Liebe Freunde!
Hurra, im letzten Monat wurde uns ein gesunder Sohn geschenkt: Gideon – auch ein „Jüngster im Haus seines Vaters“ (Richter 6,15). Denn der gleichnamige schlichte Richter hat uns sehr beeindruckt.
Wir begegnen Gideon zum ersten Mal, als er in einer Kelter Korn drischt. In einer Kelter? Das ist so, als würde man den Teppich im Wohnzimmer ausklopfen, statt vor der Tür. Eine staubige Sache. Gideon steht zwar in der Kelter, aber alles ist eingestaubt. Staub statt Saft. Wie widersinnig. Da wo sich die Kelter befindet, hatten sie vor Jahren noch karrenweise Trauben geerntet: Aber jetzt liegen alle Rebhänge schon sieben Jahre wüst. Wo Trauben gepresst werden sollten, wird nur trockenes Korn gedroschen. Wein – statt Weizen! Most – statt Müsli! Edelrebe halbtrocken – statt Haferflocken! An Wein nicht zu denken – eher an Weinen!
Wein braucht Zeit. Aber hier reicht es nur für Fastfood: Es muss schnell gehen, sehr schnell. Dieser Weizen muss flüchtig gedroschen und vor den Feinden versteckt werden. Überleben statt Überfluss.
In dieser Kelter – einer Felsrinne – stand man sonst knietief im Rebensaft, dass es nur so spritzte. Das war die erhebenste Zeit des Jahres. Ein Erntefest mit Musik und Reigen. Aber das ist lange her. Der Fels schimmert zwar noch ein wenig rot, aber eine dicke Staubschicht liegt darüber.
Das erinnert mich an das eingestaubte »Christentum« Deutschlands. Hier gab es mal frischen »Most«, reiche Ernte. Geblieben ist eine leichte christliche Färbung in kaltem Stein – Kirche ohne Saft und Kraft.
Es gab eine Reformation, Erweckungen, Aufbrüche, Bewegungen. Es gab geistliche Blütezeiten und viel Frucht. Aber der Staub der Jahrhunderte hält die lebendigen Erinnerungen bedeckt. Noch immer wird die »Kelter« zweckentfremdet und vielerorts leider nur leeres Stroh gedroschen! Kirchen werden zu Kneipen und Kaufhäusern umfunktioniert. Es herrscht geistliche Armut und Hungersnot.
Was mag Gideon in der umfunktionierrten Kelter empfunden haben? Vielleicht klangen seine wehmutsvollen Worte etwa so:
Verzagter nie als im August ... Statt goldner Ähren im Gelände, die hämisch zuckend gelben Brände. Für alle Mühe nur Verlust. Der Himmel matt – mir selber gleich. Die Äcker schwarz – sie glänzen leise. Wo bleiben Deine Macht-Beweise? Wo bleibt Dein Milch-und-Honig-Reich? Wo bleibst Du, Gott, der sich beweist? Kreuzt man mit Dreschflegeln die Klinge? »Schau nicht auf Staub, bau nicht auf Dinge! Geh hin in deiner Kraft, dem Geist!«
Wir wünschen, dass unsere Leserschaft wie Gideon mit bescheidenen Mitteln und kleiner Kraft aufbricht. Hingeht in eine geistlich hungrige Welt. Gottes Geist umkleide uns allezeit (Richter 6,34), damit wir für Ihn das Gute wirken, bis Er kommt.
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