Zeitschrift-Artikel: Begegnungen im Land des "Roten Drachen"

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Titel: Begegnungen im Land des "Roten Drachen"
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

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Titel

Begegnungen im Land des "Roten Drachen"

Vortext

Text

In der ersten Mai-Hälfte dieses Jahres durften Siegfried Haase und ich wieder einmal dieses große Land besuchen, das in politischer und wirtschaftlicher Beziehung weltweit immer mehr in den Mittelpunkt des aktuellen Interesses rückt.
Peking • Wenzhou • Nanjing • Shanghai • Guangzhou – diese geschichtsträchtigen Metropolen und Millionenstädte waren diesmal die Stationen unserer Reise.

Beruhigende Informationen vorab:
Was die zunehmenden Repressalien und Menschenrechts- Verletzungen gegenüber Christen in „Untergrund-Gemeinden“ betrifft, von denen in letzter Zeit die Rede war, wurden sie nicht bestätigt. Natürlich gibt es hier und da Auflösungen von „illegalen“ Gemeinden und auch Verhaftungen von Gemeindeleitern – wie letztens in Peking – aber das hat es in den letzten 15
Jahren immer wieder gegeben. Und wenn man sich ein wenig genauer erkundigt, dann stellt man fest, dass nicht unbedingt immer der Staat, sondern leider sehr oft die sog. „Drei-Selbst- Kirche“ (also die vom Staat genehmigte, meist liberale und verweltlichte „Kirche“) Verursacher dieser Probleme und Sanktionen ist.
Jedenfalls haben uns bei allen Begegnungen Verantwortungsträger aus allen Regionen bestätigt, dass die Freiheit im Land langsam, aber stetig größer wird und mit wenigen Ausnahmen nicht mehr von „Verfolgung“ gesprochen werden kann.
Die „illegalen“ Gemeinden und Initiativen werden natürlich vom Staat beobachtet, im Allgemeinen aber geduldet und so konnten auch wir in allen Städten Versammlungen besuchen, das Wort Gottes verkündigen und auch kleinere Seminare durchführen, ohne irgendwie Schwierigkeiten zu bekommen oder auszulösen.
Die Christen wissen, dass sie beobachtet werden und bewegen sich vorsichtig, aber nicht ängstlich. Sie versuchen gute Arbeiter und loyale Bürger zu sein, welche die Autorität der Obrigkeit anerkennen, solange sie ihre Verpflichtungen Gott gegenüber nicht einschränken müssen.
Der Kommunismus ist nur noch in Parteibüchern zu finden und bei gelegentlichen Demonstrationen – aber keiner glaubt mehr daran und alle wissen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich auch die Regierung offiziell von dieser Ideologie verabschiedet.

Ein nicht mehr mögliches und nicht mehr nötiges Treffen …
Gerne hätten wir – wie in den letzten Jahren – unseren alten chinesischen Bruder Siegfried Koll („Sheng-Ahn“) in Peking besucht. Aber dieser „Vagabund“ – wie er in jungen Jahren scherzhaft von seiner Adoptivmutter genannt wurde – hat nun in der himmlischen Herrlichkeit seine Heimat
gefunden. Am 20.11.2010 durfte er im Alter von 86 Jahren nach einem kurzen Krankenlager und bei vollem Bewusstsein und klarem Verstand seine Augen schließen, um beim Herrn zu sein.
Noch vor etwa zwei Jahren hatten wir ihm aus Deutschland ein Modell der Stiftshütte mitbringen
können, mit dem er gerne – besonders in den vielen kleinen Hausgemeinden der „Inneren Mongolei“ – den Heilsplan Gottes verkündet hat.
Unter Mao Tse Tung hatte er über 20 Jahre um seines Glaubens Willen in Straflagern zubringen müssen. Aber nach seiner Entlassung konnte er über drei Jahrzehnte in den vielen kleinen Dörfern Nordchinas das Evangelium verkündigen und die vielen Hausgemeinden geistlich begleiten.
Für uns war es immer ein Erlebnis, mit diesem bescheidenen, demütigen und dankbarfröhlichen
Bruder Gemeinschaft zu haben, der zudem fließend Deutsch sprach – mit Wuppertaler Akzent!
Wir hoffen, seine bewegende Lebensgeschichte möglichst bald veröffentlichen zu können.

