»Ruhen im Geist«
In den letzten Jahren ist auf charismatischen Versammlungen ein Phänomen besonders bekannt geworden, welches man "Ruhen im Geist", "Erschlagen (hingestreckt) vom Geist", oder "Fallen unter die Kraft" genannt hat.
Obwohl behauptet wird, daß dieses Phänomen aus der Kirchengeschichte bekannt sei (1), kann man diese These nicht mit Beispielen belegen, denn die Ohnmachtsanfälle in den Erweckungsversarn mlungen von Wesley, Whitefield, oder auch der mittelalterlichen Bußprediger wie Tauler, hatten andere Ursachen und wurden auch anders gedeutet.
Als biblische Belege für das "Umfallen" werden folgende Personen genannt:
Hesekiel (Hes. 1,28)
Daniel (Dan. 8,17; 10,8-9)
Die Soldaten bei der Gefangennahme (Joh. 18,6)
Die Jünger auf dem Berg der Verklärung (Matth. 17,6)
Die Wachsoldaten am Grab Jesu (Matth. 28,4) Johannes auf Patmos (Off b. 1,17)
Wenn auch zu Beginn der Pfingstbewegung des öfteren die Menschen umfielen, so ist dieses Phänomen in der jüngeren Vergangenheit durch die Veranstaltungen von Kathryn Kuhlmann, Kim Kollins, Reinhard Bonnke und John Wimber einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden.
John Wimber beschreibt das "Umfallen" so: "Dieses Phänomen, daß Menschen umfallen und manchmal mehrere Stunden auf dem Rücken oder auf dem Bauch liegenbleiben, kennen wir nicht nur aus vielen Berichten der Kirchengeschichte, sondern es tritt auch heute häufig auf. Die meisten Menschen verspüren dabei ein Gefühl der Ruhe und großer Gelassenheit in bezug auf ihre Lebensumstände. Gewöhnlich lassen sich nachträglich weder positive noch negative Auswirkungen feststellen. Gelegentlich kann der Zustand zwölf bis auchtundvierzig Stunden anhalten; in solchen Fällen wird von Menschen berichtet, daß sie eine tiefgehende geistliche Veränderung erlebt haben. Dramatisch kann es sein, wenn ein Pastor oder ein geistlicher Leiter in dieser Weise umfällt; manche scheinen regelrecht vom Geist auf ihr Angesicht geworfen zu werden und bleiben dann auf dem Bauch liegen. Es hat auch einige Fälle gegeben, bei denen ein Pastor etwa eine Stunde lang rhythmisch seinen Kopf auf den Boden geschlagen hat. (Merkwürdigerweise scheint dies weder Kopfschmerzen noch irgendwelche Schäden hervorzurufen.) Die Veränderungen, die einer solchen Erfahrung folgen, können sehr groß sein. Es scheint, als ob gerade Pastoren durch dieses Erlebnis neue Vollmacht und Wirksamkeit für ihren Dienst empfangen." (2)
Allerdings fallen die Menschen nicht - wie Wimber schildert - "auf den Bauch", sondern fast ausschließlich auf den Rücken. Viele bezeugen, daß sie in diesem Zustand Visionen bekommen, in einem "Zustand der Glückseligkeit ruhen", in Zungen reden oder mit neuer Kraft für ihren Dienst erfüllt werden. Manche brechen auch in das sogenannte "heilige Lachen" aus.
Häufig fallen Menschen um, nachdem ihnen die Hände aufgelegt wurden oder es zu einem anderen Körperkontakt mit entsprechenden Personen gekommen ist. Andere fallen um, wenn sie - wie in Frankfurt auf der "Feuer-Konferenz" - durch das Mikrofon "angeblasen" werden. R. Bonnke berichtet, daß auf seinen Großevangelisationen oft Tausende innerhalb weniger Sekunden im Augenblick ihrer "Geistestaufe" oder einer "Geistausgießung" zu Boden fallen und hat Bilder veröffentlicht, auf denen zu sehen ist, daß Tausende in einem chaotischen Durcheinander auf dem Boden liegen.
Meist werden auf solchen Versammlungen Helfer eingesetzt, um die Umfallenden aufzufangen und hinzulegen, so daß die Bühnen mancher Veranstaltungen ein merkwürdiges Bild vermitteln. Es kommt vor, daß auch der Verkündiger oder sein Übersetzer "vom Geist erschlagen" wird.
