Zeitschrift-Artikel: παραβολη - zwischen Parabel und Praxis - Nachlese zum Taupunkt 3.0

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Titel: παραβολη - zwischen Parabel und Praxis - Nachlese zum Taupunkt 3.0
Typ: Artikel
Autor: William Kaal
Autor (Anmerkung):

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Titel

παραβολη - zwischen Parabel und Praxis - Nachlese zum Taupunkt 3.0

Vortext

Text

Auftauchen, auftauen, auftanken
Diesem Aufruf sind auch dieses Jahr wieder 200 Jugendliche gefolgt. Aus der Versenkung aufzu- tauchen, aus der geistlichen „Kältestarre“ auf- zutauen und durch die Beschäftigung mit Gottes Wort kräftig aufzutanken war Wunsch und Ziel. Und wie schon in den beiden letzten Jahren ließ Gott uns erfüllte und segensreiche Tage erleben und beschenkte uns zudem in seiner Gnade wie- der mit außergewöhnlich gutem Wetter – genau während dieses Wochenendes!
Das Thema „Parabel“ ließ viele Jugendli- che unweigerlich – teilweise mit gemischten Gefühlen – an die Schule denken, kennt man die Parabel doch aus dem Mathematik- und Physik- Unterricht. Aber auch im Deutsch-Unterricht stößt man höchstwahrscheinlich auf die Parabel, nicht zuletzt weil Lessings Ringparabel aus „Nathan der Weise“ Literaturgeschichte geschrieben hat. Dass Parabeln allerdings auch in der Bibel zu finden sind, war vielleicht für manche überraschend ...
Eine mathematische Parabel besteht aus zwei Ästen, die exakt spiegelsymmetrisch sind. Der rechte Ast ist für jedes Kind nachvollziehbar – verbindet er doch anschaulich die positiven Quadratzahlen, wie sie z.B. bei Flächeninhalten von Weidegrundstücken oder dem Abzählen von Badezimmerfliesen auftreten. Der linke Ast ist dagegen abstrakt, da er auf negativen Zah- len basiert, die nicht mehr direkt im natürlichen Leben auftauchen und das Vorstellungsvermö- gen (zumindest von Kindern) sprengen. Aber durch die Symmetrie beider Äste lässt sich auch dieser abstrakte Teil der Parabel kinderleicht zeichnen und verstehen.
Ganz ähnlich werden in den biblischen Parabeln alltägliche, natürliche Dinge und Situ- ationen aus unserer Erfahrungswelt abstrakten, unsichtbaren Zusammenhängen gegenüberge- stellt, damit wir diese begreifen und nachvoll- ziehen können. Ein Vorgang, der sich gerade so im täglichen Leben vollzieht (oder zumindest vollziehen könnte), wird als Illustration für eine geistliche, „abstrakte“ Wahrheit verwendet. Der Herr Jesus erzählte viele solcher Parabeln oder Gleichnisse – die Evangelien sind voll davon. Da neben den großen und bekannten Gleichnissen wie ‚Der verlorene Sohn‘ oder ‚Der barmherzige Samariter‘ auch kleine „Bild“-Reden in der Bibel als Gleichnis bezeichnet werden (siehe z.B. Lk 5,36 und 6,39), ist die Liste der Illustra- tionen viel umfangreicher, als man zuerst den- ken könnte.
Die Bilder unseres Meisters sind farbig und ausdrucksstark, jeder Pinselstrich sitzt und zeigt faszinierende Details seiner Botschaft. Sie stecken voller Lektionen für unser geistliches Leben, fordern heraus und warnen zugleich. Die sechs Vorträge während der Taupunkt-Tage kreisten jeweils um eines dieser Gleichnisse des Herrn Jesus und zeigten, wie wir als seine Jünger leben sollen: wirkungsvoll, verantwortungsvoll und fruchtvoll.