Die „Elia-Schule“
In der ehemaligen chinesischen Haupt- und Königsstadt Nanjing konnten wir erstmals eine christliche Schule besuchen, die ihren Namen wahrscheinlich daher hat, dass sie – ähnlich wie
Elia am Bach Krith – verborgen existiert und von der Fürsorge Gottes lebt.
Zur Zeit werden dort 23 Kinder von drei Schwestern in einem Kindergarten betreut und 13 Schüler und Schülerinnen bekommen einen intensiven, an der Bibel und an christlicher Ethik orientierten Grundschul-Unterricht, der von sechs Lehrern gestaltet wird. Alle Lehrer und Lehrerinnen sind überzeugte Christen, die im Vertrauen auf Gottes Versorgung arbeiten.
Die Kinder und Schüler werden auch mit Frühstück und Mittagessen versorgt – das Schulgeld beträgt umgerechnet etwa 50 Euro pro Monat für Eltern, die das zahlen können.
Derzeit kommt die Schule in einem gemieteten Haus zusammen, das sich in einem Wohnviertel
befindet. Zweimal mussten sie bereits umziehen, weil sie angezeigt und dann gekündigt wurden. Aber bisher hat der Herr immer ein neues Domizil geschenkt.
Die fröhliche und freundliche Atmosphäre in dieser Schule hat uns tief beeindruckt und wir hoffen, dass in dieser Umgebung viele junge Menschen für den Herrn gewonnen und für seinen Dienst vorbereitet werden.<


Das „Evangeliums-Dorf“
Ein kleines Dorf am Rand Nanjings hat diesen Namen tatsächlich dadurch, dass hier in der Vergangenheit Christen gewohnt haben, die offensichtlich deutliche Spuren hinterließen.
An diesem Ort existiert ein sehr schönes Hotel bzw. Gästehaus, das auch als Konferenz- und
Tagungsstädte für viele Teilnehmer geeignet ist. Als wir dieses Haus betraten, ahnten wir nicht, welch eine Tür Gott uns gnädiger Weise aufgetan hatte: Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt tagten hier etwa 90 Leiter und Verantwortliche von „Untergrund-Gemeinden“, die aus 15 Provinzen Chinas für einige Tage zum Austausch und zur gegenseitigen Auferbauung zusammen gekommen waren. Welch eine Ermutigung, die Zeugnisse dieser Brüder hören und ihnen anschließend das Wort Gottes auslegen zu dürfen, wobei uns ein seit vielen Jahren gut bekannter chinesischer Bruder, der perfekt Deutsch kann, ausgezeichnet übersetzte.
Wir haben über die freundliche Führung Gottes gestaunt, die es möglich machte, eine Menge neuer und dankbarer Kontaktpersonen für die Verbreitung christlicher Literatur zu bekommen.

Das „Licht der Gnade“ leuchtet fröhlich …
Von „Feng en Guang“ („Licht der Gnade“) haben wir in „Fest&treu“ 3/2010 ausführlich berichtet.
Diesen schlichten Bruder trafen wir in Wenzhou, um ihm einige finanzielle Gaben für seinen Dienst unter den Aidskranken in den armen Provinzen Chinas weiterzugeben.
Wenn man sich bewusst macht, dass dieser Bruder in seiner Kindheit nur sechs Monate Schulbildung bekommen und bis heute kein anderes Buch als nur die Bibel gelesen hat, dann staunt man über die Gnade Gottes im Leben dieses Mannes. Er lässt sein „Licht“ wirklich an dunklen und trostlosen Orten „leuchten“. Viele Aidskranke sind durch seinen Dienst zum Glauben gekommen und auch getauft worden.
Ausgerechnet diesem scheinbar ungebildeten Mann hat Gott ein Netzwerk von Gemeinden anvertraut, das er mit guter geistlicher Verkündigung und weiterführender Literatur versorgt!
Ihm dabei ein wenig zu helfen, ist für uns immer ein großes Geschenk.

