Salomo beschreibt in Spr 30,25-28 die „vier Kleinen der Erde“, die „mit Weisheit wohl versehen“ sind. Nachdem er diese Tiere beobachtet und über ihre Lebensgewohnheiten nachgedacht hat, staunt er über die Weisheit, mit welcher diese unscheinbaren, kleinen Tiere von ihrem Schöpfer ausgestattet wurden. Am 9. Juli saßen wir in Wenzhou (China) mit Feng en Guang zusammen. Wir hatten ihn im November letzten Jahres zum ersten Mal kennen gelernt. Damals hatte er uns ein wenig von seiner evangelistischen Arbeit erzählt und nun wollten wir etwas mehr von der Führung Gottes in seinem Leben erfahren. Manche Menschen würden ihn wohl auch zu den „Kleinen der Erde“ zählen: Kaum Schulbildung, in armen Verhältnissen aufgewachsen – aber durch Gottes Gnade mit „Weisheit wohl versehen“. Ein bescheidener, aber eifriger Evangelist mit einem brennenden Herzen für die verachteten und vernachlässigten Menschen in dem Riesenreich China. Gott hat ihm ein weites Arbeitsfeld anvertraut, das er mit großer Treue „beackert“.
Betende Eltern Im Jahr 1936 wurde Feng en Guang geboren. Seine Eltern waren überzeugte Christen und beteten für ihren Jungen, dass er mit seinem Leben Gott verherrlichen möge. Deshalb gab ihm sein Vater den Namen „Licht der Gnade“. Bereits mit sieben Jahren verlor Feng seine Mutter und die damals ärmlichen Verhältnisse erlaubten es nicht, dass er eine ausreichende Schulbildung bekam. So verbrachte er insgesamt nur sechs Monate in der Schule und besaß kaum Voraussetzungen irgendeinen Beruf zu erlernen, um später einmal eine Familie ernähren zu können. War Feng en Guang auch ungebildet, so war er doch nicht auf den Kopf gefallen. Er hatte eine gute Auffassungsgabe, war kontaktfreudig und erlebte mit 12 Jahren in einem Jugendkreis in Shanghai eine klare Bekehrung. Das war wenige Jahre vor der Revolution und in der Zeit politischer Wirren und Kämpfe in China. Von der Liebe Jesu ergriffen half Feng so gut er konnte in einer evangelistischen Arbeit mit und war bald auch schon in der Lage – trotz mangelnder Bildung – das Evangelium zu verkündigen.
Verhaftet und eingelocht Inzwischen hatte Mao Tse-tung mit seinen Genossen China zu einem kommunistischen Staat gemacht. Alle ausländischen Missionare wurden aus dem Land gejagt und die Kirchen geschlossen. Nur in der staatlichen und politisch geführten „Drei-Selbst-Kirche“ durften sich Christen versammeln. Alle anderen Zusammenkünfte waren illegal und starkem Druck und brutaler Verfolgung ausgesetzt. Feng schloss sich der verbotenen „Untergrundkirche“ an und stand bald unter Beobachtung der Polizei. Am 30.6.1969 – als die Kulturrevolution China in ein Meer von Blut verwandelte – wurde Feng plötzlich verhaftet und eingelocht. Er hatte inzwischen in Shanghai als Schreiner gearbeitet und in einer kleinen Hauskirche gepredigt. Das war Grund genug, um ihn einzusperren. Es gab keine Gerichtsverhandlung und auch kein Urteil. Bekennende Christen galten als Gefahr für die Revolution und gehörten deshalb ins Gefängnis. So gab es nur ein Verhör, bei dem allerdings auch ein höherer Offizier im Hinter- grund zuhörte: „Ist Jesus der allmächtige Gott?“ — „Ja!“ „Kann er Blinde sehend machen?“ —„Ja!“ „Kann er Tote auferwecken?“ —„Ja!“ „Aber Dein Jesus hat keine Kraft! Du glaubst an Jesus und bist im Gefängnis – ist das die Macht Gottes? Wenn Jesus Macht hat, kannst Du mir sagen, wann Du aus unserem Gefängnis entlassen wirst?“ — „Meine Zeit im Gefängnis ist von Gott bestimmt. Ihr könnt mich nicht einen Tag länger hier halten als Gott es will!“ — „Weißt Du, wie oft Jesus verurteilt wurde?“ — „Wenn Ihr mir meine Bibel zurückgebt, dann zeige ich Euch die Stellen.“ — „Die bekommst Du nicht wieder. Aber sag endlich, wie oft Jesus verurteilt wurde!“ — „Dreimal. Von den Hohenpriestern, von der Volksmenge der Juden und von Pilatus. Und anschließend wurde Israel für die Verurteilung bestraft!“ — „Du redest Unsinn!“ Danach wurde Feng wieder in seine Zelle geführt.