Das vierfache Ackerfeld
In diesem Gleichnis wird die Notwendigkeit eines aufnahmebereiten, bußfertigen Herzens deut- lich, wenn Gottes Botschaft bei uns zu bleibender Veränderung führen soll. Es warnt uns vor einem festgetrampelten Herzensboden – zum Beispiel durch unachtsamen Medienkonsum – aber auch vor oberflächlichem, stimmungsabhängigem Glauben und mangelnder Beständigkeit – „der Sklaverei des Augenblicks“. Und es zeigt anhand der aufschießenden Dornen die Gefahr, die Kon- kurrenz zu unterschätzen, die sich in unserem Herzen neben dem Wort Gottes breit machen kann. Mit diesem Gleichnis eröffnet der Herr die Serie der acht Himmelreichs-Gleichnisse in Matthäus 13, die in sich selbst symmetrisch wie eine Parabel aufgebaut sind. In den ersten vier Gleichnissen zeigt er das Reich der Himmel in seiner vorläufigen Form, in der Böses und Gutes vermischt zu finden sind. Dann – im Scheitel- punkt der Parabel – entlässt er die Volksmenge und zeigt seinen Jüngern anschließend in den letzten vier Gleichnissen den Wert des noch verborgenen Teils des Reiches für ihn. Dieser Schatz, die Erlösten, sind ihm so wertvoll, dass er alles aufgegeben und sich selbst als Sklave verkauft hat, um sie zu erwerben.

Salz und Licht
Das Doppelgleichnis von Salz und Licht zeigt uns etwas über unseren Auftrag in dieser Welt. Salz hält Fäul- nis und Ungeziefer zurück, wie ein direkter Vergleich eines gepökelten Fisches mit einem ungesalzenen Fisch gleichen Fang-Datums eindrücklich und zum lautstarken Entsetzen einiger Teilnehmer demonstrierte. Neben der konservierenden Wirkung ist Salz auch geschmacksfördernd und daher als Gewürz beliebt. Es ist im Essen zwar mengenmäßig gering, hat aber doch durchschlagende Wirkung. Man isst es nie pur, denn es hat als Lebensmittel keinen Selbstzweck und ist als Klumpen quasi unbrauchbar. Erst wenn es zerstreut und aufgelöst wird, entfaltet es seine würzende Kraft. Ähnlich wirkungsvoll und doch anders ist Licht, das in die Finsternis dringt. Salz erhält, aber Licht erhellt. Es wirkt nicht verborgen, sondern offensichtlich, nicht in Komposition, sondern in Opposition. Das Licht, von dem Jesus redet, hat Nah- und Fernwirkung, denn die Öllampe scheint im Haus – die Stadt auf dem Berg weithin sichtbar ins nächtliche Tal. Beide Bilder des Doppelgleichnisses for- dern uns heraus, in unserem Umfeld Gott zu bezeugen und so zu leben, dass andere etwas von seiner Heiligkeit und Güte schmecken und sehen
können.


Der ungerechte Verwalter
Das interessante Gleichnis vom ungerechten Verwalter ist äußerst aktuell, da sich ja zuletzt viele Großbanker und Investoren als „ungerechte Verwalter“ des ihnen anvertrauten Geldes erwiesen haben. Tatsächlich waren damals, als der Herr dieses Gleichnis erzählte, auch viele ungerechte Verwalter anwe- send, welche die Verachtung der Bevölkerung auf sich gezogen hatten – die Zöllner. Doch trotz ihrer verdorbenen Vergangenheit nahm der Herr sie auf und erklärte in den drei bekannten Gleichnissen in Lukas 15, wie er sie als verlorene Sünder wieder in Gemeinschaft mit Gott bringen wollte. Das anschließende Gleichnis richtet der Herr an seine Jünger, also an solche, die ver- loren waren, aber gefunden wurden und ihm jetzt nachfolgen wollten.
Er erklärt ihnen, wie sie „geistliche Investoren“ werden und nun einen guten und im Hinblick auf die Ewigkeit sinnvollen Umgang mit Geld praktizieren könnten. Er macht deutlich, dass wir mit unserem Besitz Gott ehren und es in ewige Dinge investieren können. Und nur wer mit dem ihm anvertrauten Geld treu umzugehen weiß, den kann Gott „in einer höheren Liga spielen lassen“ und ihm geistliches Gut anvertrauen.


