Zeitschrift-Artikel: John Paton (Missionar unter den Kannibalen der Neuen Hebriden) 3.Folge

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Titel: John Paton (Missionar unter den Kannibalen der Neuen Hebriden) 3.Folge
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

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Titel

John Paton (Missionar unter den Kannibalen der Neuen Hebriden) 3.Folge

Vortext

Text

Im Jahr 1858 war John Patons Ausreise noch "Tonna'', einer kleinen Insel der Neuen Hebriden, um dort unter den Kannibalen zu missionieren. Das ungewohnte Klima, die Grausamkeit und Unbere­chenbarkeit der Eingeborenen machten Paton schwer zu schaffen. 1859 wurde seine Frau von einem Malariafieber heimgesucht und innerhalb drei Wochen starb sie und auch ihr erstes Kind. Diese schweren Prüfungen, wie auch die ständigen Mordabsichten der Eingeborenen brachten Paton dazu, sich umsomehr an seinen Heiland zu klammern.


Ein großes Problem für Paton war nicht nur die Grausamkeit der Tannesen, sondern auch ihre Verlogenheit. Mit der unschuldigsten Miene stahlen sie mit erstaunlicher Geschicklichkeit alles, was nicht nies- und nagelfest war. Fiel irgendein Gegenstand auf die Erde, so hatte Sekunden später mit Sicherheit einer der Tannesen seinen Fuß darauf gesetzt, während er sich in aller Ruhe mit Paton unterhielt. Die Eingeborenen konnten mit ihren Zehen fast so wie mit ihren Fingern umgehen und waren in der Lage, sich mit dem gestohlenen Gegenstand unter dem Fuß unauffällig zu bewegen und zu entfernen. Andere steckten ihre Diebesbeute blitzschnell in ihre dichten Haare. Diebstahl wurde im allgemeinen nicht als ein Vergehen angesehen, wohl aber die Ungeschicklichkeit, sich erwischen zu lassen.

Eines Tages war die Küche Patons plötzlich wie leergefegt, so daß er nicht einmal mehr Wasser kochen konnte. Da der Wasserkessel ihm für das Überleben sehr wichtig schien, bot er eine Wolldecke für den gestohlenen Wasserkessel an. Und siehe da: der Kriegshäuptling persönlich brachte ihm den Kessel, allerdings ohne den Deckel, denn der sei inzwischen auf der ande­ren Seite der Insel und um keinen Preis zu bekommen, weil er in die Hände feindlicher Stämme geraten sei. Paton schrieb bei dieser Gelegenheit:

"Ich war schon glücklich über den nun offenen Kessel und machte meine Betrachtungen darüber, wie selbst das Leben von einer solchen Kleinigkeit abhängen kann . . . Wir ließen alles gerne über uns ergehen, wir trugen es gern im Dienst unseres Herrn_ Die Hoffnung verließ uns nicht, daß diese Armen in uns Freunde und Helfer sehen würden, sobald es uns gelänge, sie Jesus erkennen und lieben zu lehren."

Paton besaß aber auch eine Portion mit Weis­heit gepaartem Humor, wie die folgende Ge­schichte beweist:

Eines Tages kamen aufgeregte Leute angerannt mit den Worten: "Missi, Missi, ein brennendes Schiff oder ein Gott kommt über das Meer! Es sind keine Flammen zu sehen, aber Rauch wie aus dem Vulkan! Was ist es? Ein böser Geist oder ein brennendes Schiff?"

Alle waren in großer Angst und Aufregung, als Paton erklärte: "Ich muß mir schnell meine besten Kleider anziehen. Es wird eins der gro­ßen Kriegsschiffe meiner Königin Viktoria sein. Den Kapitän muß ich voll Ehrfurcht empfangen. Er wird mich fragen, wie ihr mich behandelt, ob ihr meine Sachen stehlt und mir nach dem Leben trachtet, oder ob wir Freunde sind."

Plötzlich rannten alle weg, um in Windeseile die gestohlenen Sachen zurückzubringen und Paton freute sich über die zauberhafte Macht, die von einem Dampfer ausging.

"Ich sehe den Deckel meines Wasserkessels nicht", sagte er, als er belustigt auf das bunte Durcheinander der zurückgebrachten Diebes­beute sah. "Ihr sollt ihn morgen haben, Missi, er ist auf der anderen Seite der Insel! Aber sagt es dem fremden Mann nicht", war die Antwort der angsterfüllten Eingeborenen.


