Zeitschrift-Artikel: Gefährliche Risiken und Nebenwirkungen (Krankenheilungen in der Charismatischen Bewegung)

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Titel: Gefährliche Risiken und Nebenwirkungen (Krankenheilungen in der Charismatischen Bewegung)
Typ: Artikel
Autor: Gerrit Alberts
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Titel

Gefährliche Risiken und Nebenwirkungen (Krankenheilungen in der Charismatischen Bewegung)

Vortext

Text

1. Hintergründe eines Buches

Dieser Beitrag ist keine Rezension im engeren Sinn. Er soll in erster Linie einige Entwicklungen beleuchten, die zu dieser Veröffentlichung geführt haben. Das Buch von Fijnvandraat und Seibel ist eine ausführliche Kritik des Werkes von W.J. Ouweneel: „Geneest de zieken!“, Uitgeverij Medema, 2003 (Heilt die Kranken!, Asaph-Verlag, 2005). Es ist hilfreich, um zu einer ausgewogenen Beurteilung der gegenwärtig sich rasch ausbreitenden „Heilungs“-Welle durch die charismatische Bewegung zu finden. Nachdem der CLV-Verlag in früheren Jahren mehrere Bücher von Ouweneel publizierte, erscheint jetzt ein kritisches Buch über ihn. Wie ist das zu verstehen? Ouweneel schreibt in „Heilt die Kranken“, dass er vor allem unter dem Einfluss des nigerianischen „Propheten“ und „Wunderheilers“ T.B. Joshua seine Haltung zu Wunderheilungen grundlegend revidiert hat. Das Buch wurde auch an dem Wohnort T.B. Joshuas in Nigeria und damit nach Ouweneel „unter dem besonderen Segen, der auf diesem Ort ruht“1 geschrieben. Um anzudeuten, wie umstritten und mysteriös dieser „Prophet“ ist, möchte ich einige Details über ihn anführen. Anlässlich seines 38. Geburtstags im Jahr 2001 veröffentlichte die Zeitschrift seiner Kirche „The Synagogue Voice“ (TSV) eine Beschreibung unter dem Titel „T.B. Joshua at 38 Expose“ (Darstellung von T.B. Joshua mit 38) (Vol. 1, No.1, Seiten 1,3-5). „Wie die großen Propheten alter Zeit war seine Geburt ein Mysterium und durch himmlische Zeichen und Prophezeiungen angekündigt.“ Dieses sagte vor einem Jahrhundert sein heidnischer Großvater, ein wahrsagender Jäger und Bauer, voraus: „Dieser kommende junge Mann würde sehr mächtig und berühmt werden und eine große Anhängerschar haben. Zur bestimmten Zeit würde er die Vereinigung aller Rassen und der Menschheit bewerkstelligen, egal welcher Hautfarbe oder welchem Glauben sie angehören.“ Die „TSV“ berichtet: „Im Mutterleib habe er total bewegungslos und in Frieden verharrt, die Schwangerschaft habe 15 Monate gedauert“. Er sagt selbst an anderer Stelle gegenüber Reportern, „dass er den Geist und die Kraft vom Tage seiner Geburt an gehabt“2 habe. In einer Predigt „I have no power of my own“ (Ich habe keine Kraft aus mir selbst) behauptet er: „Wenn du die Taufe mit dem Heiligen Geist empfängst, wird alles, was du für Christus sagst oder tust, korrekt und richtig sein.“3 In einer anderen Predigt („We have the mind of Christ“ – Wir haben die Gesinnung des Christus) äußert er: „Ich war mit dem Heiligen Geist getauft, bevor ich Christ wurde.“4 Er segnet Wassertanks und erklärt, dass Wasser würde sich in „das Blut Jesu“ verwandeln, wonach Menschen herbeiströmen, um von „dem Blut Jesu“ zu trinken und darin zu baden.5 In einem Interview wurde er gefragt, warum er Vegetarier sei. Seine Antwort: „ … In einer Woche befreie ich um die Tausend besessene Kinder (Ogbanjes6), Hexen und Zauberer. Sie sind keine normalen menschlichen Wesen. Einige sind halb Mensch, halb Fisch. Wenn du Fisch isst, kannst du sie nicht befreien.“7 Diese und viele andere Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit der Person und dem Wirken von T. B. Joshua lassen Zweifel aufkommen, ob sein Einfluss wirklich ein Segen ist.