J. Buckingham schreibt in seiner Biographie über Kathryn Kuhlmann: "Eines Sonntagnachmittags im Shrine-Auditorium rief Kathryn alle Geistlichen - Katholiken, Protestanten und Juden - aufs Podium. Fast 75 Personen kamen ihrer Aufforderung noch und stellten sich zu ihr aufs Podium. Zweimal streckte sie die Hand aus, einmal rechts und einmal links, und alle diese Männer fielen zu Boden, übereinandergestapelt wie ein Stoß Holz. In Miami, Florida, ging sie einmal mitten durch den Chor, um mit denen zu beten, die sie berühren konnte, und fast 400 Menschen sanken 'unter der Kraft' zu Boden." (3)
Buckingham berichtet auch, daß in seiner Gemeinde der Film über den "Weltkongreß über den Heiligen Geist" (1974 in Jerusalem) gezeigt wurde, welcher mit einem längeren Ausschnitt über einen Heiligungsgottesdienst mit Kathryn Kuhlmann schloß. Als nach dem Film die Anwesenden aufgefordert wurden, sich zum Gebet zu erheben, hörte man plötzlich Stühle rutschen und Menschen zu Boden fallen:
"Ich öffnete die Augen und sah, daß fast ein Drittel der Gemeinde - so schien es - auf dem Boden lag oder auf Stühle hingesunken war -unter der Kraft. Dies war eine der gewaltigsten Demonstrationen der latenten Kraft des Heiligen Geistes, die ich je miterlebte." (4)
Obwohl das Umfallen häufig innerhalb der katholisch-charismatischen Bewegung geschieht (besonders durch den Dienst von Kim Kollins und Francis MacNutt), kamen warnende Stimmen erstaunlicherweise gerade aus diesem Lager. Kardinal Suenens, der "Vater" der katholisch-charismatischen Bewegung, hat dieses Phänomen sehr kritisch beurteilt und die katholische Erneuerungsbewegung eindringlich vor einem parapsychologischen Phänomen gewarnt. (5)
Der Psychoanalytiker Karl Guido Rey, Mitglied des Leitungsteams der charismatischen Erneuerung in der Katholischen Kirche der deutschsprachigen Schweiz, kommt in seinem Buch "Gotteserlebnisse im Schnellverfahren" zu folgender Beurteilung:
"Das Ruhen im Geist schließt die Gefahr mehrfacher Täuschung in sich. Man glaubt sich Gott hinzugeben, während man sich einem Menschen ausliefert. Man entfesselt Gefühle für Gott, die aber im Menschlichen stehenbleiben. Man meint, Gott zu erfahren, während man sich in einer seelischen Regression an eigener Lust freut. Man glaubt, vom Heiligen Geist umgeworfen zu sein, während man sich massenpsychologischen Mechanismen unterzogen hat. Man glaubt, sich in die sichere Hand Gottes fallen zu lassen, während man Gefahr läuft, sich in den intimsten und empfindsamsten Regungen seines Herzens menschlich mißbrauchen zu lassen." (6)
Was lehrt die Bibel?
Die wenigen biblischen Beispiele von Menschen, die auf den Rücken fallen, machen deutlich, daß es sich um ein Zeichen des Gerichtes über diese Personen handelt.
Der Hohepriester Eli, dessen Gericht schon in 1. Sam. 2 angekündigt wurde, starb, indem er rückwärts von seinem Stuhl fiel und sich das Genick brach (1. Sam. 4,18).
In Jes. 28 wurde das Gericht über die Propheten und Priester Ephraims angekündigt, die in einem unnüchternen Zustand ("sie wanken beim Gericht, schwanken beim Rechtsprechen") ihren Dienst taten. Ihnen wurde prophezeit, daß sie rücklings fallen und zerschmettert und verstrickt und gefangen würden (Jes. 28,13).
Auch die Schar derer, die Jesus gefangen nehmen wollten, "wichen zurück und fielen zu Boden" (Joh. 18,6), nachdem der Sohn Gottes "Ich bins" gesagt hatte. Auch hier wird deutlich, wie Gott ihnen auf diese Weise ihre Hilflosigkeit und Ohnmacht deutlich macht.
Menschen, die von der Größe und Heiligkeit Gottes ergriffen anbetend vor Ihm niederfallen, fallen ausnahmslos auf ihr Angesicht und nicht auf den Rücken. Sie wenden ihr Angesicht von der Herrlichkeit Gottes ab, sie "bedecken" sich gleichsam in der Gegenwart Gottes:
Abram "Da fiel Abram auf sein Angesicht, und redete mit ihm ..." (1. Mose 17,3).