Kraftprobe mit Zauberern



Während einige Stämme wieder einmal mitein­ander im Streit lagen, besuchte Paton täglich das Lager und versuchte Frieden zu stiften und das Evangelium zu verkündigen. Drei Zauberer, die dort anwesend waren, erklärten, sie könnten und wollten nichts von diesem Gott hören. Sie selbst seien mächtig und in der Lage, Paton duch Zauberei zu töten, wenn sie nur ein Stück einer Speise, die er gegessen habe, er­hielten. Diese Bedingung war die Voraussetzung für ihre "schwarze Magie" und auch die Ursa­che, warum ein Eingeborener niemals den Rest einer Speise stehen ließ. Nicht einmal ein Stück Bananenschale warfen sie weg, aus Angst, es könnte in die Hände eines Zauberers geraten. Da dieser schreckliche Aberglaube eine Ursache vieler Kämpfe und vielen Blutvergießens war, nahm Paton - Gott um Beistand bittend - die Herausforderung an.

Eine anwesende Frau hatte einen Zweig mit pflaumenähnlichen Früchten. Paton bat sie um einige, worauf die Frau ihm den ganzen Zweig überließ. Er nahm davon drei Früchte, biß von jeder ein Stückchen ab und reichte den Rest den drei Zauberern, während er die entsetzte Volksmenge anredete: "Ihr habt alle gesehen, daß ich von diesen Früchten gegessen habe. Ich behaupte: Eure Priester werden mich ohne Pfeile, Speer, Keule oder Flinte nicht töten können, denn sie haben keine Macht - weder über mein, noch über euer Leben!"

Die Eingeborenen rannten, wie von der Pest verfolgt, fort, indem sie schrien: "Fort, Missi, fort!" Paton aber blieb und beobachtete, wie die Zauberer die Pflaumenreste in gewisse Blätter eines "heiligen Baumes" einwickelten, ein "geweihtes Feuer" anzündeten und mit ihrer Zauberei begannen.

Von Zeit zu Zeit warfen sie Blicke auf den Missionar, um zu erkennen, ob die Wirkung ihres Zaubers schon eingetreten sei. Paton aber rief: "So beeilt euch doch! Laßt eure Götter euch helfen! Ich bin nicht tot, sondern fühle mich wohl!"

Nach vielen vergeblichen Beschwörungen er­klärten die erfolglosen Priester, daß sie den Beistand weiterer Zauberer nötig hätten. Paton antwortete darauf: "Ich fordere alle eure Prie­ster auf, mich durch den Zauber zu töten! Wenn ich nächsten Sonntag gesund in euer Dorf komme und dort zu meinem Gott bete und euch über Ihn belehre, so werdet ihr alle zugeben, daß eure Götter mir nichts anhaben können, und daß ich im Schutz des wahren, lebendigen Gottes stehe!"

Die Zauberer - verstärkt von einer Menge weiterer Priester, die von nah und fern zu­sammengerufen wurden - versuchten nun mit vereinten Kräften, Paton durch einen Zauber zu beseitigen. Ab und zu tauchte einer der geäng­stigten Götzendiener auf, um zu sehen, ob er noch lebe.

Am besagten Sonntag trat der Missionar mit dem Friedensgruß unter die versammelte Volksmenge. Die Zauberer gestanden ein, daß ihr Zauber ohne Erfolg war, weil Paton selbst ein "geweihter Mann" sei und unter dem Schutz eines stärkeren Gottes stehe. Darauf rief Paton aus: "Jawohl, mein Gott ist stärker als eure Geister! Er hat mich behütet und mir gehol­fen! Er ist allein der wahre und lebendige Gott, der Einzige, Der die Gebete der Men­schen hören und erfüllen kann! Eure Götter können nicht hören; der meine kann es und möchte auch eure Bitten erhören, wenn ihr Ihm euer Herz und Leben geben und Ihm al­lein dienen wollt ...!"

Nun forderte er die zuhörende Volksmenge auf, sich zu lagern, und verkündigte ihnen dann das Evangelium. Während zwei Zauberer seiner Rede zuhörten, raffte der dritte, der wohl ranghöch­ste Zauberer, seinen Speer, wirbelte ihn über seinen Kopf und zielte auf den Missionar. Aber Gott hielt seine Hand. Obwohl dieser wütende Zauberer noch lange Zeit täglich er­schien und seine Waffe gegen Paton erhob, warf er den Speer nicht.

Diese Begebenheit erschütterte bei vielen Ein­geborenen den Glauben an die Macht der Zau­berer, obwohl er nicht ganz auszurotten war.



Weiße Teufel


Eines Tages liefen einige Schiffe aus England in Tanna ein. Die Kapitäne besuchten Paton und einer von ihnen sagte mit sichtlichem Behagen: "Wir verstehen es, Ihre stolzen Tan­nesen zu beugen! Wir werden sie ihnen gehor­sam machen!"