„Mach, dass du wegkommst!“ Der Offizier im Hintergrund hatte dem Verhör gut zugehört, aber geschwiegen. Am nächsten Tag wurde Feng in sein Büro gerufen, wo der Beamte ihm unter vier Augen erzählte, dass er fünf Kinder habe und seine Frau schwer krank sei. „Ich glaube, dass Jesus heilen kann. Ich will auch an Jesus glauben wie Du!“ — „Ich glaube an Jesus – aber bin deswegen im Gefängnis! — „Das ist mir egal. Ich will an Jesus glauben – auch wenn ich Probleme kriege!“ Dann knieten die beiden zum Gebet nieder und der Offizier erlebte seine Bekehrung zu Jesus Christus. Danach beteten beide um Gesundheit für seine Frau. Tatsächlich ging es der Frau einige Tage später etwas besser und schließlich wurde sie völlig gesund. Auch sie nahm den Herrn Jesus als ihren Heiland an. Insgesamt kamen in den folgenden Monaten drei Familien und etwa 20 Gefangene durch das treue Zeugnis von Feng zum Glauben. Das gefiel den Kommunisten natürlich gar nicht. Und so luden sie ihn schließlich nach einigen Monaten vor und befahlen ihm: „Pack Deine Sachen und mach dass Du wegkommst. Wir sind schließlich keine Kirche, wo gepredigt wird, sondern ein Gefängnis!“ Und so wurde der nicht offiziell Verurteilte inoffiziell in die Freiheit gejagt. Er hatte seinen Auftrag von Gott erfüllt und Gott hatte den Zeitpunkt seiner Entlassung bestimmt. Und Feng blieb „nicht einen Tag“ länger dort! In den folgenden Jahren schloss er sich einem Team von etwa 200 jungen Brüdern in Shanghai an, die – soweit es die Umstände erlaubten – an Wochenenden und freien Tagen in alle Gegenden Chinas reisten um dort durch persönliche Evangelisation Menschen für den Herrn zu gewinnen.
„Noch im Greisenalter stark, kraft- voll und grün ...“ (Ps 92,15) Nach einigen Jahrzehnten in der Evangelisations-Arbeit und der Betreuung der Hauskirchen begann im Jahr 2005 ein neuer Arbeitszweig: Während einer Gebetsversammlung in Shanghai wurde auf die Not der Aidskranken in China hingewiesen. Die Situation dieser Men- schen legte sich so schwer auf Feng, dass er sich anschließend mit einem Bruder aufmachte, um Kontakt zu den entsprechenden Dörfern Chinas aufzunehmen, wo vermehrt Aidskranke lebten. Diese ersten Besuche öffneten den Brüdern die Augen für eine Not, die ihnen bisher unbekannt war: In den 90er Jahren, als es besonders in den ländlichen Gegenden viel Armut gab, konnten arme Leute ihre Einkünfte dadurch verbessern, dass sie ihr eigenes Blut verkauften. Für eine Blutspende bekam man damals umgerechnet etwa 50 US-Dollar und viele Bauern machten davon Gebrauch. Erst viel später stellte sich heraus, dass während dieser Zeit nicht sorgfältig mit den Nadeln bei den Blutabnahmen umgegangen wurde. Desinfektions- und Sterilisationsvorschriften wurden nicht beachtet und so wurden viele dieser Blutkonserven mit Aids verseucht, was man erst nach Jahren feststellte, als an bestimmten Orten durch Blutübertragungen auffallend viele Patienten an Aids erkrankten. Diese Dörfer wurden bald bekannt und natürlich weitgehend von der Bevölkerung gemieden, die verständlicher Weise Angst vor einer Ansteckung hatten. Die an Aids Erkrankten bekommen eine kleine Rente, von der man weder leben noch sterben kann und leben innerhalb ihrer Familien in großer Armut und Hoffnungslosigkeit.
Ein dankbares Arbeitsfeld! Diese Dörfer im Norden und im Westen Chinas wurden nun zum Missionsfeld für Feng und eine Anzahl Geschwister, die seitdem regelmäßig diese Dörfer aufsuchen. Bei ihren Besuchen bringen sie Kleidung, Nahrung und Medikamente mit. In besonders harten Situationen geben sie auch finanzielle Hilfe, um gleichzeitig diesen Menschen das Evangelium durch Wort und Schrift zu verkündigen. Diese Besuche werden von den Kranken und ihren Familien sehr dankbar angenommen. Oft lädt eine Familie eine weitere befreundete Familie ein, damit diese auch das Evangelium kennen lernen kann. Dadurch sind viele gute Beziehungen entstanden, die den Boden für die Frohe Botschaft vorbereitet haben. Inzwischen gibt es auch öffentliche Versammlungen, wo evangelisiert wird. In den vergangenen fünf Jahren sind etwa 500 – 600 Menschen durch diese Einsätze zum Glauben gekommen. Von diesen Gläubigen sind insgesamt ca. 320 getauft worden, die sich nun in acht Hausgemeinden versammeln. So wurde „Licht der Gnade“ zum Hoffnungsträger für die, welche in „Finsternis und Todesschatten“ lebten. Nun können sie „den Herrn preisen wegen seiner Güte und wegen seiner Wundertaten an den Menschenkindern“. (Ps 107, 10.15).
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