Gilgal
"Und der Herr sprach zu Josua: Heute habe ich die Schande Ägyptens von euch abgewälzt_ Und man gab selbigem Ort den Namen Gilgal bis auf diesen Tag" (Jos. 5,9).
Der Name Gilgal soll uns jetzt beschäftigen. Er bedeutet etwa "Abwälzung".
Die Israeliten gaben dem Ort diesen Namen, nachdem sie dort beschnitten worden waren und damit, wie der Herr ihnen sagte, "die Schande Ägyptens" abgelegt, oder eben abgewälzt hatten.
Dem Wort zugrunde liegt ein hebräisches Verb "galal", das zunächst "rund sein" bedeutet, dann aber auch das, was runde Dinge tun, nämlich "rollen" oder "wälzen". Der Grundstamm - gal - hat eine ganze Reihe von Wörtern gebildet, wovon eines für den Körperteil gebraucht wird, der eben rund ist: der Kopf oder Schädel, hebr. gulgolät.
Wenn wir jetzt an das Neue Testament erinnert werden, wo wir von einem dort überaus wichtigen Ort lesen, der Golgatha, zu deutsch Schädelstätte, heißt, dann haben wir nicht nur eine sprachliche Übereinstimmung, sondern vor allem auch eine sachliche Übereinstimmung entdeckt. Tatsächlich ist das für Josua und seine Zeitgenossen so entscheidende Gilgal eines der vielen Schattenbilder auf das Kreuz Jesu Christi. Und wenn für Josua und seine Verhältnisse Gilgal von so außerordentlicher Bedeutung war, dann ist für den Christen Golgatha von noch größerer Bedeutung und Tragweite.
Was war denn nun in Gilgal geschehen? Ein erlöstes Volk hat hier gelernt, daß in den Kriegen Jahwes "das Fleisch nichts nützt"; in der Beschneidung sprach der Erlöste das Urteil über sein Fleisch aus: es muß unter das Messer des Gerichts, da es in keiner Weise Gott zu gefallen vermag.
Was bedeutet denn das für uns, die wir nicht "die Beschneidung im Fleische" sind, "die mit Händen geschieht"? Paulus gibt uns die Antwort in Philipper 3,3: "Denn w i r sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen."
Wo lernen wir denn, unser Fleisch radikal und restlos zu verurteilen, wenn nicht auf Golgatha? Dort zeigt uns ein heiliger Gott, daß Er das Fleisch der Sünde wegen richten muß. Es ist unverbesserlich, es kann Gott nicht untertan sein; darum muß Gott es im Gericht beseitigen. Und weil Gott sein unerbittliches Urteil über all unser natürliches Vermögen, Meinen und Trachten gefällt hat, sollen auch wir das tun. Wir vollziehen dieses Gericht nach, indem wir, wie der Kolosserbrief sagt, "unsere Glieder, die auf der Erde sind, töten" (3,5).
Und welche Bedeutung hatte Gilgal in der weiteren Geschichte Josuas und seiner Mitstreiter?
Gilgal war lange Zeit Hauptquartier der israelitischen Heere, nämlich solange, wie die Kämpfe um das Land der Verheißung andauerten. Von da brachen die Krieger zu jeder entscheidenden Schlacht auf (Jos. 4,19; 5,10; 10,6.7) und dahin kehrten sie auch jeweils wieder zurück (10,15). Gilgal ist also offensichtlich der Ort, an dem die Kraft für den Kampf geholt wird.
Wir sind sehr träge, das zu glauben. Und doch hat es der Herr unmißverständlich gesagt: "Das Fleisch nützt nichts" (Joh. 6,63). Wie töricht sind wir, wenn wir meinen, intellektuelle Fähigkeiten, Bildung, gesellschaftlicher Rang, Vermögen, geschickte Werbung, ausgefeilte Rhetorik etc. würden in den Kämpfen Jahwes den Ausschlag geben. Paulus wußte, daß sein Fleisch nichts nützt, obwohl er allen Grund gehabt hätte, sich auf seine natürlichen Gaben und Fähigkeiten sowie auf seine Herkunft etwas einzubilden: er war theologisch einmalig geschult, er war gebildet, er war beschnitten, hatte also die "Sakramente empfangen". Aber er hatte gelernt, daß er deswegen noch lange nicht für einen Dienst in der Gemeinde Gottes tauglich war, so daß er alle diese Dinge, auf die er einst stolz gewesen war, für Kot erachtete; es war für Gott wertlos.
Ein Knecht Gottes, der in unserem Jahrhundert in China diente, hatte das auch begriffen, als er einmal sagte: "Was wir brauchen ist nicht größere Macht (power), sondern tieferer Tod." Das ist wohl das Geheimnis geistlicher Kraft; das ist eben Gilgal.
"Von mir aber sei es ferne mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesu Christi" (Gal. 6,14).
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