Ein unerwarteter Augenöffner
Bei einer unserer Beerdigungen stand ich während der Abschiedszeremonie neben der Bestatterin. Sie hatte die Ansprachen und die Lieder der Gesangsgruppe gehört. Nun schaute sie auf die Leute, die einer nach dem anderen an das offene Grab kamen, um sich zu verabschieden. „Eure Beerdigungen sind so schön!“, sagte sie mir plötzlich. Etwas verdutzt fragte ich zurück: „Sind das die anderen nicht?“ — „Nein“, sagte sie, „entweder es ist eine ziemlich unpersönliche Zeremonie oder wir sind ganz wenige – manchmal nur zu dritt – der Tote, der Friedhofswärter und ich!“
Diese kurze Unterhaltung war wirklich ein Augenöffner für mich und so sprachen wir bei nächster Gelegenheit in der Gemeinde darüber. Am Ende der Beratung beschlossen wir, einen „Beerdigungs-Dienst“ anzubieten. Schließlich verschickten wir Briefe an alle Bestatter in der Umgebung mit dem Angebot, die geistliche Begleitung bei den Beerdigungen zu übernehmen. Da wir Brüder und Schwestern mit verschiedenen Sprachkenntnissen haben, konnten wir den Dienst neben Deutsch auch in Russisch, Englisch, Französisch und Suaheli anbieten – zudem umsonst!
Der „Beerdingungs-Dienst“
Es gibt inzwischen viele Menschen, die keine Anbindung an eine Gemeinde haben oder auch ausdrücklich keine Bestattung durch ihre Kirche wünschen. Eine würdige Bestattung wollen die meisten aber doch haben. Seitdem bekommen wir immer wieder Anfragen von den Bestattern, ob wir nicht eine Beerdigung „übernehmen“ können. Das tun wir gerne und bieten den Hinterbliebenen auch an, das „Totenmahl“ bzw. die „Nachfeier“ mit Kaffee und Kuchen in unseren Gemeinderäumen zu halten.
Manchmal gibt es peinliche Situationen …
Im Lauf der Zeit durften wir erfahren, dass der Herr uns auch Zugang zu sehr „sonderbaren“ Menschen geschenkt hat und Gelegenheiten zu besonderen Zeugnissen gibt. So ist einmal bei einer russischen Beerdigung der Spaten in das offene Grab gefallen. Alle standen etwas ratlos umher. (Bei den Russen gibt es einen Aberglauben der besagt, dass derjenige, der „zum Toten herabsteigt“ – warum auch immer – als nächster „dran ist“.) Ich gab die Bibel aus der Hand und stieg in das Grab hinab, um den Spaten zu holen. Zwei Männer mussten mir wieder heraushelfen. Bei einem anderen Fall kniete ich mit dem jungen Witwer am offenen Grab, während alle anderen – wie in der Sparkasse – auf Distanz standen. Fragen und Gespräche folgten. Durch diesen Dienst sind wir mit vielen Menschen in einen engen und persönlichen Kontakt gekommen. Bei den Trauer-Versammlungen teilen wir Liederhefte mit evangelistischem Inhalt aus, welche die Trauergäste auch mitnehmen können. Außerdem gibt es einen Tisch mit evangelistischer Literatur und CDs. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel genommen wird. Wir sind umgeben von Menschen mit vielen Nöten und es wäre gut, wenn wir als Gemeinde lernen würden, mehr auf diese Menschen einzugehen, uns ihrer Probleme anzunehmen und ihnen auch ganz praktisch die Liebe Gottes zu zeigen.
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