2. Vom Kritiker zum Verfechter der „charismatischen“ Bewegung

Wenn man die früheren Schriften und Vorträge Ouweneels kennt, reibt man sich beim Lesen von „Heilt die Kranken!“ verwundert die Augen. In seinem 1978 erschienenen Buch „Het Domein van de slang“ („Der Herrschaftsbereich der Schlange“) äußerte er sich folgendermaßen: „Also, was die Lehre betrifft, haben wir gesehen, dass die Zeit besonderer Zeichen vorbei ist, ja, dass wir in der Endzeit besondere Zeichen von Satan zu erwarten haben, die so listig getarnt und vorgetragen werden, dass, wenn möglich, selbst viele Gläubige dadurch verführt werden. Das macht uns im Voraus schon äußerst argwöhnisch gegen das Auftreten von Gebetsheilern im christlichen Bereich, namentlich in massenhaften Gebetszusammenkünften.“8 Wer hätte damals gedacht, dass ebendieser Autor im Jahre 2008 (und auch vorher schon) in öffentlichen Versammlungen unter dem Thema „Ziekensalving“ („Krankensalbung“) und „Hersteldienst en Genezingszamenkomst“ („Heilungs- und Genesungszusammenkunft“) als Wunderheiler oder – in Anlehnung an den niederländischen Ausdruck – als Heilungsdiener auftreten würde9 unter besonderer Wertschätzung des Massengebets?10 Bereits in seinem Buch „Godsverlichting“ (Gotteserleuchtung, 1994) unterschied er zwischen „extremen und gemäßigten Pfingst- und Evangeliumsgemeinden“ und betonte diesen Unterschied stark („Ich lege großen Nachdruck auf das Wort ‚extrem‘.“11) Er schrieb positiv über die „lebendige, frische, kräftige, zeitgemäße Predigt“12 und über die „zeitgemäße Form von Gesang und Musik“ und eine „völlig unkonventionelle Form des Gottesdienstes“. Dann fügte er noch hinzu, dass es zwischen extremen und gemäßigten Pfingstgemeinden fließende Übergänge gibt, „sodass es oft schwierig ist, hier gut zu unterscheiden“. Damals war die Unterscheidung zwischen beiden Varianten noch von großer Bedeutung. In „Heilt die Kranken!“ beschreibt er dann seine Wandlung vom Kritiker zu einem Befürworter und Akteur der charismatischen Heilungs- und Befreiungsbewegung. Dabei werden selbst höchst zwielichtige Personen aus dieser Bewegung von ihm in den höchsten Tönen gelobt. Um zwei Beispiele zu nennen: Die sehr umstrittene „Heilungs-Evangelistin“ Kathryn Kuhlmann wird zu einer der „größten Heilungsdienerinnen des 20. Jahrhunderts“ ernannt.13 Der Irrlehrer William Branham steht ebenfalls in dieser „Galerie“ der Heilungsdiener und bezeichnet sich in einem von Ouweneel zustimmend angeführten Zitat als „Mann Gottes“ (S. 171). 1985 schrieb Ouweneel noch folgendes: „Der bekannte Prediger der Pfingstbewegung, William Branham, war von vielen solchen okkulten Phänomenen gekennzeichnet. Man hat ihn fotografiert, als er während einer Predigt einen Strahlenkranz um den Kopf hatte. Solche ‚Heiligenscheine’ sind uns bereits von katholischen Heiligen bekannt. Er selbst hielt diesen ‚Heiligenschein’ für ein wunderbares Zeichen seiner göttlichen Berufung. In Wirklichkeit ist er eine okkulte Erscheinung, die wir aus anderen okkulten Strömungen kennen, und wir brauchen uns über ihr Auftreten bei Menschen wie Branham nicht zu wundern.“14 Alexander Seibel beleuchtet im ersten Teil des Buches die vielen Wunderheiler, die aus Ouweneels Sicht einen biblischen „Heilungsdienst“ ausüben, etwas genauer. Was er bei manchen angeblich besonders „gesalbten“ Männern und Frauen an unbiblischen Lehren, respektlosen Äußerungen über den Herrn Jesus und Ungereimtheiten in ihrem Lebenswandel beschreibt, ist erschreckend. Nun muss es nicht negativ sein, wenn jemand sich selbst und seine Überzeugungen infrage stellt und seine Meinung gegebenenfalls ändert. Zumindest sollte man jedoch – vor allem in diesem heiklen und umstrittenen Bereich – gute Argumente aus der Heiligen Schrift haben. Hat Ouweneel diese wirklich? Um diese Frage geht es im zweiten Teil des Buches. Jaap Fijnvandraat, der selber viele Jahre mit Ouweneel zusammenarbeitete, geht die einzelnen Kapitel durch und prüft die theologischen Begründungen anhand der Heiligen Schrift. Er verweist auf den wichtigen Unterschied zwischen göttlichen Heilungen aufgrund von Gebet einerseits und der Gabe der Heilungen andererseits. Diese Unterscheidung macht Ouweneel nicht. Unbestritten ist, dass Gott in seinem Erbarmen immer wieder auf Gebete hört und wunderbare Heilungen schenkt. Die Frage ist jedoch, ob und unter welchen Umständen er heute noch Gnadengaben der Heilungen gibt. Fijnvandraat schließt das Vorhandensein der zeichenhaften Gaben in unserer Zeit nicht grundsätzlich aus, neigt jedoch zu der Auffassung, dass in der Heiligen Schrift zeichenhafte Gaben in Missionssituationen, also da, wo das Evangelium bis dahin nicht bekannt war, von Gott zur Bestätigung des Evangeliums gegeben werden.