Die flehende Witwe
Die Geschichte der flehenden Witwe erzählte der Herr, um uns etwas über ausdauerndes, anhaltendes, geduldiges Gebet zu lehren. Offen- sichtlich haben wir Anleitung nötig, so zu beten, eben auch dann, wenn Gott unsere Bitten nicht sofort erhört. Er wird nicht schneller zu unserer Hilfe eilen, als es seine Weisheit erlaubt, aber er wird Treue im Gebet, auch über Jahre hinweg, belohnen – Beispiele aus der Vergangenheit gibt es dafür genug. Wichtig ist zwar, dass wir nach seinem Willen bitten und nicht nach unseren eigenen Interessen, doch die Bibel zeigt genü- gend Anliegen auf, für die wir ohne Einschränkung mit geduldiger Ausdauer bitten können. Der Kontext des Gleichnisses macht deutlich, dass der Herr besonders von den Gläubigen in der Endzeit erwar- tet, dass sie treue Beter sind und um sein baldiges Erscheinen bitten, auch wenn er nicht so schnell kommt wie erhofft.


Die zehn Jungfrauen
Drei eindrückliche Gleichnisse in der Endzeit-Rede des Herrn veranschaulichen, welche falschen Reaktionen es auf den scheinbaren Verzug seines Kommens geben kann. Da ist von einem bösen Knecht die Rede, der ausgiebig feiert und sogar seine Mitknechte schlägt, und von einem faulen Knecht, der sich weigert zu arbeiten. Und das Gleichnis von den zehn Jungfrauen zeigt anhand der Eingeschlafenen, dass Schläfrigkeit vielleicht die größte Gefahr ist, wenn wir auf unseren Herrn warten. Aber ist es nicht lieblos und verletzend, die versprochene Ankunft des Geliebten zu vergessen? Das Nachkriegsdrama „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert gibt einen erschütternden Einblick in die Gefühle dessen, der wiederkam aber nicht mehr erwartet wurde. Nichts ist schlimmer, als im Herzen derer gestorben zu sein, die man liebt. Wie sehr schätzt Jesus es daher, wenn wir ihn sehnlich erwarten!


Die anvertrauten Talente
Direkt im Anschluss erzählt der Herr Jesus das Gleichnis von den anvertrauten Talenten. Damit bereitet er seine Jünger auf die Zeit seiner Abwesenheit vor, denn nur kurze Zeit später wird er selber sterben und in den Himmel auffahren. Er hat sie vieles gelehrt und ihnen die Geheimnisse des Himmelreiches erklärt, nun übergibt er ihnen die Aufgabe, dieses anvertraute Gut zu bewahren und sich mit aller Kraft für die Ausbreitung der guten Botschaft einzusetzen. Bis heute gilt dieser Auftrag uns als seinen Jüngern, und bis zu seiner Wiederkehr sollen wir uns als treue und einsatzfreudige Knechte erweisen. Dabei demonstriert das Gleichnis, wie freigiebig unser Herr ist, da er uns seine Schätze anvertraut. Und es macht deutlich, dass er uns und unsere individuellen Fähigkeiten genau kennt, denn die Knechte bekommen unterschiedlich viel Verantwortung zugeteilt. Die ernste Warnung des Gleichnisses zeigt sich im letzten Knecht, der nicht glaubte, dass sein Herr ein Belohner sei und daher die Arbeit nicht der Mühe wert erachtete. Der Herr entblößt ihn als bösen und faulen Knecht und offenbart sein widerspenstiges, hartes Herz, das Gottes ausgestreutes Wort nicht wirksam aufgenommen hat und daher fruchtleer geblieben ist.
Die mathematische Umkehrung der Parabel ist die Wurzelfunktion – wobei nur der positive, nicht aber der negative Ast berücksichtigt wird. Es ist unser Wunsch, dass die herausfordernden Botschaften aus diesen biblischen Parabeln zur Umkehr führen und vor den negativen Wurzeln der Bitterkeit (Hebr 12,15) und der Geldliebe (1Tim 6,10) bewahren. Wenn sie vielmehr die positiven Wur- zeln vermehren, die nicht erschüttert werden (Spr 12,3) sondern Stabilität und Fruchtbarkeit bewirken (Jer 17,8), werden wir nicht zwischen Parabel und Praxis stehen bleiben, sondern von der Parabel zur Praxis gelangen und Gottes Segen erleben.

 

Nachtext

Quellenangaben

Alle Vorträge zum kostenlosen Download unter www.taupunkt.org -> Abgetaut 10