Böses ahnend, fragte Paton: "Sie haben hof­fentlich nicht vor, diesen armen Menschen mit Gewalt zu begegnen?" Lachend gab der Kapitän zur Antwort: "Wir haben ihnen die Masern ge­bracht! Das wird sie dahinraffen! Vier kranke junge Leute haben wir in verschiedenen Häfen an Land gesetzt, das wird ihre Reihen lichten. Unsere Parole ist, diese Leute zu vertilgen, damit der Weiße sich des Landes bemächtigen kann."

Die Masern verbreiteten sich ebenso rasch wie heftig, und in manchen Dörfern waren alle krank, so daß keiner übrig blieb, um den Fie­bernden einen Schluck Wasser zu reichen. Allein von den Mitarbeitern Patons starben 13 und die übrigen waren derart von Angst und Schrecken gepackt, daß sie mit Ausnahme des alten Ab­raham die Insel verließen.

Die Eingeborenen verhielten sich während des Fiebers unsinnig. Viele sprangen ins Meer, um die glühende Hitze zu mildern und starben dann augenblicklich. Andere suchten ihre brennende Haut in der Erde zu kühlen, in die sie sich graben ließen, so daß viele buchstäblich im eigenen Grab starben.

Auch Kowia, ein Häuptling von hohem Rang, der sich bekehrt hatte und nun Paton als Leh­rer half und eine wertvolle Unterstützung war, wurde krank. Seine Frau und Kinder hatte er schon begraben müssen und nun saß er traurig an dem Krankenlager Patons, der nun selbst, geschwächt von den vielen Strapazen, krank daniederlag.

"Missi", sagte er, "alle sind tot. Wenn auch ich sterbe, wer wird Euch die Kokosnüsse vorn Baum holen, wer wird Euch einen kühlen Trunk bringen? Wer wird Eure Lippen und Stirn anfeuchten?" Paton konnte vor Schwäche nicht antworten, sah aber, wie Kowia sich niederkniete und betete: "0 mein Herr Jesus . . . Missi Paton ist schwer krank, ich bin krank und Deine Diener aus Aneityum sind krank und sterben! 0 Gott, willst Du Deine Diener und Dein heiliges Wort ganz wegnehmen aus diesem dunklen Land? Die Tannesen hassen Dich und Deinen Dienst, aber Du willst doch gewiß nicht die Armen verlassen, die Dich nicht erkennen. Laß sie nicht in der Finsternis, mache die Herzen geneigt, Dich zu fürchten und Jesus zu lieben und mache Missi Paton gesund, damit Tanna gerettet wird!"

Dieses inbrünstige Gebet war für den Missionar eine große Glaubensstärkung.

Von diesem Tag an erholte er sich langsam. Wenige Tage später kam Kowia wieder und rief:

"Missi, ich bin sehr schwach; ich werde ster­ben. Ich komme, Abschied von Euch zu nehmen, ich werde bald daheim sein bei Jesus. Missi, seitdem ihr krank seid, habe ich Frau und Kinder begraben . . . Wenn ich hier oben auf dem Hügel sterbe, wird niemand Abraham hel­fen, mich hinunter zu tragen und mein Grab neben Frau und Kindern zu machen. So will ich unten sterben, will neben ihnen liegen und mit ihnen auferstehen, wenn der Heiland wie­derkommt. Ich bin froh, zu Jesus zu gehen, Missi! Nur eines bekümmert mich, daß alle Diener Gottes von Tanna genommen werden! 0 Missi, betet für unsere armen Brüder und betet noch einmal für mich!" Er kniete an Patons Lager nieder und beide beteten aus tiefstem Herzen für einander und für Tanna. Mit bewe­genden Worten schildert Paton den Heimgang Kowias:

"Nun lag ich allein im hohen Fieber. Es war, als wenn mir das Herz brechen sollte, als ich den treuen Bekenner, auf Abrahams Arm ge­stützt, fortwanken sah! Mühsam nur erreichte er die Gräber; und kaum sich niederlegend, hatte er ausgerungen und entschlief im Herrn. Abraham erfüllte seinen Wunsch und bettete ihn neben Frau und Kindern zur ewigen Ruhe. So starb ein Mann, der einst Kannibale und Häuptling derselben gewesen, aber durch die Gnade Gottes und die Liebe zum Heiland zu einem wahren Christen geworden war. Er starb, wie er gelebt hatte, seit Jesus in sei­nem Herzen wohnte: ohne leiseste Todesfurcht und im sich täglich mehrenden Glauben an die Erlösung durch das Blut des Lammes . . . lch verlor in ihm einen der besten Freunde, wußte aber damals und weiß es heute, daß an dem großen Tag wenigstens eine Seele aus Tanna dem Herrn Preis und Lob zujubeln wird."


(Fortsetzung folgt)

Nachtext

Quellenangaben