3. Der Einfluss von C. G. Jung

Die Thematik der Zeichen und Wunder ist nicht der einzige Bereich geblieben, in dem Ouweneel eine Kehrtwendung vollzogen hat. Andere sind vielleicht in noch viel offensichtlicherer Weise besorgniserregend. Seine Entwicklung in Bezug auf Zeichen und Wunder scheint in diese allgemeine Entwicklung eingebettet zu sein und damit in Wechselwirkung zu stehen. Allgemein scheint bei dem Autor eine gewisse Hinwendung zum Mystizismus, zu Träumen und zum intuitiven Erfassen stattgefunden zu haben. Ich kann hier nur zwei Beispiele andeuten und ansonsten auf die entsprechende Literatur verweisen.15 Am deutlichsten lässt sich dies vielleicht an seiner veränderten Sicht von C.G. Jung veranschaulichen. Noch 1978 schrieb er: „Waren Darwin und Freud wahrscheinlich okkult belastet, Jung war ein Okkultist – das geht wesentlich weiter“16 und warnte überaus deutlich vor dem Einfluss Jungs, der seiner Ansicht „im Bann eines Dämons“ war und „von einer höheren Macht getrieben wurde“. Nachdem er bereits in „Nachtboek van de Ziel“ (Nachtbuch der Seele) einige Anleihen bei Jung machte, ist seine Sicht in dem Buch „De negende koning“ („Der kommende König“) merkwürdig verändert. In dem Kapitel über „Mythologie und Tiefenpsychologie“ scheint es so, dass Ouweneel eine Menge von C.G. Jung übernommen hat, ja, er schreibt sogar von einer „wichtigen Inspiration“, die er in Jungs Denken entdeckt zu haben glaubte, und fügte hinzu, dass „man wohl noch mehr durch Jung lernen kann, wenn man seine synkretistischen Gedanken nur konsequent in einem christlichen Denkrahmen interpretiert“.17 Werden hier bereits die Folgen einer verhängnisvollen Weichenstellung erkennbar?

