Die Lebensgeschichte des Friedrich von Bodelschwingh (1831 – 1910), des- sen Todesjahr sich 2010 zum 100. Mal jährt, ist äußerst fesselnd für alle Leser, die sich für die Geschichte des deutschen Pietismus, der Diakonie im 19. Jahrhundert und auch für die Geschichte Preußens interessieren. Sein Vater war Finanzminister Preußens – sein Jugendfreund und Spielgefährte der spätere Kaiser Friedrich III. Bis an sein Le- bensende blieb er ein Patriot – wenn auch ein kritischer und oft unbequemer. Doch trotz bester Beziehungen zu höchsten Gesellschaftskreisen und optimaler Chance auf eine politische Karriere hatte Friedrich von Bodelschwingh ein Herz für die Armen, Kranken, Ausgestoßenen und Verachteten der Gesellschaft. Er studierte Theologie, arbeitete bald unter den Gassenkehrern in Paris, um schließlich mit seinem Lebenswerk – der Gründung der Anstalt „Bethel“ – zu beginnen, was ihn in aller Welt bekannt machte. Bis an sein Lebensende gründete er immer neue Anstalten und Häuser, um das soziale Elend der damaligen Zeit zu lindern und sorgte durch die Gründung des Diakonissen-Mutterhauses „Sarepta“ und der Diakonen-Bruderschaft „Nazareth“ für aufopferungsvolle, hingegebene Mitarbeiter. Gleichzeitig verband er Evangelisation, Mission und Diakonie in genialer Weise miteinander. Durch seine kindliche Frömmigkeit, seine Furchtlosigkeit, die keinen Konflikt scheute und seine ausgeprägte Menschenliebe war er ein unbequemer, oft gehasster und doch respektierter Zeitgenosse in politischen und kirchlichen Kreisen. Als parteiloser Abgeordneter sorgte er im preußischen Landtag als „christlich-sozialer Antisozialist“ für Furore und durch die Gründung der Theologischen Hochschule in Bethel vergraulte er die liberalen Theologen und Kirchenfür- sten der Evangelischen Kirche, denen er zeitlebens ein „Dorn im Fleisch“ war. Er selbst ging mit seiner Frau Ida durch tiefes Leid. Innerhalb von 14 Tagen starben während einer Epidemie vier ihrer Kinder und das machte ihn zu einem glaubwürdigen Tröster an vielen Sterbebetten. Wenn man diese bewegende Lebensgeschichte gelesen hat und mit dem heutigen „Bethel“ vergleicht, stellt man wehmütig fest, dass Erweckung und geistliches Leben nicht für alle Zeiten konserviert werden können und nach über drei Generationen das Wort „Ikabod“ (1Sam 4,21) über einem Werk geschrieben steht, das mir persönlich sehr zum Segen war.
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