Mose "Da verbarg Mose sein Angesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen" (2. Mose 3,6).
Das Volk Israel "... Und das ganze Volk sah es, und sie jauchzten und fielen auf ihr Angesicht" (3. Mose 9,24).
Bileam "... Und er neigte sich und warf sich nieder auf sein Angesicht" (4. Mose 22,31).
Elia "Und es geschah, als Elia es hörte, da verhüllte er sein Angesicht mit seinem Mantel, und er ging hinaus ..." (1. Kön. 19,13)
Hesekiel "Und als ich es sah, fiel ich nieder auf mein Angesicht" (Hes. 1,28).
Daniel "Und als er mit mir redete, sank ich betäubt auf mein Angesicht zur Erde" (Dan. 8,18).
Der geheilte Aussätzige "Und er fiel auf sein Angesicht zu seinen Füßen und dankte ihm" (Luk. 17,16).
Die Engel, Ältesten und vier "lebendigen Wesen" "... Und sie fielen vor dem Thron auf ihre Angesichter und beteten Gott an..." (Offb. 7,11).
Auch von dem Ungläubigen, der in eine Zusammenkunft der Christen kommt und dort von dem Geist Gottes überführt wird, heißt es: "... Und also, auf sein Angesicht fallend, wird er Gott anbeten und verkündigen, daß Gott wirklich unter euch ist" (1. Kor. 14,25).
Diese kleine Auswahl von Bibelstellen zeigt, daß Menschen in der Gegenwart Gottes auf ihr Angesicht fallen und nicht, wie in vielen charismatischen Versammlungen, auf den Rücken, wo sie manchmal in einer derart unanständigen Weise liegen, daß Schwestern beauftragt werden müssen, die Röcke der "Unigefallenen" zurechtzuziehen.
A. Seibel hat in seinem Artikel "Wie ist das Fallen auf den Rücken biblisch einzuordnen?" auf einen Aspekt hingewiesen, den man in diesem Zusammenhang überdenken sollte:
"Der Teufel als der 'Affe Gottes' wirkt oft genug das Gegenteil des Heiligen Geistes. So ist es bekannt, daß in Satanszirkeln als lebendige Altäre die Menschen (gewöhnlich Frauen) auf dem Rücken liegen. Es bedeutet dies. Aufdecken der Blöße vor Gott. Deswegen durfte im AT der Altar nicht auf Stufen errichtet werden: 'Du sollst nicht auf Stufen zu meinem Altar hinaufsteigen, daß nicht deine Blöße aufgedeckt werde vor ihm' (2. Mose 20,26). Der Mensch, der sich vor Gott aufs Angesicht wirft, bedeckt seine Blöße. Wer aber auf dem Rücken liegt, deckt sie auf. Es ist der Geist des Widersachers, der den Menschen entblößt (Offb. 16,15), nie und nimmer aber ist so etwas das Wirken des Heiligen Geistes." (7)
Schlußfolgerungen
1) Das "Ruhen im Geist" kann mit der Bibel nicht belegt werden. Im Gegenteil - die wenigen Beispiele in der Bibel sind alle negativ, d.h. Zeichen des Gerichtes Gottes.
2)Wenn dieses Phänomen nicht vom Geist Gottes bewirkt ist, dann bleiben folgende Möglichkeiten offen: - es ist ein Ergebnis der Suggestion, Manipulation oder Gruppendynamik, - es wird bewußt "gemacht", ist also eine Sache der Show und damit der Unredlichkeit, - es sind okkulte Kräfte am Werk und bemächtigen sich der Menschen, die sich durch Passivität dem Einfluß dämonischer Mächte öffnen.
Sicher sollte man vorsichtig im Urteil sein und nicht sofort von Besessenheit reden, wenn Menschen "umgefallen" sind. Aber andererseits sollte man auch bedenken, daß Satan letztlich auch die Gesetze der Suggestion und Gruppendynamik zu seinem Vorteil nutzt.
Bekanntlich wurde die erste große Erweckungsbewegung in Deutschland ausgelöst durch Speners Schrift: "Pia desideria". Diese Schrift beginnt mit dem Zitat aus Jes. 9,1:
"0, daß mein Haupt Wasser wäre und mein Auge ein Tränenquell, so wollte ich Tag und Nacht beweinen die Erschlagenen der Tochter meines Volkes!"
Heute werden die "Erschlagenen" nicht beweint, sondern als Beweis der Wirksamkeit des Heiligen Geistes gewertet. Damit wird deutlich, wie weit wir von einer biblischen Erweckung entfernt sind.
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