4. Eine veränderte Sicht der Inspiration

Noch bedenklicher finde ich seine veränderte Sicht der Inspiration der Heiligen Schrift. Bis zur Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts war Ouweneel ein feuriger Verfechter der Unfehlbarkeit der Heiligen Schrift. „Die historische und wissenschaftliche Glaubwürdigkeit der Bibel: Wir haben oben kurz über vermeintliche Fehler und Widersprüche in der Bibel gesprochen und darauf hingewiesen, dass die meisten ganz einfach zu erklären sind … Die Bibel spricht über die Natur, über Pflanzen (obwohl in überwissenschaftlicher Sprache) den Tatsachen entsprechend … Die Bibel unterscheidet sich von allen religiösen Büchern der Welt dadurch, dass sie das unfehlbare, autoritative und inspirierte Wort Gottes ist!“ (So entstand die Bibel, S. 138f).18 Damit wird die Heilige Schrift aufgrund der göttlichen Inspiration als fehlerlos erklärt. Ab 1987 veränderte sich die Sicht Ouweneels. Er schloss die Möglichkeit von Fehlern in der Urschrift der Bibel nicht mehr aus. Diese möglichen Fehler würden sich allerdings nur auf das innerzeitliche Wort beziehen, während das ewige Wort, das über alle Sprachen und Ausdrucksmittel hinausgeht, vertrauenswürdig sei. Hier findet eine merkwürdige Aufspaltung statt, indem der rationale, wissenschaftlich nachprüfbare Gehalt der Bibel von dem glaubensmäßig erfassbaren, über-rationalen Inhalt unterschieden wird. In der Formulierung Ouweneels hört sich das so an: „Wir wollen ein Beispiel aus dem Bereich nehmen, wo gerade das Herz der Theologie zur Diskussion steht, die Frage nach der ‚Fehlerlosigkeit‘ der Schrift. Es ist für den christlichen Glauben überdeutlich, dass die Schrift für sich selbst in Anspruch nimmt, das vollkommene, autoritative Wort Gottes zu sein, das gerade, weil es durch Gott inspiriert ist, keine Fehler aufweisen kann. Der Gläubige, der sich ganz und gar der Schrift unterwerfen will, weil sie Gottes Wort ist, wird dann auch gläubig festhalten an der Fehlerlosigkeit der Schrift. Aber die theologische, wissenschaftliche Lehre bezüglich der Fehlerlosigkeit steht nicht auf einer Linie mit dem gläubigen Bekennen der Fehlerlosigkeit der Schrift. In der Lehre probiert der Theologe auf wissenschaftlich zu verantwortende Weise, sich Rechenschaft davon zu geben, was wir nun eigentlich wohl und nicht meinen, wenn wir die Fehlerlosigkeit der Schrift bekennen. Dieses Glaubensbekenntnis ist eine Sache der Glaubensfunktion des wiedergeborenen Herzens des Menschen, dass – wiewohl der Glaube menschlich-gebrechlich ist – gefangen ist in dem glücklichen Griff des niemals fehlenden Wortes Gottes. Aber die wissenschaftliche Analyse dieser Fehlerlosigkeit, mit dem Ziel u.a. diese Glaubensauffassung in die Form eines wissenschaftlich-theologischen Dogmas zu gießen, ist eine Sache des menschlichen Verstandes, und das ist ‚nur‘ eine von den anderen fehlbaren Funktionen, die vom menschlichen Herzen ausgehen.“19 Was sich zunächst wie eine komplizierte, rein theoretische Unterscheidung anhört, scheint verheerende Folgen für die Sicht Ouweneels hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit der Heiligen Schrift zu haben. Die Zeitschrift Reformatorisch Dagblad vom 06.12.01 berichtet über die Veranstaltung Bibeltreue in der Diskussion. Prof. Ouweneel und Dr. Siebesma debattieren über Veränderungen im Schriftverständnis in evangelikalen Kreisen. „Frage: ‚Prof. Ouweneel, Sie sagen in der Zeitschrift Bijbel en Wetenschap: Ist die Annahme eines buchstäblichen historischen Adams wirklich so wichtig wie der Glaube an einen buchstäblichen historischen Christus? Diese Frage erweckt den Eindruck, als ob es nicht darauf ankommt.’ Antwort von Ouweneel: ‚Es kommt schon darauf an, aber Sie müssen nicht ängstlich so tun, als ob beide Personen auf einer Ebene stehen. Wir glauben nicht an Adam, sondern an Christus.‘ Siebersma: ‚Darin stimme ich Ihnen nicht zu. Wenn Sie nicht an den ersten Adam als historische Person glauben, der gefallen ist und durch den die Sünde in die Welt gekommen ist, hat es keinen Sinn, an Christus als den zweiten Adam zu glauben. Darüber hinaus, welches Kriterium haben Sie dann, um Fragen im Zusammenhang mit Adam zu stellen, aber nicht im Zusammenhang mit Christus? … Jesus selbst hat über einen echten Jona und Adam gesprochen. Warum sollen wir nicht vorbehaltlos daran glauben.’ Ouweneel: ‚Ich muss nichts von dem Aufklärungsdenken haben, aber das ändert nichts daran, dass wir diese Dinge ehrlich beurteilen müssen. Lassen Sie mich noch ein Beispiel anführen: Sind von einem bibeltreuen Standpunkt aus keine Fragen über die großen Unterschiede zwischen den ersten 40 Kapiteln und den letzten 26 von Jesaja zu stellen? Ist es nicht befremdend, dass ein Prophet eine Generation anspricht, die einige Jahrhunderte nach ihm bestehen wird, als ob er bei ihr ist? Wir sollten nicht jemand als nicht rechtgläubig abschreiben, wenn er über einen möglichen Deutero-Jesaja (zweiten Jesaja) spricht.‘ Siebersma: ‚Für mich ist klar, dass das Buch Jesaja eine Einheit ist und von einem Propheten geschrieben wurde.‘“20 Die Zeitung Nederlands Dagblad berichtete am 22.04.06 unter dem Titel ‚Es geht um das Verhältnis von Schöpfung und Evolution‘ von einer Debatte zwischen den Professoren Ouweneel und Dekker. „Beiden zufolge sind Schöpfung und Evolution keine Gegensätze. Uneingeschränkt bleibt die Tatsache, dass Gott der Schöpfer der ganzen geistlichen und materiellen Welt und der Mensch nach seinem Bild geschaffen ist. Ihre Vision: ‚Wir meinen wirklich, dass diese Bibeltexte (1Mo 1-3) nicht bestimmt sind, um naturwissenschaftliche Probleme zu lösen. Es ist begreiflich und erfreulich, dass bibeltreue Exegeten die Auslegung von 1Mo 1-3 heute nicht mit naturwissenschaftlichen, sondern mit literarischen Fragen über den Text beginnen. So verweist man darauf, dass die literarische Struktur von 1Mo 1 mit einer Symmetrie der Tage und einer Wochenstruktur, die mit dem Sabbat endet, auf eine nicht chronologische, viel eher hymnische Reihenfolge der Schöpfungstaten Gottes hinweist … Aus der Bibel wissen wir, dass Gott der Schöpfer ist. Aber wie hat er die Welt geformt? Für eine Antwort auf diese Frage wenden wir uns an die Wissenschaft.‘“21 Mit Entsetzen gewinne ich den Eindruck, dass Ouweneel sich mehr und mehr von der früher vehement von ihm vertretenen Ansicht entfernt, dass die Bibel vertrauenswürdig ist, auch wenn sie über Geschichte und Natur spricht.

