente als wirksame Abschreckung.

Der Ehekonflikt

Das vielleicht zweitschwierigste Gebiet in dem Zerbrochenheit gezeigt werden muß, ist die Beziehung zwischen den beiden Ehepartnern. Wieder geht es darum, daß wir unfreundlich mit denen umgehen, die uns am nächsten stehen, während wir Menschen, die wir kaum kennen, mit Charme und Höflichkeit begegnen. Nur zu oft müssen wir bekennen, daß wir zu Hause "Teufel" und außer Haus "Heilige" sind.

Die Bibel nimmt ganz realistisch die Mög­lichkeit der Spannung in der Ehebeziehung vorweg. Besonders denken wir dabei an Ko­losser 3,19:

"Ihr Männer, liebet eure Frauen und seid nicht bitter gegen sie".

Die Bitterkeit, die sich in einem Mann gegen seine Frau entwickeln kann, ist oft so tief, daß er verzweifelt und glaubt, niemals wieder aus dieser Bitterkeit herauszukommen. Zu oft gibt er einfach auf und sucht durch Trennung oder Scheidung Erleichterung.

Nehmen wir einmal den Fall von Peter und Petra. Als sie sich das erste Mal begegneten, wußten sie beide, daß sie füreinander be­stimmt waren. In den folgenden Monaten wa­ren sie bei jeder Gelegenheit zusammen. Nach sechs Monaten waren sie verlobt, und die Hochzeit wurde auf sechs Monate später festgesetzt. Aber wie die Dinge dann lagen, heirateten sie vier Monate nach ihrer Verlo­bung.

Die Hochzeit verlief dann ganz gut; jeder spielte seine Rolle in dem kleinen Spiel. Und im ersten Jahr ging auch noch alles ziemlich glatt. Eines Tages hatten sie einen heftigen Streit, und Petra machte ihrer ganzen unter­drückten Geringschätzung Peter gegenüber Luft wegen dem, was vor ihrer Ehe geschehen war. Er zahlte es ihr dann mit gleicher Münze heim. Die Wände wackelten und die Fenster fielen fast aus dem Rahmen. Danach sah es so aus, als wäre ihre Ehe hoffnungslos am Ende. Peter erkannte, daß die Bitterkeit gegen seine Frau größer war als die Liebe, mit der er sie geliebt hatte (2. Sam. 13,15).

Freunde rieten ihnen dann zu einem christli­chen Eheberater, den sie auch aufsuchten. Aber innerlich waren sie hart und unnachgie­big. Schließlich reichte Peter die Scheidung ein. Bevor der Fall vor Gericht kam, forderte ihn ein christlicher Freund auf, den Weg der Zerbrochenheit zu versuchen. Und die Gattin dieses Freundes ging zur selben Zeit mit der­selben Botschaft zu Petra.

Warum sollten sie nicht vor dem Herrn und voreinander zerbrechen? Warum sollten sie die Vergangenheit nicht unter das Blut Christi stellen und ganz von vorne beginnen?

Das taten sie dann auch. Es war das Schwer­ste, was sie je getan hatten. Aber sie kamen zusammen und legten ein vollständiges Be­kenntnis ab. Ohne Ausflüchte oder Selbstver­teidigung. Es war ein so offenes Bekenntnis, wie man es sich nur wünschen kann. Jeder nahm die Verantwortung für seinen Anteil an der vorehelichen Sünde auf sich.

Nach einem tränenreichen Schuldbekenntnis vor dem Herrn kamen sie überein, einander nie­mals wieder diese Sünde vorzuwerfen. Sie nahmen die Verheißung Gottes aus 1. Joh. 1,9 in Anspruch, daß ihnen vergeben sei. Froh vergaben sie einander alles. Und jeder ent­schied, er müsse sich auch selbst vergeben. Als sie sich von ihren Knien erhoben, war ihnen eine ganz große Last genommen. Sie erkannten, daß sie wohl noch eine Zeit der Anpassung brauchen würden, aber die Atomwolke von Bitterkeit und Streit hatte sich aufgelöst. Sie erkannten die Notwendig­keit einer ständigen Zerbrochenheit, wenn neue Probleme zu Hause aufkommen würden.

Monate später legte Peter die Abendzeitung beiseite und meinte, wie seltsam es doch sei, daß da Leute Zeit und Geld für Eheberater, Psychiater und alle möglichen Arten von teu­rer "Behandlung" einsetzen würden, es aber nicht mit dem Weg der Zerbrochenheit ver­suchen wollten. Und doch sind diese anderen Dinge ohne Zerbrochenheit weitgehend nutz­los.

Nachtext

Inzwischen ist diese Artikelserie mit den weiteren Folgen als Taschenbuch erschienen

Quellenangaben

CLVTasehenbuch 58 Seiten, DM 2,80

„Zerbrochenheit ist der Weg zur Erweckung. Es ist ein geistliches Prinzip, daß Tränen des Zerbruchs die Vorboten göttlicher Segnungen sind.
Menschen mit der größten geistlichen Ausstrah­lung auf andere sind solche, die mit Christus in Sanftmut und Demut zusammengejocht sind."
William MocDonald, der Autor von „Wahre Jün­gerschaft" und anderen wertvollen Schriften, zeigt im ersten Teil dieser Schrift die Notwendigkeit und den Wert geistlicher Zerbrochenheit und die se­gensreichen Folgen im persönlichen Leben, in der Familie und Gemeinde.
Im zweiten Teil „Wie ein Mensch denkt" macht MacDonald deutlich, daß die Kontrolle des Ge­dankenlebens eine der wichtigsten Disziplinen ist, in welcher sich jeder Christ üben muß, wenn sein Leben zur Verherrlichung Gottes dienen soll.