Auch im Alter „saftvoll und grün“ …
Eine weitere Station war für uns Guangzhou (früher „Kanton“), wo wir auf die Begegnung mit Samuel Lamb gespannt waren, den wir 2008 zum letzten Mal getroffen hatten. Damals hatten wir den Eindruck, dass dieser leiderprobte, aber immer freudige Leiter der wohl größten Untergund-Kirche Chinas mit etwa 4.000 Gliedern am Ende seines Lebens und Dienstes stand. Umso überraschter waren wir, als wir ihn gesund und munter in seinem Arbeitszimmer treffen und sprechen konnten.
Körperlich schien er wesentlich kräftiger und stärker zu sein als vor Jahren. Allerdings scheinen seine geistigen Kräfte etwas abzunehmen. So predigt er mit seinen 87 Jahren „nur“ noch alle zwei Wochen, sieht aber seine Aufgabe jetzt darin, jüngere Brüder im Dienst anzuleiten und zu begleiten.
Samuel Lamb ist durch seine bewegende Lebensgeschichte und seine vielen Schriften und Lieder unter allen Christen in China gut bekannt. Manche seiner Broschüren sind auch in die englische
Sprache übersetzt worden, darunter auch seine Warnschrift in Bezug auf „Bruder Yun“, den „Heavenly Man“, den Samuel Lamb und viele weitere chinesische Brüder für einen Betrüger halten. Das Buch „Der Himmelsbürger“ (Brunnen-Verlag) wird auch in deutscher Sprache verbreitet und teilweise mit Begeisterung gelesen.
Ausgerechnet in den Wochen, in denen wir in China waren, hatte in Deutschland der Sohn von „Bruder Yun“ behauptet, Samuel Lamb hätte in Taiwan öffentlich seine Kritik zurückgenommen und bekannt, dass alle Erlebnisse des „Himmelsbürgers“ auf Wahrheit beruhen.
Nun hatten wir also Gelegenheit, Samuel Lamb an Ort und Stelle auf den Wahrheitsgehalt dieser
Meldung zu befragen. Das Ergebnis war – wie erwartet – eindeutig: Samuel Lamb war noch nie in
Taiwan und hat kein einziges Wort seiner Kritik an „Bruder Yun“ zurückgenommen!
Erfreulich war bei diesem Besuch die Mitteilung Samuel Lambs und seiner Mitarbeiter, dass es in den letzten Jahren in dieser großen Gemeinde keinerlei Probleme mehr mit den örtlichen Behörden oder der Polizei gegeben hat.

Eine Stafette wird weitergegeben!
Wie weise unser Herr entstandene Lücken füllt, wurde uns ebenfalls in Guangzhou deutlich:
Anfangs haben wir ja vom Heimgang unseres Bruders Siegfried Koll berichtet, der im Norden Chinas, besonders in der „Inneren Mongolei“, viel evangelisiert und gepredigt hat. Hier in Guangzhou trafen wir uns mit Bruder Thomas, dem der Herr in den letzten Monaten offene Türen bei den vielen Hauskirchen in der „Inneren Mongolei“ geschenkt hat. Thomas kennen wir schon viele Jahre als guten Übersetzer und als einen Bruder, der sowohl die Bibel als auch englische Literatur gut kennt und ein begabter Lehrer ist.
Thomas hatte Siegfried vor Monaten gefragt, ob er ihm auch eine zerlegbare „Mini-Stiftshütte“ für seine Vorträge besorgen könnte. Tatsächlich konnte Siegfried ein letztes Exemplar dieser Ausgabe in Deutschland auftreiben, mit auf die Reise nach China nehmen und Thomas übergeben, der sie nun mit großer Freude und Dankbarkeit mit auf seine Reisen nehmen will.
Beten wir weiter für diese Brüder und die vielen Möglichkeiten in diesem großen Land, das Evangelium und den Heilsplan Gottes in Wort und Tat weiterzusagen.

Nachtext

Quellenangaben