5. Menschliche Weisheit und Verführbarkeit

Doch zurück zu dem Buch von Seibel und Fijnvandraat. Es könnte die Frage aufkommen, warum ein ganzes Buch erscheint, um eine Veröffentlichung zu rezensieren, die zudem bereits vor fünf Jahren in Niederländisch und vor drei Jahren in Deutsch erschienen ist. Die beiden Teile dieses Buches von Alexander Seibel und Jaap Gerrit Fijnvandraat existieren schon länger und wurden auf den Homepages der beiden Autoren veröffentlicht.22 Die deutsche Übersetzung der Rezension von Fijnvandraat ist seit 2006 im Internet zu lesen.23 Dennoch erschien uns wichtig, eine gründliche Auseinandersetzung mit den Thesen Ouweneels über Krankenheilungen auch in Buchform zu publizieren. Ouweneel gehörte nach meinem Dafürhalten zu den größten zeitgenössischen Lehrbegabungen der Brüderbewegung. Im CLV-Verlag wurden verschiedene Bücher von ihm veröffentlicht. Es fällt mir nicht leicht, mich kritisch über einen Mann zu äußern, der hoch über meinem intellektuellen und geistlichen Niveau steht und von dem ich so viel gelernt habe. In meinen jungen Jahren habe ich seine Bücher und Vorträge verschlungen. In meiner Gedankenwelt habe ich ihn manchmal mit dem König Salomo verglichen, der auf jedes Rätsel eine Antwort (1Kö 10,1-2) und zu jedem Strauch und zu jeder (Tau-)Fliege einen klugen Spruch wusste (1Kö 4,33). Doch die gewaltige intellektuelle Kapazität Salomos hat ihn nicht davor bewahrt, von der Nachfolge des Herrn abzuweichen (1Kö 11,4). Es scheint auch angemessen, sich mit Seibel und Fijnvandraat ernsthafte Sorgen um den geistlichen Kurs Ouweneels zu machen. Salomo wurde der Einfluss seiner heidnischen Frauen zum Verhängnis (1Kö11,4). Ouweneel betont an verschiedenen Stellen, dass – unter dem Einfluss von C. G. Jung – die Entdeckung der weiblichen Anteile seiner Persönlichkeit, der sogenannten Anima, in seinem Veränderungsprozess eine wichtige Rolle spielt: „Nicht eine neue ‚Lehre‘, sondern eine Relativierung aller (intellektuellen) ‚Lehre‘ ist das, was mit mir los ist. Die Entwicklung des Sanften-Warmen-Fraulichen erfahre ich nicht anders als ein neues Werk des Heiligen Geistes in mir.24 Ob die Hinwendung zum Intuitiven, Überrationalen tatsächlich ausschließlich segensreiche Auswirkungen hat, daran bestehen aufgrund der oben angedeuteten Entwicklungen erhebliche Zweifel. Es wird nur wenige Zeitgenossen geben, die an das Bibelwissen, die nahezu enzyklopädische Allgemeinbildung und die intellektuelle und rhetorische Brillanz Ouweneels heranreichen. Dennoch machen die leicht verständlichen Ausführungen Seibels und Fijnvandraats deutlich, dass Ouweneel sich in seinem Buch auf ein erschreckend sumpfiges Gebiet begibt. Insofern sind ihre Ausführungen auch eine ernst zu nehmende Warnung an jeden Christen: Wenn schon ein über die Maßen kluger Mann wie Salomo und ein bibelgelehrter Mann wie Ouweneel nicht davor gefeit waren oder sind, sich in schwerwiegende Irrtümer zu verstricken, wie demütig und wachsam sollten wir dann vor Gott leben in dem Bewusstsein, ganz auf seine Gnade angewiesen zu sein und mit dem Gebet: „Weise mir, Herr, deinen Weg, damit ich wandle in deiner Wahrheit. Richte mein Herz auf das Eine, dass ich deinen Namen fürchte“ (Ps 86,11)

Nachtext

Quellenangaben

1. Ouweneel, Heilt die Kranken, S. 15
2. Zitiert in H. Scheib, Eine Begegnung mit T. B. Joshua, in http://www.betanien.de/Material/ermahnendes_Artikel/tbjoshua.htm
3. Zitiert in R. van der Ven: Sluiers over de Schrift – Uitkomen in een andere wereld, Doorn, 2006, S. 178
4. van der Ven, S. 178
5. zitiert in van der Ven, S. 179 und S. Simpson: To Deceive Even the Elect - an expose on T.B. Joshua of The Synagogue, Church Of All Nations, in: http://www.deceptioninthechurch.com/tbjoshua.html
6.Ogbanjes sind in der nigerianischen Stammesmythologie Kinder, die die Seele eines verstorbenen Geschwisterkindes haben, den Eltern gegenüber als kalt und gefühllos gelten, die Tendenz haben, ins Jenseits zurückzukehren,
jedoch durch besondere Zuwendung der Eltern im Diesseits gehalten werden sollen.
7. van der Ven, S. 179 und Simpson in: http://www.deceptioninthechurch.com/tbjoshua.html
8. Ouweneel, Het Domein van de slang, Christelijk handboek over occultisme en mysticisme, Amsterdam: Buijten & Schipperheijn 1978, S. 288.
9. Siehe http://www.vergadering.nu/ unter agenda
10. In einem Interview 2006 äußerte er: „Jetzt halte ich auch Massengebete, und da werden immer wieder Leute geheilt.“ http://www.bruederbewegung.de/personen/interviews/ouweneel6.html
11. Ouweneel, Godsverlichting, De evocatie van de verduisterde God - een weg tot spiritualiteit en gemeenteopbouw, Buijten & Schipperheijn, 1994, S. 78.
12. Ouweneel 1994, S. 78
13. Ouweneel, Heilt die Kranken, S. 22
14. Ouweneel, Okkultismus und östliche Mystik, (Telos), Amtzell, 1985
15. Offener Brief von Andreas Steinmeister an W.J. Ouweneel in: http://www.bibelkreis.ch/themen/wjoast.htm; R. van der Ven, Sluiers over de Schrift: Uitkomen in een andere wereld? Doorn: Stichting Johannes Multimedia, 2006.
16. Ouweneel, 1978, S. 63
17. Ouweneel, De negende Koning: Het laatste van de hemelrijken: De triompf van Christus over de machten, Leiden: Barnabas 1996, S. 305, zitiert in Steinmeister, op. cit.
18. In: Glashouwer, So entstand die Bibel, Bielefeld, CLV, niederländisch 1979, deutsch 1987, S. 138ff.
19. Ouweneel, Woord en wetenschap – Wetenschapsbeoefening aan de Evangelische Hogeschool, Amsterdam: Buijten & Schipperheijn, 1987, S. 61, zitiert in Steinmeister, op. Cit.
20. Zitiert in van der Ven, S. 47 f
21. zitiert in van der Ven, S. 49
22. http://www.alexanderseibel.de/ und http://www.jaapfijnvandraat.nl/
23. http://www.soundwords.de/artikel.asp?suchbegriff=&id=1391
24. Ouweneel: Nachtboek van de ziel. Amsterdam/Vaassen (Buijten & Schipper heijn / Medema) 1998, S. 117